Acht Deutsche mischen in der neuen NBA-Saison mit. Im Interview spricht der ehemalige deutsche Nationalspieler Patrick Femerling über die deutschen Nachwuchsspieler und einen möglichen Nowitzki-Erben.
Wir haben mit dem früheren Nationalspieler Patrick Femerling über den Status Quo von Franz Wagner,
Herr Femerling, die neue NBA-Saison ist gestartet. Mit welchem Standing gehen die deutschen Profis in die Saison?
Patrick Femerling: Die Jungs sind sich ihrer Chance bewusst, die sie in einer Liga wie der NBA haben. Aber das Ansehen ist inzwischen sehr, sehr hoch. Du schaffst es nicht in die NBA, wenn du nicht die Qualität dafür hast. Gerade wenn du aus Europa kommst, muss ein Mehrwert dabei sein. Und alle deutschen Jungs haben in unterschiedlichen Rollen einen mega Mehrwert für ihre Teams.
Wie hat sich dieses Standing in den vergangenen Jahren verändert und warum?
Zum einen hält die NBA die Augen offen, die Scouts sind in der ganzen Welt unterwegs. Ausserdem ist der athletische Unterschied nicht mehr so gross, es gibt viel mehr Spieler, die in der Hinsicht in den USA mithalten können. Weil bei uns besser und professioneller gearbeitet wurde, die Ausbildung stimmt. Und die dritte Komponente ist das Marketing. Denn wenn bestimmte Leute geholt werden, soll das auch dem Standing der Liga weltweit helfen. Die deutschen Fans wollen Dennis Schröder oder Franz Wagner sehen.
Franz Wagner ist ab 2025 wahrscheinlich der Topverdiener unter den deutschen Sportlern, er bekommt mehr als 40 Millionen Euro im Jahr. Völlig verrückt oder völlig verdient?
Völlig verdient. Er ist ein Spieler, der jung ist und nicht für das Geld spielt, sondern immer gewinnen will. Ich glaube, er soll in Orlando der Franchise-Spieler werden. Er ist ein kluger Spieler und hat noch Entwicklungspotenzial in allen Bereichen, obwohl er schon jetzt so gut ist.
Was fehlt Franz Wagner zum Superstar? Erfolg!
Was fehlt ihm noch zum absoluten Superstar?
Erfolg. Du willst in die Playoffs und da weit kommen. Das sind Dinge, die noch einmal einen anderen Blickwinkel auf einen Spieler werfen. Es ist wichtig, dass er gesund bleibt. Dann wird sich das in die richtige Richtung entwickeln. Er ist jemand, der immer in der Halle ist, der immer arbeitet, der auch Bock darauf hat, besser zu werden. Das ist einfach viel positive Energie. Und Orlando ist ein guter Ort für ihn, um sich weiterzuentwickeln und die nächsten Schritte zu gehen.
Neben ihm spielen in Orlando noch sein Bruder Moritz und der an Position 18 gedraftete Neuling Tristan da Silva. Wie sehen Sie ihre Rollen?
Abgesehen davon, dass Moritz ein talentierter und sehr guter Basketballer ist, ist er jemand, der reinkommt und sofort den Motor an hat. Mit seiner Energie und seinem extrovertierten Verhalten zieht er jeden sofort mit. So macht er seine Mitspieler besser. Das ist eine Qualität, die wenig Spieler haben. Tristan will sich zeigen, man muss sehen, welche Nische er findet und welche Rolle er vom Trainer bekommt. Auch er hat viel Potenzial.
Drei deutsche Spieler in einem Team, das ist ungewöhnlich. Haben die Magic durch die Wagner-Brüder Blut geleckt oder ist das Zufall?
Das ist wild. Irgendwann hast du zwölf Deutsche in Orlando (lacht). Im Ernst: Natürlich ist es ein Stück weit Zufall. Aber du hast mit Franz und Moritz ein super Duo. Und Tristan hat sich zuletzt nochmal richtig weiterentwickelt und ist jemand, der kontinuierlich an sich arbeitet, viel investiert. Trotzdem ist es sehr ungewöhnlich. Vielleicht wird bald nur noch Deutsch in der Kabine gesprochen.
