Darts bei Olympia: Nicht wenige Spieler hätten da sehr viel Lust drauf. Die Verantwortlichen weniger, sie erteilten der Idee sogar eine sehr deutliche Absage. Warum ist das so? Wir haben mit Elmar Paulke und Niko Springer darüber gesprochen.
Für Niko Springer ist Darts "wie ein ständiges Elfmeterschiessen", geprägt von einer "speziellen Spannung". Die Faszination der Sportart ist vielfältig, für den WM-Debütanten ist es vor allem "dieser Nervenkitzel, die sekundenschnellen Entscheidungen und dass ein Spiel auch innerhalb von ein, zwei Sekunden komplett kippen kann", wie er im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Fakt ist: Darts ist anders, ist verrückt und boomt seit Jahren, vor allem wenn wie jetzt die inzwischen 32. WM in London über die Bühne geht. Was immer mal wieder zu der Frage führt: Wäre der Sport nicht längst reif für Olympia?
Immerhin hat das Internationale Olympische Komitee in der jüngeren Vergangenheit sein Faible für hippe Sportarten wie Skateboarding, Breaking oder Flag Football entdeckt und diese ins Programm aufgenommen, um auch ein jüngeres Publikum anzusprechen. Die Organisatoren hätten für die Spiele gerne dynamischere und modernere Ansätze, und Darts wäre prädestiniert dafür, den Spielen eine andere Note zu verleihen.
"Darts könnte eine neue Facette einbringen, etwas, das es so bei Olympia noch nicht gibt", sagt Springer. "Es ist ein anderer, vielleicht verrückterer Ansatz im Vergleich zu klassischen Disziplinen. Das könnte für frischen Wind sorgen und Menschen ansprechen, die bislang wenig Bezug zu Olympia hatten."
Harsche Kritik am IOC
Das Problem: Die Darts-Verantwortlichen haben absolut kein Interesse daran, dass der Sport olympisch wird. Eine offizielle Anfrage durch das IOC gibt es zwar noch nicht, doch sollte es dazu kommen, könnte die Antwort sehr deutlich ausfallen - und zwar negativ. Werner von Moltke, der Geschäftsführer der PDC Europe sowie Matthew Porter als PDC-Boss hatten dem Thema vor einem Jahr einen deutlichen Riegel vorgeschoben.
Von Moltke bezeichnete das Thema Olympia damals als "völlig irrelevant. Wenn man das machen würde, würde man dem IOC einen Gefallen tun. Die gehen ja nur auf Sportarten drauf, die boomen. Von denen sie sich ein bisschen was abkupfern wollen. Sie haben ja nicht geholfen, Darts gross zu machen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
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Olympia gehe zudem komplett am Athleten vorbei, erklärte er und bezeichnete die Spiele als "ein Verbrechen. Die beteiligten IOC-Mitglieder machen sich alle die Taschen voll, und die Darsteller kriegen nichts. Sie müssen danach hart kämpfen, dass sie über Sponsoren durchkommen". Diese äusserst kritische Meinung zu dem Thema hat sich bis heute nicht geändert, bestätigte die PDC Europe auf Nachfrage unserer Redaktion.
Darts-Experte Elmar Paulke sieht das alles ein wenig differenzierter. "Nicht jeder Sport wird sofort vom IOC wahrgenommen. Das dauert eine Weile", sagt der 54-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. Trotzdem öffne sich das IOC für kleinere, für spektakuläre Sportarten, so Paulke. "Von daher ist es für den Dartsport generell positiv, wenn er in diesen Kreis kommt. Das sehe ich überhaupt nicht negativ." Im Gegenteil: "Für Darts wäre eine Olympia-Aufnahme ein Ritterschlag", sagte er.
"Es ist eine Ehre, dabei zu sein"
Dass Olympia am Athleten vorbeigehe, kann Paulke "nicht ganz nachvollziehen. Ich finde eher, dass der Sport sich auch mit Olympia und vor allem mit dem Fussball in eine Richtung bewegt, die nicht gut ist und die Fans immer weniger nachvollziehen können", sagt er. Was er meint: In vielen Fällen steht bei den Organisatoren inzwischen das Geld im Vordergrund. Und dafür werden immer öfter Grundsätze über Bord geworfen oder die Seele des Sports verkauft, wie die jüngste Vergabe der Fussball-WM 2034 an Saudi-Arabien gezeigt hat.
Auch die Spiele können sich dem Kommerz längst nicht mehr entziehen, aber "Typen und den Sport in den Vordergrund zu stellen, ist die Aufgabe von Olympia", stellt Paulke klar. "Ich finde nicht, dass unbedingt ein hohes Preisgeld im Vordergrund stehen muss. Es ist wirklich eine Ehre, dabei zu sein - bei Olympia geht es nicht um die Kohle", sagt Paulke.
