Russ Bray war über Jahrzehnte auf der "Sonnenseite". Beim Finale der Darts-WM am Mittwoch grüsste er letztmals von der ganz grossen Darts-Bühne. Die markante Stimme dürfte dem Sport fehlen.
Für sein markantestes Merkmal musste Russ Bray nach eigener Aussage nie arbeiten. "Meine Stimme ist, wie sie ist. Meine Stimme kostet mich nichts und bringt mir viel Geld. Das ist so, wie ich bin", sagte der 66 Jahre alte Darts-Schiedsrichter.
Seine Reibeisenstimme, mit der er seit Jahrzehnten den Ausruf "Onehundredandeighty" (180) in die Arenen dieser Welt brüllt, macht Bray zu einem unverwechselbaren Teil der Darts-Show. Am Mittwochabend leitete der Engländer im Alexandra Palace von London letztmals ein Finale.
Zu Ehren von Bray änderte der Weltverband PDC beim bedeutendsten Darts-Spiel des Jahres sogar das übliche Prozedere. Statt wie üblich die Schiedsrichter während der Begegnung rotieren zu lassen, durfte der 66-Jährige das Finale in Spielfilmlänge diesmal über die volle Dauer leiten.
Der 7:4-Erfolg des neuen englischen Weltmeisters Luke Humphries über den 16 Jahre alten Landsmann Luke Littler war kurzweilig und hochklassig. Ganze 36 Mal durfte Bray zum eigenen Abschied von der grossen Bühne seinen markanten Lieblingsruf "Onehundredandeighty" in den "Ally Pally" rufen: 23 Mal für Humphries, 13 Mal für Littler nach Aufnahmen mit der Höchstpunktzahl 180 für drei Pfeile.
Russ Bray: Mehr als ein brüllender Schiedsrichter
28 Weltmeisterschaften und hunderte WM-Partien mit Bray sind nun Geschichte. "Ich fühle mich sehr gut. Ich freue mich wirklich darauf, noch einmal dieses Finale zu callen", hatte Bray der Deutschen Presse-Agentur zu seinem letzten Einsatz auf der ganz grossen Bühne gesagt. Seine Tätigkeit als Gerüstbauer konnte er in den 90er-Jahren hinter sich lassen, als er beim Weltverband PDC in die Riege der Schiedsrichter rutschte - und dort immer weiter aufstieg.
Für Darts-Experte Elmar Paulke hat sich Bray einen Lebenstraum verwirklicht. "Er muss nicht mehr draussen auf kalten Baustellen stehen. Die Caller lieben das so. Die sind jeden Tag gut gelaunt, da gibt es keinen Beef, die leben ihren Traum, sind sehr dankbar", sagte Paulke. "So habe ich Russ immer erlebt. Das mag ich sehr an ihm. Er wusste, dass er auf seiner Sonnenseite ist." Wer Bray bei der WM in London erlebt, sieht ihn stets lachen - und nicht nur als brüllenden Schiedsrichter oben auf der Bühne.
Bray wird nicht komplett aus der Darts-Szene verschwinden
Der Darts-Veteran, der seit 1996 dabei ist, gibt in den Katakomben Interview um Interview, in diesem Jahr natürlich noch mehr als sonst. Wenn er anderweitig nicht gebraucht wird, steht er in der riesigen Great Hall des "Ally Pally" für Fotos mit dem WM-Pokal bereit. Zehn Pfund pro Foto mit der gigantischen Sid Waddell Trophy und Pfeile-Ikone Bray? Die bunt gekleideten und bestens gelaunten Fans stehen dafür Schlange.
Bray wird nicht komplett aus der Darts-Szene verschwinden. Er soll Botschafter der PDC werden und bei den World-Series-Events, die zum Beispiel in Australien oder in den USA ausgetragen werden, zum Einsatz kommen. Auch für den asiatischen Markt bleibt Bray ein wichtiges Gesicht.
Auf mehr Freizeit mit seiner Frau freut sich der Mann mit der rauchigen Stimme trotzdem. "Sie geht selbst in Rente im Januar. Wir werden mehr Zeit gemeinsam haben und unseren Ruhestand geniessen", sagte Bray. Geplant ist etwa eine gemeinsame Kreuzfahrt.
Mit zehn Jahren schon geraucht
Die Spieler sind von Bray begeistert - und haben viele Erinnerungen an ihn. "Jeder verbindet Darts mit ihm. Auch ich als damaliger Zuschauer weiss noch ganz genau, dass er ein Aushängeschild war. Man hat sich immer schon auf seine Stimme gefreut", sagte der Deutsche Martin Schindler.
PDC-Boss Matthew Porter dankte Bray für einen "unglaublichen Beitrag" über die vergangenen 30 Jahre. "Die Stimme von Russ ist ein Synonym für unseren Sport", fügte Porter an.
Bray ist ein echtes Original, nicht nur die Stimme ist unverwechselbar. "Ich habe schon mit zehn Jahren geraucht", erzählte Bray jüngst der "Sport Bild". Dies sei in den 60er-Jahren ganz normal gewesen und von Kindersendungen zusätzlich beeinflusst worden. Mit 53 hörte Bray dann auf zu rauchen. "Meine Stimme hat sich seitdem nicht geändert", sagte er. Die Darts-Fans können das bezeugen. (dpa/lh)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.