Was ist für das Trio mit der Magic drin?
Sie haben eine gute Chance auf die Playoffs. Dann muss man sehen, wo die Reise am Ende hingeht. Sie haben in der vergangenen Saison gezeigt, dass sie im richtigen Moment einen Run hinlegen können.
Daniel Theis ist jetzt bei den New Orleans Pelicans. Wie wichtig ist er für das Team?
Daniel hat dort eine Riesenchance, nach schwierigeren Jahren eine andere Rolle einzunehmen, eine grössere. Er ist jemand, der defensiv viel stabilisieren kann, weil er ein guter Shotblocker ist, unter dem Korb wuselt und Rebounds holt. Und er ist immer noch ein Topathlet. Ich sehe Daniel bei den Pelicans sehr weit vorne.
Spielen die Pelicans um den Titel?
Wenn du eine bestimmte Position stärkst, Leute holst, die auch charakterlich stabil sind, so wie Daniel, ist das ein Zeichen, dass es in die richtige Richtung geht. Talent ist da. Das ist eine spannende Mannschaft, die primär defensiv gut performen muss. Die Frage ist, ob sie schon so weit sind oder ob sie noch mehr Ergänzungen dazu holen müssen.
Hartenstein bleibt etwas unter dem Radar
Isaiah Hartenstein ist von den New York Knicks zu Oklahoma City Thunder gewechselt, kassiert dort für drei Jahre 81 Millionen Euro, ist also aktuell der deutsche Topverdiener. Warum bleibt er ein wenig unter dem Radar?
Er war schon immer sehr talentiert. Gross, beweglich, mit einem guten Wurf und einer vernünftigen Ballbehandlung. Er musste die eine oder andere Hürde überspringen, um dahin zu kommen, wo er jetzt ist. Es wird ein bisschen unterschätzt, wie viele Skills er besitzt. Und wie viele verschiedene Dinge er damit machen kann. In New York hatte er die Zeit, sich ein Standing zu erarbeiten und zu zeigen, dass er einer Mannschaft helfen kann. Das gilt jetzt auch für Oklahoma, mit denen er um den Titel spielen kann. Sie haben eine richtig gute Mannschaft.
Maxi Kleber stand mit den Dallas Mavericks in der Vorsaison in den Finals. Kann er mit den Mavs den letzten Schritt gehen?
Grundsätzlich haben sie rund um Superstar Luka Doncic die Qualität dafür, es ist eine spannende Mannschaft. Sie haben Klay Thompson als Shooter geholt, der das Feld noch mal grösser machen kann und viel Qualität mitbringt. Ich hoffe, dass Maxi gesund bleibt, weil er ein Top-Spieler, sehr talentiert und jemand ist, der der Mannschaft viel geben kann. Er tut dem Mavs-Spiel gut.
Wie schätzen Sie die Situation von Zweitrundenpick Ariel Hukporti bei den New York Knicks ein?
Er wird auf seine Chance warten müssen. Bei den Knicks sind grundsätzlich aber ein paar Minuten Spielzeit frei. Ich hoffe, dass Ariel die bekommt. Er ist jemand, der gross und athletisch ist und einen ganz guten Touch mit seiner linken Hand hat. Er hat eine Weile darauf hingearbeitet, endlich in der NBA anzukommen. Ich hoffe, dass er sich in seiner Rolle etablieren kann.
Was geht für Schröder in Brooklyn?
Die Brooklyn Nets mit Weltmeister-Kapitän Dennis Schröder gehören zu den schlechteren Teams der Liga. Wie herausfordernd ist die Aufgabe, ein neues Team aufzubauen?
