Am 15. Dezember startet im Alexandra Palace die Darts-WM. Sechs Deutsche sind dabei, so viele wie nie. Ebenfalls am Start: Debütant Niko Springer. Wir haben uns im Vorfeld des Turniers mit ihm unterhalten.
Herr Springer, Sie sind WM-Debütant, das Interesse ist gross: Was bricht da gerade über Sie herein?
Niko Springer: Ziemlich viel, um ehrlich zu sein. Das ist eine ganz neue Situation für mich. Das Mediale kannte ich schon in Ansätzen. Aber in dieser Intensität ist das eine ganz andere Hausnummer. Und dann so besondere Momente wie das Halbzeitinterview im Stadion meines Herzensvereins Mainz 05 – das war natürlich etwas ganz Besonderes. Da unten am Spielfeldrand zu stehen, statt wie sonst oben in der Kurve, war wirklich ein kleiner Traum, der in Erfüllung ging.
Sorgt der Trubel für Druck oder verändert etwas für Sie?
Es ist zwar alles sehr zeitintensiv, aber es stört oder beeinflusst mich nicht. Ich bin generell jemand, der das alles ganz gut ausblenden kann. Als Debütant muss man diese Chance nutzen, wenn man so viele Anfragen bekommt.
Wie sieht Ihre Vorbereitung konkret aus, wenn es jetzt auf die WM zugeht?
Ich bereite mich so vor, wie auf jedes andere Turnier. Ich versuche, nicht zu viel zu verändern, denn das baut innerlich nur zusätzlichen Druck auf, wenn man plötzlich zu viel will. Das einzige, was ich angepasst habe, ist, dass ich mir einen Heizstrahler hingestellt habe, weil ich im Keller eines Dorfgemeinschaftshauses trainiere, denn da ist es im Winter doch recht kühl. Ich habe gehört, dass es auf der Bühne des "Ally Pally" bis zu 40 Grad werden kann. Daran will ich mich ein bisschen gewöhnen. Ausserdem trainiere ich mehr als sonst.
Sie arbeiten hauptberuflich als Justizfachwirt beim Landgericht in Wiesbaden ...
Ich habe mir für den Dezember Urlaub genommen beziehungsweise bin teilweise vom Dienst befreit, sodass ich mehr Zeit habe. Normalerweise trainiere ich drei- bis viermal die Woche für jeweils drei Stunden. Zuletzt habe ich aber fast jeden Tag trainiert. Die Dauer variiert – mal drei Stunden, mal anderthalb oder zwei, je nachdem, wie es in den Tag passt.
Wie schwierig ist es für Sie, Darts und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Momentan mache ich Darts noch nebenbei, aber das wird sich nächstes Jahr ändern. Im Beamtenstatus heisst es ja immer: Volle Hingabe zum Beruf. Deswegen war es bisher nicht möglich, alles zu spielen. Ab nächstem Jahr gehe ich in Teilzeit und werde nur noch 40 Prozent arbeiten. So kann ich die komplette Profitour spielen und die nächsten zwei Jahre nutzen, um zu sehen, wohin die Reise geht.
Wann werden Sie alles auf die Karte Darts setzen?
Das weiss ich noch nicht. Ich bin jemand, der auf Sicherheit setzt, deshalb möchte ich weiterhin in meinem Job bleiben, um ein Grundeinkommen zu haben. Die Profitour basiert auf Preisgeldern. Wenn ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiten müsste, wäre der Druck enorm, und den möchte ich mir zu Beginn einfach nicht zusätzlich aufladen. Hinzu kommt, dass ich ein sehr familiärer Mensch bin. Nächstes Jahr werde ich extrem viel unterwegs sein. Sollte es mir nicht gefallen oder mir nicht guttun, wäre es auch nicht einfach, sofort wieder zurückzugehen.
Planen Sie Ihre Karriere oder lassen Sie alles auf sich zukommen?
Ich lasse es auf mich zukommen. Wir sind alles Schritt für Schritt angegangen. Zuerst Turniere in Rheinland-Pfalz, im kleinen Kreis, dann deutschlandweite Turniere, als das Niveau da war. Wir haben das immer leistungsabhängig gemacht. So machen wir es auch weiter.
Tauschen Sie sich mit den anderen, etwas erfahreneren deutschen Spielern aus?
Eine enge Connection gibt es nicht. Wir kennen und schätzen uns, aber der Austausch passiert meist auf Turnieren, wenn man sich sieht. Ich bin jetzt auch schon eine Weile dabei und hole mir meine Tipps im Vorfeld oder mache einfach meine eigenen Erfahrungen.
Welcher Tipp war für Sie bisher der wichtigste?
Ganz klar: Bei mir selbst zu bleiben. Am Ende spiele ich gegen das Board, nicht gegen den Gegner. Der Schlüssel ist, alles andere auszublenden und sich nur auf das eigene Spiel zu konzentrieren. Man darf sich nicht vom Gegner beeinflussen lassen oder auf Psychotricks reinfallen. Das Wichtigste ist, fokussiert zu bleiben und sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
Kann man das Mentale trainieren?
