Basketball-Bundestrainer Gordon Herbert gewährt tiefgehende und ehrliche Einblicke in sein Leben. Mit bemerkenswerter Offenheit gibt der Kanadier in seinem neuen Buch Einblick in seine mentalen Probleme. Der Headcoach führte Deutschland 2023 zum Basketball-Weltmeistertitel, doch zuvor hatte er mit schweren Depressionen zu kämpfen

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Herbert war längst noch nicht der Weltmeistermacher, der Held von Manila, als ihn der Feind im eigenen Kopf heimtückisch überfiel. Plötzlich ging nichts mehr, von starken Schmerzen und Stress geplagt brach der Kanadier zusammen und verfiel in eine ernsthafte Depression. 14 Jahre später erzählt der Basketball-Bundestrainer erstmals von der dunkelsten Zeit seines Lebens.

"Ich war tot", erinnert sich der 65-Jährige im SID-Interview: "Ich habe es nicht kommen sehen. Es ist schwierig zu beschreiben, aber ich würde sagen, dass ich nie mehr an diesen Ort zurückmöchte." Von dieser schweren Phase berichtet Herbert in seinem neuen Buch "Die Jungs gaben mir mein Leben zurück", das er mit dem Autor Jonathan Sierck schrieb und am Dienstag erschien.

Gordon Herberts Kampf mit Depression und Verletzung

Herbert war 2010 als Trainer der Frankfurt Skyliners im Trainingslager in Tschechien, die Krankheit überraschte ihn aus dem Nichts. "Ich wollte die Übungen planen, Entscheidungen treffen – und konnte es einfach nicht. Ich konnte nicht einmal einen Trainingsplan schreiben", sagt er. Bei einem Sturz im Jahr zuvor hatte sich Herbert an der Wirbelsäule verletzt und war seitdem von starken Schmerzen geplagt. Hinzu kamen der Stress des Jobs und eine Scheidung.

All das war zu viel für ihn. "Ich war am Boden", sagt Herbert, Frankfurts Geschäftsführer Gunnar Wöbke brachte ihn ins Krankenhaus. "Ohne diese Hilfe wäre meine Trainerkarriere genau dort geendet", erinnert er sich. Zu dieser Zeit, so schreibt Herbert im Buch, habe sich auch sein Alkoholkonsum gesteigert, auch wenn es nicht ausartete, sei es kein gesundes Mass mehr gewesen.

Von der Resignation zur Inspiration

Erst sieben Jahre nach dem Sturz, nach einer weiteren Operation im Jahr 2016, wurden die Schmerzen besser und Herbert begann auch seelisch zu heilen und trotzdem wollte er hinschmeissen, seine Trainerkarriere beenden, ehe ihn 2021 der Deutsche Basketball Bund (DBB) wegen des Bundestrainerjobs kontaktierte.

"Ich war vom Umgang mit Spielern frustriert, auch vom System. Ich dachte: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um aufzuhören. Dann kam plötzlich diese Gelegenheit", so Herbert. Eindrucksvoll zeichnet der Coach im Buch nach, wie ihm das Weltmeisterteam von 2023 um Kapitän Dennis Schröder durch seine einmalige Chemie Energie spendete. Die Spieler hätten ihm "neues Leben geschenkt", sagt er.

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Gordon Herberts letztes Kapitel

Im Sommer 2024 ist Herbert ein glücklicher Mann, ihm ist der Tatendrang anzumerken, wenn er davon spricht, bei Olympia nach EM-Bronze und WM-Gold die dritte Medaille in drei Jahren holen zu wollen. Es wird sein letztes Hurra, denn danach ist beim DBB Schluss.

Trotz eines Vertrages bis zur EM 2025, verlässt der Coach den Verband. Der DBB sei, so Herbert, seine "erste Option" gewesen, er habe grosses Interesse gehabt, "bis 2028 weiterzumachen und ein neues Team aufzubauen." In einem "tollen Gespräch" mit Präsident Ingo Weiss und Vize Armin Andres habe man sich, so ist das manchmal, jedoch nicht auf einen neuen Vertrag einigen können.

Und nun? Für die Zukunft ist Herbert optimistisch. "Jetzt fühle ich mich, als ob ich noch fünf Jahre weitermachen könnte", sagt er: "Ich würde gerne noch zwei Jahre mit einem Verein und zwei Jahre mit einem Nationalteam arbeiten." Es ist vielleicht das grösste Geschenk, das seine Spieler ihm machen konnten. (SID/do)

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