Das ist schwierig. Er ist jemand, der gewinnen will und bereit ist, dafür viel zu investieren. Jetzt ist es eine andere Rolle, bei der es nicht so sehr darum geht, nur Spiele zu gewinnen, sondern auch so eine Mannschaft weiterzuentwickeln. Eine Mannschaft, die vor allem offensiv ihren Rhythmus finden muss. Aber sie haben Talente, die sich entwickeln können. Dennis ist deshalb umso wichtiger, um anzuführen, um zu dirigieren und die Mitspieler effektiv einzusetzen.
Wird Schröder diese Aufgabe Spass machen?
Das ist eine gute Frage. Er möchte eine Mannschaft anführen und er kann das auch, er hat die Qualität und das Selbstverständnis. Er hat zudem noch ein paar Jahre im Tank. Doch wer weiss, vielleicht wird es eine überraschende Saison? Vielleicht ist es eine Mannschaft, die besser und effizienter spielt, als man das jetzt vor der Saison gedacht hat. Manchmal unterschätzt man Mannschaften, weil der Kader auf den ersten Blick nicht so schlagkräftig aussieht. Das Ziel werden die Playoffs sein. Das zu erreichen, wird aber nicht leicht.
Die deutschen Spieler haben sich ein gutes Standing erarbeitet. Gibt es jemanden, der möglicherweise sogar in die riesigen Fussstapfen von
Dirk Nowitzkis Fussstapfen sind nicht zu füllen. Er hat den Sport verändert. Den Basketball, wie er gesehen und wie er gespielt wird, wie Positionen definiert werden. Das wird in der Form aus deutscher Sicht wohl keiner mehr schaffen.
Sehen wir denn mal wieder einen deutschen Titelträger? Oder ist der grosse Titelfavorit Boston Celtics nicht zu stoppen?
Ich halte Boston für den grossen Favoriten, weil die Mannschaft zusammengeblieben ist. Und die haben Lust auf mehr. Aus deutscher Sicht sind Hartenstein mit OKC, Maxi mit den Mavericks oder Ariel mit den Knicks am nächsten dran, um den Titel zu holen. Vielleicht auch Orlando, aber da muss schon sehr, sehr viel gut laufen.
Wer mischt noch mit im Titelkampf?
Ich bin immer noch Fan von den Denver Nuggets, weil es mir einfach Spass macht, ihnen zuzusehen. Die Minnesota Timberwolves finde ich stark. Die Indiana Pacers sind dabei, wenn sie ihre Defense stabilisieren können. Die Golden State Warriors würde ich auch nicht abschreiben. Die Milwaukee Bucks sind auch interessant. Bei den Los Angeles Lakers weiss ich es nicht. Irgendwas fehlt mir. Aber es wird natürlich spannend sein zu sehen, wie Bronny mit seinem Papa LeBron spielt.
Vater-Sohn-Duo in der NBA
Ist die Story hollywoodreif oder eher eine Inszenierung?
Es sieht schon sehr nach Inszenierung aus. Aber die US-Amerikaner wissen, wie man so eine Geschichte schreibt. Das ist Sport-Romantik pur. Mir gefällt sie, auch wenn sie bei den Lakers im Moment vieles überstrahlt.
Nicht wenige Kritiker sprechen Bronny die NBA-Qualität ab. Was erwarten Sie, wie die Story weitergeht?
Dass er die NBA-Qualität nicht hat, ist zu harsch. Man muss erst sehen, was er in der Regular Season zeigen kann. Es ist falsch und unfair, ihn an LeBron zu messen. Das birgt immer die Gefahr, dass man darüber hinwegsieht, dass er ein viel besserer Basketballer sein könnte, als man denkt. Dass das jetzt ein bisschen initiiert wirkt, kann man nicht von der Hand weisen. Aber man sollte das nicht kritisch, sondern romantisch sehen, dass die beiden zusammen auf dem Feld stehen.
Über den Gesprächspartner
- Patrick Femerling zählte zu den besten Centern Europas und lief unter anderem für Alba Berlin und den FC Barcelona auf. Mit der deutschen Nationalmannschaft gewann er 2002 WM-Bronze in den USA sowie 2005 EM-Silber in Serbien und Montenegro. Inzwischen arbeitet er als TV-Experte.
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