Ja, es gibt verschiedene Techniken, wie Atemübungen oder mentale Ankerpunkte. Viele Spieler haben ihre eigenen kleinen Tricks, aber die meisten wollen nicht zu viel preisgeben. Ein bekanntes Beispiel ist Michael van Gerwen: Wenn er sich auf der Bühne neu fokussieren muss, zieht er nochmal seine Socken hoch. Es ist ein simpler mentaler Trick, um sich zu resetten und wieder in den Fokus zu kommen. Mentaltrainer können einem dabei helfen, sich besser zu fokussieren.
Haben Sie einen Mentaltrainer?
Nein, ich hatte mal eine Sitzung zu Weihnachten geschenkt bekommen. Der Mentaltrainer hat mir damals direkt in der ersten Sitzung gesagt, dass er mich mental so fit sieht, dass er keinen weiteren Bedarf sieht. Er hat mir die Basics gezeigt, aber ich bin generell jemand, der sehr reflektiert ist, und das hat er wohl auch so wahrgenommen.
Kann man sich denn auf die spezielle Stimmung im "Ally Pally" vorbereiten?
Das ist ein Stück weit individuell. Ich war selbst noch nicht vor Ort, aber ich habe gehört, dass es dort sehr laut wird. Zuletzt habe ich bei einer PDC-Gala in Göttingen gespielt, vor 4.000 Zuschauern, das sind 500 mehr als im "Ally Pally". Mein Spiel hat das nicht beeinflusst, ich konnte die Stimmung geniessen.
Die WM-Auslosung hat Ihnen Scott Williams beschert. Sehen Sie das als Chance, weil Sie als Aussenseiter ins Rennen gehen?
Scott Williams ist ein Brett. Er war letztes Jahr im Halbfinale, hat in den letzten Wochen richtig gut gespielt und fühlt sich auf der WM-Bühne wohl. Er ist extrovertiert und präsentiert das nach aussen – das ist schon eine Herausforderung, gerade in der ersten Runde. Aber es gibt auch Vorteile: Er wirft ziemlich schnell, und der Spielrhythmus passt mir gut, weil ich auch ein schneller Werfer bin. Ausserdem habe ich schon zweimal gegen ihn gespielt, und die Bilanz steht bei 1:1. Ich weiss also, was auf mich zukommt. Ich habe ihn schon einmal geschlagen, und das gibt mir Selbstvertrauen.
Luke Littler hat auch über die Development Tour den Durchbruch geschafft und ist bis ins Finale gekommen. Ist das ein Vorbild für Sie?
Ich würde das sofort unterschreiben, aber ich gehe erstmal nicht davon aus. Mein Fokus liegt darauf, von Spiel zu Spiel zu schauen. Scott Williams zu knacken, wird schwer genug, und danach könnte Rob Cross warten – das wird nicht einfacher. Natürlich traue ich mir alles zu, von einem Aus in der ersten Runde bis hin dazu, im Januar noch im Turnier zu stehen, ist alles drin. Trotzdem muss man realistisch bleiben. Es ist meine erste WM und ich weiss nicht, wie ich mit der Atmosphäre umgehen werde.
Für wann haben Sie den Rückflug gebucht?
Den Rückflug haben wir noch gar nicht gebucht. Wir haben erstmal nur den Hinflug organisiert. Aber unabhängig davon, wie es läuft, planen wir, über Weihnachten nach Hause zu fliegen. Mögliche Eventualitäten lassen wir uns da also offen.
Was ist mit der Einlaufmusik. Ist die schon festgelegt?
Ja, die steht. Ich nutze "Legendary" von "Welshly Arms". Dieses Lied bringt mich in den Fokus, in den Tunnel, und die Botschaft – "es wird legendär" – motiviert mich zusätzlich. Natürlich gab es die Idee, ein Lied zu nehmen, das die Zuschauer sofort mitreisst, aber für mich ist es wichtiger, dass es authentisch bleibt und mir selbst hilft. Privat höre ich den Song übrigens gar nicht, ich überspringe ihn sogar, wenn er läuft. Er ist nur für den Walk-On reserviert, da bleibt er etwas Besonderes.
Sechs Deutsche sind dieses Jahr bei der WM dabei – so viele wie noch nie. Wie sehen Sie die Entwicklung des Sports in Deutschland? Ist noch Wachstumspotenzial da?
Definitiv. Man sieht es Jahr für Jahr: Die Dichte an guten Spielern wächst, und es wird immer schwerer, Turniere zu gewinnen. Dass wir dieses Jahr sechs Deutsche bei der WM haben, zeigt, wie sehr der Sport hier an Bedeutung gewinnt. Besonders im Jugend- und Nachwuchsbereich gibt es viele Talente, die das Potenzial haben, auf hohem Niveau mitzuspielen. Wenn man sich Länder wie Holland oder England anschaut, die etliche Topspieler haben, sieht man, wohin die Reise auch für Deutschland gehen kann.
Über den Gesprächspartner
- Niko Springer ist mit 24 Jahren der jüngste deutsche Teilnehmer bei der kommenden Ausgabe der Darts-WM. 2019 startete er seine Karriere auf der Development Tour. Mit der Zeit stellten sich die Erfolge ein. 2024 gewann er unter anderem drei Events auf der Development Tour und krönt sein bestes Jahr nun mit der erstmaligen WM-Teilnahme. Ausserdem hat er sich die Tourkarte gesichert.
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