Leon Draisaitl steigt mit den Edmonton Oilers in die neue NHL-Saison ein. Wir haben zum Start der Liga mit dem früheren Nationalspieler Stefan Ustorf gesprochen.
Die NHL-Saison ist kürzlich offiziell gestartet, in der Nacht auf Donnerstag steigt auch Superstar
Stefan Ustorf, Leon Draisaitl ist mit einem neuen Vertrag belohnt worden, der ihn zum bestbezahlten NHL-Profi macht. Was macht so ein Vertrag mit einem Spieler wie ihm?
Stefan Ustort: Dieser Vertrag war vorhersehbar. Leon Draisaitl ist seit gut sieben Jahren einer der absoluten Top-Spieler in der NHL, der konstant Leistungen abliefert. Es wusste jeder, dass er diesen Vertrag unterschreiben wird. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass das irgendeine Auswirkung auf ihn hat. Den Vertrag hat er sich mit seinen Leistungen verdient, das ist er wert. Das ist der natürliche Lauf der Dinge in diesem Geschäft.
Was zeichnet ihn aus, warum ist es gerechtfertigt, dass er 14 Millionen Dollar im Jahr verdient?
Er ist ein Top-Torjäger, der 50 Treffer pro Saison erzielt. Er ist ein absoluter Top-Vorbereiter, er wird von vielen Spielern als der beste Passspieler in der NHL genannt, wenn Umfragen stattfinden. Er ist auch defensiv ein Spieler, der für die Oilers in entscheidenden Phasen in Unterzahl sehr viele wichtige Bullys macht. Er ist ein kompletter Spieler, einer der besten, die es aktuell im Eishockey gibt. Dazu ist er durch seine Leistungen auch automatisch eine Führungspersönlichkeit auf dem Eis.
Wird er durch den neuen Status anders bewertet?
Dieser Vertrag ist keine Überraschung gewesen und deshalb glaube ich nicht, dass ihn irgendjemand anders bewertet. In den letzten Jahren war er mit seinem alten Vertrag (über acht Millionen Dollar, Anm.d.Red.) im Vergleich zu dem, was die anderen Topspieler verdient haben, das grösste Schnäppchen in der Liga. Er war extrem unterbezahlt. Jetzt wird er nach dem Status, den er innerhalb der Liga einnimmt, fair bezahlt.
2024 waren die Oilers im Finale, verloren erst in Spiel sieben mit 1:2. Wie sind die Aussichten für den nächsten Schritt?
Die Oilers haben im Sommer gute Arbeit geleistet, sie waren in der Lage, viele wichtige Spieler zu halten. Adam Henrique oder Mattias Janmark sind Spieler, die ihnen eine gute Balance geben. Sie haben mit Jeff Skinner und Viktor Arvidsson noch zwei sehr, sehr gute Spieler dazugeholt. Auf dem Papier sind die Oilers noch besser als letztes Jahr und damit der Topfavorit. Deshalb gibt es nur ein Ziel: den Gewinn des Stanley Cup.
Die Saison ist aber nicht ohne. 82 Spiele, dann kommen die Playoffs noch dazu. Was müssen Draisaitl und Co. anders oder besser machen, um den Titel zu holen?
Eigentlich müssen sie als Finalist gar nichts ändern. Sie waren so nah dran, wie es nur geht. Deshalb müssen sie einfach genauso weitermachen. Viele Leistungsträger haben noch Raum um zu wachsen. Man kann davon ausgehen, dass das Team seinen Zenit noch nicht erreicht hat. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass die Oilers ins Finale kommen. Dafür ist so eine Saison viel zu lang.
Welche Gefahren lauern in so einer langen Saison?
Andere Mannschaften haben ihre Arbeit gemacht, haben sich verbessert. Das macht die NHL so interessant, weil man eigentlich keine Vorhersagen tätigen kann. Es gibt mindestens zehn Mannschaften, die gut genug sind, um den Stanley Cup zu gewinnen. Und bei 82 Spielen spielt das Verletzungspech eine grosse Rolle. Da musst du Glück haben. Das sind Dinge, die du nicht kontrollieren kannst.
