Leonie Fiebich und Nyara Sabally haben die Liste an Erfolgen für deutsche Basketballer eindrucksvoll fortgesetzt. Die grosse Frage: Ist die Sportart auf dem Vormarsch? Oder handelt es sich nur um ein Strohfeuer?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Leonie Fiebich muss alles erst einmal sacken lassen. Die jüngsten Erfolge, die rasante Entwicklung, die enormen Auswirkungen. Sie könne gar nicht realisieren, was in den letzten Monaten alles passiert sei, sagte Fiebich nach dem Triumph mit den New York Liberty in der WNBA laut der dpa. "Wir hatten grosse Ziele: mit der Nationalmannschaft und den Liberty. Ich bin einfach stolz, diese Ziele erreicht zu haben." Denn das hat weitere Effekte zur Folge: Dass eine Sportart, die sowieso schon boomt, weiteren Auftrieb erhält. Denn Basketball ist in Deutschland auf dem Vormarsch.

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Was an mehreren Faktoren liegt. Zum einen natürlich an den schlagzeilenträchtigen Erfolgen wie jetzt von Fiebich und Nyara Sabally in den USA, durch EM-Bronze und WM-Gold der deutschen Männer-Nationalmannschaft oder Olympia-Gold der 3x3-Basketballerinnen. Die erstmalige Olympia-Teilnahme der Frauen-Auswahl in Paris, verbunden mit dem Viertelfinal-Einzug, ist ebenfalls ein historischer Erfolg.

Dazu gesellt sich ein starkes Standing der deutschen NBA-Exporte wie Dennis Schröder, Franz und Moritz Wagner oder Daniel Theis, Isaiah Hartenstein und Maxi Kleber. Das Sextett spielt in der besten Basketball-Liga der Welt eine gewichtige Rolle, Kleber scheiterte in der vergangenen Saison mit den Dallas Mavericks erst in den Finals. Hartenstein ist mit rund 27 Millionen Euro pro Jahr im Moment der Topverdiener unter den deutschen Sportlern, 2025 wird das wahrscheinlich Moritz Wagner mit dann über 41 Millionen Euro sein.

Die Mitgliederzahlen steigen

Das Gute dabei: All das ist kein Zufall. Und vieles deutet darauf hin, dass der Boom kein Strohfeuer ist, sondern dass immer mehr Kinder und Jugendliche Feuer und Flamme für Basketball sind. So sind die Mitgliederzahlen beim Deutschen Basketball-Bund (DBB) bei der letzten Erhebung zum Stichtag 1. Januar 2023 um 12,4 Prozent gestiegen, insgesamt sind 242.344 Menschen in dem Verband organisiert, so viele wie noch nie. Bei Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren sind die Mitgliederzahlen sogar um 26 Prozent gestiegen.

Was man dabei nicht vergessen darf: Bis auf EM-Bronze der Männer sind die Effekte der oben aufgeführten Erfolge in den Mitgliederzahlen noch gar nicht erfasst, weil sie nach der Erhebung eingefahren wurden. Welchen Einfluss diese Triumphe noch zusätzlich haben, wird man Ende 2024 erstmals anhand der neuen Zahlen sehen können.

Für den früheren Nationalspieler Patrick Femerling ist die Entwicklung keine Überraschung. "Man hat über Jahre darauf hingearbeitet, dass die Leistungsdichte immer besser wird und dass man auch in der Jugendarbeit gute Ansätze verfolgt. Das trägt jetzt Früchte. Natürlich auch gepaart mit guten Spielerinnen- und Spieler-Generationen, die man hat. Und das passt dann einfach gut zusammen", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Gute Arbeit des Verbandes

Der Verband hat nämlich schon weit vor den aktuellen Erfolgen angefangen, Massnahmen zu ergreifen, die sich aktuell auf dem Parkett und bei den Anmeldungen niederschlagen. So gab es einschneidende Veränderungen beim Jugend-Basketball wie im Männerbereich zum Beispiel die Gründungen der Nachwuchs Basketball-Bundesliga (NBBL) und Jugend Basketball-Bundesliga (JBBL) 2006 und 2010. Das gab der Nachwuchsarbeit eine feste Struktur und nahm die Profivereine noch mehr in die Pflicht, in die Nachwuchsarbeit zu investieren.