Um die Kohle geht es aber der Professional Darts Corporation (PDC). Denn die ist ein Unternehmen und daher auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet. "Aus deren Sicht macht das nicht viel Sinn", kann Paulke auch die Sichtweise der Darts-Organisatoren verstehen. Hinzu komme möglicherweise, dass "ein grosses Highlight in ihrem Turnierkalender nicht von ihnen veranstaltet werden würde. Sie denken so, dass sie es in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben, wie es jetzt funktioniert". Dann gibt man aus Sicht der Darts-Macher sein Baby nur ungern aus der Hand und lässt nicht die daran partizipieren, die sich vor dem Erfolg nicht um den Sport geschert haben.
Komplizierte Situation zwischen WDF und PDC
Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass die World Darts Federation (WDF) als Weltverband für eine mögliche Olympia-Aufnahme der Ansprechpartner wäre. Die absoluten Topstars der Branche sind aber allesamt bei der PDC aktiv. "Und sollten die Topstars dann nicht mitspielen, fände ich das komisch. Wenn man es olympisch macht, müssen auch die grossen Namen ran", so Paulke.
Die grossen Namen wären übrigens für eine Aufnahme. Michael van Gerwen sprach sich dafür aus, Michael Smith und der aktuelle Weltmeister Luke Humphries ebenfalls. Springer sitzt zwischen den Stühlen, wie er sagt. "Als Sportler will man alles mitnehmen, was geht", sagt er, meint aber auch, dass man die Gesamtsituation betrachten müsse.
Wie wären Show und Stimmung bei Olympia?
Er hat nämlich Zweifel, ob Show und Stimmung in die manchmal noch etwas altbacken wirkende Olympia-Welt transportiert werden können. Denn Darts wird auch durch die Atmosphäre wie im legendären "Ally Pally" getragen, wenn die bierseligen Fans in schrillen Kostümen ihre oft einfallsreichen Gesänge anstimmen. Party pur, die dazugehört wie Pfeile und Scheibe. "Ich kann mir schwer vorstellen, wie es wäre, wenn die typische Fanstimmung fehlt. Die Zuschauer pushen einen enorm. Ohne das würde definitiv etwas fehlen, und das macht es schwierig, eine klare Position einzunehmen", sagt er.
Paulke glaubt nicht, dass Fans und Stimmung ein grosses Problem wären. "Die Fans, die auf ein Darts-Event gehen, wissen, was kommt. Sie freuen sich darauf und wollen Teil dieser Atmosphäre sein. Wenn das IOC Darts so inszeniert, wie wir das kennen von der PDC, werden die Fans mit dabei sein." Doch von Moltke hatte bei seiner Kritik in dem Zusammenhang klargestellt, dass man sich sowieso "nicht reinreden" lassen wolle: "Wir wollen nichts vorgeben oder einen Kader nominieren. Das wollen wir nicht, das ist eine Anmassung", sagte von Moltke.
Darts braucht Olympia nicht
Doch der grösste Knackpunkt ist, dass Darts auf den Höhepunkt Olympia alle vier Jahre gar nicht angewiesen ist. Wurde der Sport früher als etwas zwielichtiger Kneipensport verspottet, mit Zigaretten, Bier und Übergewicht in Verbindung gebracht und in Diskussionen darauf verwiesen, dass Darts doch gar kein Sport sei, wächst er als immer noch relativ kleine Sportart mehr und mehr in die Mitte der Gesellschaft. Die Akzeptanz ist enorm gewachsen, die Kneipe ist längst der grossen Bühne gewichen. Und Luke Littler, van Gerwen oder Humphries, aber auch deutsche Top-Stars wie Martin Schindler und Gabriel Clemens sprechen inzwischen auch ausserhalb der Kult-Veranstaltung WM ein breiteres Publikum an.
Darts braucht die Spiele nicht
Darts boomt seit Jahren, und zwar auf einem regelmässigen und inzwischen recht hohen Niveau. Und das ist es, was den Sport von Tischtennis, Fechten oder Beachvolleyball unterscheidet: "Darts hat eine viel grössere Aufmerksamkeit und braucht Olympia nicht. Darts ist populär genug, um ein gutes Dasein zu führen, um im Mittelpunkt zu stehen", sagt Paulke, der davon ausgeht, dass Darts daher "erstmal nicht olympisch wird". Er meint aber auch: "Die Verantwortlichen sollten offener sein für das Thema". Denn klar ist: Der Sport ist längst reif für Olympia.
Über die Gesprächspartner
- Niko Springer ist mit 24 Jahren der jüngste deutsche Teilnehmer bei der kommenden Ausgabe der Darts-WM. 2019 startete er seine Karriere auf der Development Tour. Mit der Zeit stellten sich die Erfolge für den "Meenzer Bub" ein. 2024 gewann er unter anderem drei Events auf der Development Tour und krönt sein bestes Jahr nun mit der erstmaligen WM-Teilnahme. Ausserdem hat er sich die Tourkarte gesichert.
- Elmar Paulke ist in Deutschland seit Jahren die Stimme des Dartssports. Seit 2018 kommentiert er sämtliche Darts-Übertragungen für den Sender DAZN. Dazu kommen Moderationen für ProSieben und Sport1 sowie Einsätze als Host für Events, Kongresse und Roadshows.
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