Draisaitl ist nicht der einzige deutsche Topverdiener. Moritz Seider verdient bei den Detroit Red Wings 8,55 Millionen Dollar, Tim Stützle bei den Ottawa Senators 8,35 Millionen Dollar. Was sagt das über das deutsche Eishockey aus?
Es sagt vor allem aus, dass die drei absolute Topspieler sind und sich diese Verträge verdient haben. Der Fakt, dass sie in der NHL sind und diese Rollen spielen, ist für das deutsche Eishockey wichtig. Sie werden dadurch zu Vorbildern für junge deutsche Spieler, die sehen, dass es auch den Weg über die Deutsche Nachwuchsliga, die DEL und die Nationalmannschaft in die NHL gibt. Wir können in Deutschland die Spieler so entwickeln, dass sie zu Topstars in der NHL werden können.
Wie hat sich das Standing der Deutschen generell entwickelt in der NHL in den vergangenen Jahren?
Das ist aufgrund der Leistungen dieser Jungs deutlich besser geworden. Das deutsche Eishockey wird sehr viel mehr respektiert, als es früher der Fall war. Inzwischen weiss jeder, was Deutschland zu leisten imstande ist. Vor 30 Jahren hat mein Trainer in der NHL zu mir gesagt: "Du könntest für mich genauso gut aus Brasilien kommen. Ich wusste gar nicht, dass ihr in Deutschland Eishockey spielt." Jetzt ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir weiterhin diese Sorte Spieler produzieren können.
Wer wird denn der nächste Deutsche, der in der NHL seinen Zahltag bekommt? Buffalos John-Jason Peterka?
Davon bin ich überzeugt. Wenn er sein Potenzial erreicht, dann ist er jemand, der 40 Tore pro Saison machen kann. Dann wird er auch ganz schnell in die Sphären der anderen stossen. Er ist ein sehr wichtiger Spieler für die Sabres, sie zählen auf ihn, dass er endlich die lange Playoff-Durchstrecke beenden kann. Sie brauchen ihn, um Erfolg zu haben.
Und wer hat das Zeug zu einem Superstar wie es Draisaitl bereits ist?
Ich glaube nicht, dass wir einen Spieler haben, der das in naher Zukunft erreicht. Draisaitl ist auf einem Level, das wir vorher auf deutscher Ebene noch nie gesehen haben. Und wer weiss, ob wir es jemals wieder sehen oder wie lange es dauert, bis wir es wieder sehen. Wir haben sehr gute Spieler, aber Draisaitl spielt im Vergleich dazu in einer anderen Liga.
Es wird bei Draisaitl gerne der Vergleich zu Basketball-Star Dirk Nowitzki herangezogen. Was fehlt Draisaitl zu einem Standing wie Nowitzki es hat?
Ein Titel ist das einzige, das ihm noch fehlt. Dirk Nowitzki war in der Lage, seine Mannschaft zum Titel zu führen. Wenn Leon das schafft, dann existiert für mich zwischen den beiden kein Unterschied mehr. Dirk Nowitzki zählt zu einem der besten Basketballer aller Zeiten, der viel Respekt geniesst, auch in den USA. Draisaitl ist auf dem besten Weg dorthin. Er ist meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt schon ein Hall of Famer.
In den USA ist er schon länger ein Superstar, doch warum hat er vor allem in Deutschland nicht das Standing, wie Nowitzki es hatte?
Das liegt am Sport und daran, dass Eishockey im Gegensatz zu Basketball noch nicht gross genug ist, was die Wertschätzung in der Öffentlichkeit angeht. Doch er wird sich, wenn er den Stanley Cup gewinnt, nicht hinter Dirk Nowitzki verstecken müssen.
Wie kann sich das Standing des Eishockeys und der NHL in Deutschland verbessern?
Das ist schwer zu sagen. Die NHL macht hervorragende Arbeit auf der ganzen Welt, um den Sport zu vermarkten. Und auch in Deutschland passiert mehr. Natürlich auch aufgrund der deutschen Spieler. Und das Interesse steigt. Aber Basketball oder American Football haben wir noch nicht erreicht. Ich weiss nicht, ob wir das überhaupt können. Aber wir werden daran arbeiten.