"Im Frauen-Bereich war es die Arbeit der Vereine, aber auch von Stefan Möller, dem ehemaligen Bundestrainer für den Nachwuchsbereich. Er hat einen Riesenjob gemacht, hat sich da wirklich reingekniet, um die Talente zu identifizieren", sagt Femerling: "Da müsste man aber in der Struktur vielleicht noch eine Liga dazwischenschieben, um die Damen-Bundesliga noch mehr aufzuwerten. Alba Berlin zeigt allerdings, dass man mit viel Energie und Willen auch mit vielen deutschen Spielerinnen viel machen kann."

Schröder und die Sabally-Schwestern als Leuchttürme

Wo sich der Kreis der nachhaltigen Nachwuchsarbeit schliesst, ist bei den Vorbildern und den damit verbundenen Erfolgen. Talente werden gesichtet, gefunden und gefördert. Kommen sie dann gross heraus, locken sie weitere Generationen von Spielern an, die ihnen nacheifern wollen und den Weg zum Sport finden. Stars wie Schröder, die Wagner-Brüder oder die Sabally-Schwestern Nyara und Satou sind die Leuchttürme für die potenziellen Stars von morgen.

"Und in dem Zusammenhang ist es essenziell, dass man die Begabung früher erkennt und dann die Förderung so aufsetzt, dass die Spielerinnen und Spieler sich wiederfinden und den nächsten Schritt gehen können", betont Femerling. Da seien vonseiten des Verbandes erfolgreich Massnahmen getroffen worden, dass man Talente noch früher erkenne, erklärt der ProSieben-Experte. "Auf Vereinsseite und auf Verbandsseite wurde im Jugendbereich gute Arbeit geleistet, insbesondere von den Nachwuchs-Bundestrainern." Ein positives Beispiel ist laut Femerling Alan Ibrahimagic, der mit der U18 im August Europameister geworden ist. Die nächsten Talente sind also schon da.

Warum es auch Probleme beim Basketball gibt

Während der Status Quo rosig aussieht, sind Probleme aber nicht von der Hand zu weisen, denn es ist gut möglich, dass die Zahlen noch besser wären. Doch der Boom steigt schneller als die vorhandenen Möglichkeiten, denn die mangelnde Infrastruktur in Form von zu wenig Hallen und zu geringen Nutzungszeiten bremst die Nachfrage wohl ein wenig aus. Das gilt vor allem für den Frauen-Bereich, aber auch für 3x3-Basketball. Eine Hoffnung ist, dass die steigende Aufmerksamkeit positive Veränderungen zur Folge hat.

"Man muss noch mehr investieren in Trainingsmöglichkeiten, in Hallenzeitoptimierung, dass man überhaupt mehr Hallen hat, um den Sport zu machen. Das muss man fordern, um noch viel mehr Voraussetzungen zu schaffen, um die nächsten Schritte zu gehen", sagt Femerling, der fordert, dass die Entwicklung noch mehr geboostert werden müsse als bei den Männern.

Viele Vereine haben lange Wartelisten

Denn es gibt sehr viele Mädchen, die Basketball spielen wollen, es gibt aber auch lange Wartelisten bei den Vereinen. Dazu müsse auch in der Trainerausbildung etwas gemacht werden, sagt der 221-malige Nationalspieler. Das seien Dinge, die nicht so leicht umzusetzen seien, weiss Femerling: "Aber wenn man einen Schritt nach dem anderen geht, hat man eine gute Chance, dass auch mittel- bis langfristig etwas Gutes herauskommt." Ein Fixpunkt ist zum Beispiel die Frauen-WM 2026, die in Deutschland stattfindet.

Grundsätzlich gilt, betont Femerling, dass die Erfolge im Basketball "medial gezeigt werden", während die Zugänge zum Sport erleichtert werden müssen, "dass man in den Schulen anfängt, vielleicht schon in den Grundschulen die Grundsteine legt, indem man für den Sport sensibilisiert und die Kids so noch mehr aus ihrem Alltag rausholt. Dann kann das weitere Früchte bringen".

Aber wohl auch nur dann, wenn der Boom nicht von einer mangelnden Infrastruktur ausgebremst wird.

Über den Gesprächspartner

  • Patrick Femerling zählte zu den besten Centern Europas und lief unter anderem für Alba Berlin und den FC Barcelona auf. Mit der deutschen Nationalmannschaft gewann er 2002 WM-Bronze in den USA sowie 2005 EM-Silber in Serbien und Montenegro. Inzwischen arbeitet er als TV-Experte.

Verwendete Quellen

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