Seit Sonntagabend trauert die Lauf-Welt: Der kenianische Marathon-Weltrekordhalter Kelvin Kiptum ist bei einem Verkehrsunfall in Kenia ums Leben gekommen. Sein Tod löst weltweit grosse Anteilnahme und Trauer aus.

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Der erst 24 Jahre alte Ausnahmeathlet war am Sonntagabend in Kaptaget im südwestlichen Hochland Kenias, wo viele kenianische Jungläufer zu Wunderläufer ausgebildet werden, unterwegs. Plötzlich kam das Auto, das er steuerte und in dem auch Kiptums Trainer Gervais Hakizimana und eine Frau sassen, aus bisher unerklärlichen Gründen von der Strasse ab. Das Fahrzeug kollidierte mit einem Baum und landete in einem tiefen Graben, zitierte die Zeitung Daily Nation den zuständigen Polizeivertreter. Veröffentlichte Fotos zeigen ein völlig demoliertes silberfarbenes Auto. Sein Trainer starb, die Frau wurde in ein örtliches Krankenhaus gebracht. Kiptum hinterlässt seine Frau und zwei kleine Kinder.

Neuer Weltrekord in Chigaco

Im Oktober 2023 hatte Kiptum bei seinem erst dritten Marathon einen neuen Weltrekord aufgestellt: Er lief die 42,195 Kilometer in Chicago in unglaublichen 2:00:35 Stunden und verbesserte den Weltrekord von seinem Landsmann Eliud Kipchoge um 34 Sekunden - eine "Ewigkeit“ im Laufsport. Im vergangenen Jahr gewann er überdies den renommierten Marathon in London. Bei den Olympischen Sommerspielen in Paris in diesem Sommer hätte es nun zu einem Aufeinandertreffen von Kiptum und Landsmann Eliud Kipchoge kommen sollen.

Kiptum,15 Jahre jünger als der 39-jährige Kipchoge, hatte man aufgrund seiner bisher gezeigten Leistungen zugetraut, den Weltrekord weiter zu verbessern und die magische Schallmauer von zwei Stunden zu durchbrechen. "Das hätte ich ihm zugetraut, bei optimalen Bedingungen“, sagt Matthias Kohls auf Anfrage der Redaktion. Kohls ist Marathon-Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).

Laufsport verliert "grösste Attraktion“

„Die Marathonszene hat seine momentan grösste Attraktion verloren“, ist sich Bundestrainer Kohls sicher. Viele Profi- und unzählige Hobbyläufer teilen in den sozialen Medien ihre Trauer und würdigen Kiptum als "Held“ und "Vorbild“. Darunter auch der als "Marathon-Pater“ bekannte Tobias de Breer. Der Geistliche ist in seinem Leben knapp 200 Marathons auf der ganzen Welt gelaufen. Zuletzt trat der 60-jährige Duisburger als einziger Deutscher bei einem Halbmarathon in der Antarktis an – bei bis zu minus 50 Grad. Kiptum "war für mich und viele Marathonläufer ein Vorbild“, sagt de Breer auf Anfrage der Redaktion. Der ums Leben gekommene Sportler habe einen aussergewöhnlichen Abdruck auf dem Globus hinterlassen. "Ein unglaublicher Athlet hinterlässt ein unglaubliches Vermächtnis, wir werden ihn sehr vermissen.“

Pater Tobias wollte eigentlich auf Kiptum beim diesjährigen Berlin-Marathon treffen, um "mit ihm ein gemeinsames Foto zu machen“. Nun kann er lediglich hinzufügen: "Ich wünsche seiner Familie viel Kraft und den Segen Gottes. Ich bete für dich, Kelvin.“

Ein Held in der eigenen Heimat

In seiner ostafrikanischen Heimat Kenia wurde Kiptum als Ausnahmesportler von Präsident William Ruto (57) gewürdigt. "Er war nur 24 Jahre alt, ein Held. Seine mentale Stärke und seine Disziplin waren unerreicht", schrieb Ruto auf X, vormals Twitter. Auch Leichtathletik-Weltverband-Präsident Sebastian Coe (67) zeigte sich auf X "geschockt und tief traurig".

Für viele Kinder in Kenia war Kiptum ein Vorbild. Und ein Beispiel, dass man mit Laufen und harter Arbeit der Armut entkommen kann. Kiptum hat mit seinem bis dato verdienten Prämien und Einnahmen aus Sponsorenverträgen seine grosse Familie finanziert – wie viele afrikanische Sportler.

Kiptums Vater, Samson Cheruiyot, erhebt nach dem Unfall schwere Vorwürfe, berichten kenianische Medien der regionalen deutschen Nachrichtenseite "Tag24“. Der trauernde Vater fordert eine "umfassende polizeiliche Ermittlung“, da er vermutet, dass mehr hinter dem Unfalltod seines Sohnes stecken könnte. Unbekannte, die sich angeblich nicht ausweisen wollten, sollen vier Tage vor dem Tod Kiptums nach ihm gefragt haben. Die vier Fremden vor Kiptums Haus hätten laut dem Medienbericht behauptet, von der kenianischen Regierung zu kommen.

Sportlich könnte der plötzliche Tod Kiptums einen herben Rückschlag für das Laufland Kenia gegenüber der Konkurrenz aus Uganda und vor allem aus Äthiopien bedeuten. "Sie haben ihren aktuell besten Athleten verloren“, erklärt Marathon-Bundestrainer Kohls. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris im Sommer dieses Jahres sei der Tod natürlich eine Schwächung, dennoch gibt Kohls zu bedenken, dass Kenia "mit den Positionen zwei, vier und fünf immer noch das von den Vorleistungen her beste Team, darunter der Titelverteidiger Kipchoge, stelle“.

Kohls glaubt, dass Kiptum nur für kurze Zeit eine Lücke im Laufteam Kenias und für die Lauf-Nation Kenia hinterlassen werde. "Wann ein Ausnahmeathlet wie Kiptum auf der Bildfläche erscheint, ist nicht vorhersehbar. Dass es passieren wird, wäre keine Überraschung, bei den vielen, die sich in Kenia auf den Weg machen zu einer ähnlichen Karriere.“

Über den Gesprächspartner:

  • Matthias Kohls ist Bundestrainer im Marathon beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV).
  • Pater Tobias de Breer absolviert als Leistungssportler Marathonläufe.

Verwendete Quellen:

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