Wie sehen Sie die Situation der weiteren Deutschen wie Lukas Reichel (Chicago Blackhawks), Nico Sturm (San Jose Sharks), Maksymilian Szuber und Julian Lutz (Utah Hockey Club) und Philipp Grubauer (Seattle Kraken)?
Das sind solide NHL-Spieler, Top-Jungs. Sturm ist für mich ein Top-Beispiel dafür, was du erreichen kannst, wenn du willig und in der Lage bist, auch andere Rollen zu erfüllen. Er ist einer der härtesten Arbeiter, der für sich ganz schnell festgestellt hat, was er machen muss, um in der NHL erfolgreich zu spielen und gutes Geld zu verdienen. Du brauchst, um eine erfolgreiche Mannschaft zusammenzustellen, nicht nur Topstars, sondern auch Leute, die die Drecksarbeit machen. Nico ist ein Spieler, der sich immer zu 1000 Prozent in den Dienst der Mannschaft stellt.
Und Lukas Reichel? Er wurde 2020 in der ersten Runde gedraftet...
Es war zuletzt ein bisschen schwierig für ihn, aber es wird ein ganz, ganz wichtiges Jahr für ihn, um sich fest in der NHL zu etablieren und zu zeigen, warum er in der ersten Runde gedraftet worden ist.
Und Grubauer? Er hat den Stanley Cup schon einmal gewonnen…
Er ist ein extrem erfahrener Torwart, der jahrelang in der NHL spielt, der mit Seattle wechselvolle Phasen erlebt. Er ist in einem Alter, wo ich nicht weiss, ob er körperlich dazu in der Lage ist, eine komplette Saison als Nummer eins zu spielen. Und Szuber muss in diesem Jahr den nächsten Schritt gehen. Er hat letztes Jahr gezeigt, dass er in Nordamerika spielen kann. Er ist in der AHL, was aber kein Problem ist. Als Verteidiger brauchst du immer ein bisschen länger, um dich zu entwickeln. Für ihn geht es darum, weitere NHL-Spiele zu bekommen. Ähnliches gilt für Lutz, der sich zunächst in der American Hockey League zeigen soll.
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Was ist für Sturm und Co. sportlich drin in dieser Saison?
Die Blackhawks befinden sich im Neuaufbau. Das ist eine Mannschaft, in der sich die jungen Spieler wie Reichel entwickeln sollen, um bald grössere Rollen zu übernehmen. San Jose ist auch ein Team, das sich neu aufstellt. Das wird eine sportlich sehr schwierige Saison für Sturm. Auch in Utah gibt es durch die Gründung als neues Team Fragezeichen. Grubauer wird mit Seattle den Kampf um die Playoffs aufnehmen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es dafür reichen wird.
Und bei den Red Wings, Senators und Sabres?
Alle drei Mannschaften sind an dem Punkt angelangt, dass sie langsam mal in die Playoffs müssen, sie haben es lange genug versucht. Die Playoffs müssen das nächste Ziel sein.
Wer gehört neben den Oilers zu den Titel-Favoriten?
Da muss man die Florida Panthers nennen, die zweimal hintereinander im Finale waren und letzte Saison gewonnen haben. Die New York Rangers in der Regular Season die beste Mannschaft. Colorado darf man auch nicht abschreiben. Dallas ist sehr gut. Geheimfavorit könnte Nashville werden, weil sie sehr viel getan haben im Sommer. Tampa Bay würde ich auch nicht vergessen wollen.
Über den Gesprächspartner
- Stefan Ustorf ist ein ehemaliger Eishockey-Profi, der im Laufe seiner Karriere unter anderem über 600 Spiele in Bundesliga bzw DEL absolviert hat, zudem 121 Länderspiele für die Nationalmannschaft. Heute ist der 50-Jährige Sportdirektor des DEL-Klubs Nürnberg Ice Tigers.
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