Die Prügelei zwischen den DEL-Goalies Tobias Ancicka und Niklas Treutle sorgt für Aufsehen - zumindest ausserhalb der Eishockey-Gemeinde. Aber warum eigentlich? Deutschlands Eishockey-Legende Alois Schloder hat eine klare Meinung.
Man könnte nun versuchen, das Thema medial wieder einzufangen. Jeder Verantwortliche aus der Fussballbundesliga würde das so machen. Beim Eishockey ticken die Uhren aber ein bisschen anders und herauskommt dann das unverblümte Geständnis eines Unterlegenen.
"Ich fand, dass ich rüberlaufen musste. Dann bin ich sofort rüber - und da habe ich ein paar auf die Fresse bekommen!" Das sagte Tobias Ancicka nach seinem wahrlich nicht alltäglichen Infight gegen Niklas Treutle. Die beiden, also Ancicka und Treutle, sind Goalies und haben in der Regel allenfalls beim Handshake so etwas wie Körperkontakt miteinander.
Beim Spiel der Kölner Haie gegen die Nürnberg Ice Tigers am Sonntagnachmittag (17. Dezember) aber begegneten sich der Kölner Ancicka und der Nürnberger Treutle im zweiten Drittel im offenen Schlagabtausch - ohne Helm und Handschuhe, wie es im Eishockey gute Sitte ist. Oder eben: Ein Akt überflüssiger Gewalt, wie Kritiker der Faustkämpfe sagen würden.
Klare Regeln für alle
Für Nicht-Eishockey-Fans dürften die Szene in der Kölner Lanxess Arena befremdlich wirken. Eine Sportart, in der sich zwei Protagonisten abseits des eigentlichen Spielziels einen Faustkampf liefern und dafür nur mit einer vergleichsweise milden Strafe belegt werden, während die Zuschauer toben: Das gibt es tatsächlich nur beim Eishockey. Und zwar schon immer.
"Früher gab es in jeder Mannschaft Spieler, die die Topstars in den eigenen Reihen beschützt haben. Oder aber, die den Auftrag hatten, die besten Spieler des Gegners zu attackieren", erklärt Alois Schloder die ursprünglichen Gründe für die Kampfeinlagen während eines Spiels.
Angefangen habe das alles in Kanada, sagt Schloder. "Wenn der Gretzky (Wayne Gretzky, Anm. d. Red.) auf dem Eis war, waren seine Beschützer auch nicht weit. Die 'Bad Buys' oder 'Tough Guys'. Diese 'Polizei' hat dafür gesorgt, dass dem Star nichts passiert. Und wenn doch, war klar, was in der nächsten Szene passieren wird." Ein Boxkampf zwischen einem Aufpasser und dem Aggressor.
Dabei gilt: Kein Kampf ohne Ansage oder klares Signal an den Gegenüber, das Interesse beider Seiten an der Auseinandersetzung gehört zum Standard.
Show und Folklore
"Enforcer" nennen die Nordamerikaner in der NHL diese Spieler, auf Deutsch so etwas wie "Vollstrecker". Der Show-Effekt - speziell in der NHL, wo sehr schnell die Fäuste fliegen und die Referees dem Treiben auch vergleichsweise spät Einhalt gebieten - ist nicht zu verachten und gehört zur Folklore des Sports.
"Dann grölt und jubelt die Halle. Das gehört zum Business dazu", sagt Schloder und tatsächlich war das auch am Sonntag in Köln so: Das Highlight des Spiels waren nicht die sechs Tore beim Kölner 4:2-Sieg - es war das Duell zwischen Ancicka und Treutle.
"Das war einseitig. Ich habe keinen Schlag gelandet, er glaube ich acht. Aber ja, es war mein erster Fight, für die Show war es, glaube ich, gut", so Ancicka, der eine Wunde quer über die Nase davon trug. "Ich habe da eine volle Gerade bekommen, dann ist da ein Cut entstanden."
Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, schliesslich sind es die Goalies, die beim Eishockey an sich besonderen Schutz ihrer Mitspieler geniessen. Wird der Goalie angerempelt, geschubst, attackiert, durch den Angreifer nachgestochert, wenn die Scheibe schon gesichert ist, bekommt der Torhüter absichtlich Eis ins Gesicht beim Abbremsen: Dann fliegen schnell die Fäuste.
"Dass da jetzt aber zwei Torhüter aufeinander losgehen, habe ich fast noch nie erlebt. Werder als Spieler noch später in meiner Funktion als Experte beim Fernsehen", so Schloder.
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Boxkampf als taktisches Mittel
Früher sei dieses Mittel des Boxkampfs noch sehr stark zu taktischen Zwecken eingesetzt worden. Wenn etwa ein weniger guter Spieler aus einer der hinteren Reihen einen der Stars des Gegners schnappte und den in einen Infight verwickelte. Damit sollten Strafen erzwungen werden, kleine (2-Minuten-Strafe) oder auch grössere, wie 2+2- oder sogar eine 5-Minuten-Strafe.
"Mittlerweile hat das aber doch ziemlich nachgelassen. Heute will man eher ein Zeichen setzen, wenn man etwa zurückliegt. Die Zuschauer also nochmal mitnehmen, wachrütteln. Oder ein Foul an einem Mitspieler rächen", sagt Schloder.
Die persönlichen Strafen dafür sind geregelt und werden von den Kontrahenten in der Regel auch klaglos akzeptiert. Übrigens auch bei den Frauen, da wird bisweilen auch mächtig hingelangt. Und das soll auch in Zukunft in der DEL so bleiben, findet Schloder. "Die Voraussetzungen sind klar, die Strafen sind klar. Wenn die Schläger und die Handschuhe wegfliegen, dann geht’s los. Da brauchen wir nicht darüber reden."
Über den Gesprächspartner
- Alois Schloder verbrachte seine gesamte Eishockeykarriere von 1963 bis 1986 beim EV Landshut. Der Stürmer gewann mit dem EVL 1970 und 1983 die Deutsche Meisterschaft. Mit der Nationalmannschaft nahm er an den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck teil, die die DEB-Auswahl mit dem Gewinn der Bronzemedaille krönte.
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