Hunderte Millionen Menschen schauten gebannt zu, als Felix Baumgartner sich 2012 aus dem Weltall Richtung Erde fallen liess. Doch seit er am Boden angekommen ist, sorgt er für Irritationen. Heute wird der umstrittene Held 50 Jahre alt.

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Der Mann, den sie "Fearless" Felix nennen, den furchtlosen Felix, kauert in einer Ecke des Flughafens von LA und heult. Aus Angst, aus Scham. Morgen soll er den ersten Härtetest bestehen für seinen grössten Stunt: den Sprung aus der Stratosphäre, im freien Fall aus fast 40 Kilometern, in Überschallgeschwindigkeit.

Sein Sponsor wird am Ende angeblich 60 Millionen Euro in "Red Bull Stratos" investieren, fünf Jahre Vorbereitung fliessen in das Projekt. Aber kurz vor dem ersten wichtigen Meilenstein kneift Felix Baumgartner. Er lässt sein Team im Stich und flieht nach Hause, nach Österreich.

Baumgartner hat diese Episode in seiner Autobiographie "Der Himmelsstürmer" enthüllt, sie passt so gar nicht zum öffentlichen Bild vom Draufgänger, der sich einen Namen machte als Extrem-Fallschirmspringer, der sich von den höchsten Gebäuden der Welt stürzte.

Und der, als er seine Zweifel besiegt hatte, am 14. Oktober 2012 Geschichte schrieb: Er sprang aus 38.969,4 Metern Höhe ab und schoss der Erde mit 1357,6 km/h entgegen, live verfolgt von hunderten Millionen Menschen.

Ein moderner Held war geboren. Heute wird dieser Felix Baumgartner 50 Jahre alt – aber die Geschichte hat sich plötzlich gedreht: Vielen gilt er nun als gefallener Held.

What goes up, must come down

"Der tiefe Fall des Felix Baumgartner" titelt die "Bild" im Jahr 2016, als mal wieder eine Äusserung des Extremsportlers für Aufregung sorgt. Dieses Mal lobte er den Auftritt des rechtsradikalen Identitären-Chefs Martin Sellner im Red-Bull-Sender "Servus TV" – fast schon eine Bagatelle auf der prall gefüllten Liste mit Merkwürdigkeiten und Fehltritten des Mannes, der mit seinem Rekordsprung nun Dauergast wurde auf den roten Teppichen und in den Klatschspalten:

Ende 2012 wurde er wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt, ein halbes Jahr später plädierte der kinderlose Baumgartner in der "Bunten" für "eine gesunde Ohrfeige, wenn’s sein muss".

Politisch positioniert sich Baumgartner eindeutig: Vor der Präsidentschaftswahl 2016 in Österreich rief er zur Wahl von Norbert Hofer auf, dem Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ.

Es ist der ideologische Umkreis, in dem Felix Baumgartner sich bewegt, nicht nur in seinen Tiraden gegen "Political Correctness" und "Gehirntote im EU-Parlamenent", die er mit seinen 1,3 Millionen Facebook-Fans teilt.

Bis heute schreibt er eine Kolumne für das Blatt "Alles Roger?", das Anfang 2019 vom Österreichischen Presserat wegen "antisemitischer Untertöne" in einem Artikel über den ungarischen Finanzinvestor George Soros gerügt wurde.

Seiner Heimat Österreich hat er schon lange den Rücken gekehrt: 2013 entschieden die Finanzbeamten der Republik, dass Baumgartners Sprünge kein Sport sind, er also nicht von den ermässigten Sportlersätzen profitiert.

Wie die "Zeit" schreibt, wurden sein Haus und sein Hubschrauber gepfändet. Baumgartner zieht in die Schweiz – und fühlt sich verstossen: "Ich bin ein Steuerflüchtling, aber kein freiwilliger", sagte er 2015 der "Kronen"-Zeitung.

Es ist seine typische Art, mit Gegenwind und Kritik umzugehen – die Fehler machen immer die anderen, er selbst dagegen ist einfach nur Felix Baumgartner: "Ich war immer ein unbequemer Sportler, einer der kritisch hinterfragt, grundehrlich ist und seine Meinung sagt. Genau deswegen war und bin ich erfolgreich."

Ein Stuntman wie James Bond

Erfolgreich wurde Baumgartner vor allem mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit, sich selbst und Regeln gegenüber. Geboren wurde er am 20. April 1969 in Salzburg, schon als Kind, sagte seine Mutter einmal, habe er sich "vor nichts gefürchtet".

Mit 16 springt er das erste Mal mit einem Fallschirm und ist angefixt, sein ganzes Geld als Schlosser-Lehrling geht für die Sprünge drauf. Bei der Armee darf er nicht lange springen, er wird für militärisch untauglich befunden, weil er sich einfach nicht unterordnen kann.

Über einen Bekannten findet er schliesslich zum Base-Jumping, springt fortan von Brücken, Felsen und hohen Gebäuden. Oft genug ist das schlicht illegal, aber genau das, was Baumgartner am Springen fasziniert, wie er in seiner Biographie "Himmelsstürmer" schreibt, "dieses unvergleichliche Gefühl der Freiheit, wenn es dich beim Absprung runterzieht".

Und es ist genau das, was der Getränkefabrikant Dietrich Mateschitz als Testimonial für seinen Energy-Drink sucht. Also springt Baumgartner stets mit einem Roten Bullen auf dem Schirm: Im April 1999 vom 88. Stockwerk der Petronas Towers in Kuala Lumpur, als Büroangestellter verkleidet, um den Sicherheitsleuten zu entwischen. Im Dezember 1999 vom rechten Arm des Cristo Redentor in Rio de Janeiro, nach einer Nacht-und-Nebel-Aktion, in der er mithilfe einer Armbrust Kletterseile an der weltberühmten Statue befestigte, um an ihnen nach oben zu kraxeln.

Vier Jahre später überquerte er als erster Mensch den Ärmelkanal in einem Wingsuit, also nur an Carbonflügeln befestigt, mit Höchstgeschwindigkeiten von 360 km/h.

Baumgartner war so etwas wie James Bond in echt. Weltweit bekannt wurde er aber erst mit seinem Stratosphärensprung 2012.

Mission nicht erfüllt

Drei Weltrekorde stellte Baumgartner an diesem 14. Oktober auf: Die höchste Geschwindigkeit im freien Fall, den tiefsten Fall und den höchsten Absprung eines Fallschirmsprungs.

Dieser letzte Rekord wurde 2014 von einem Google-Manager namens Alan Eustace gebrochen, in aller Stille, kaum jemand hatte es mitbekommen – was für ein Gegensatz zur bombastischen Inszenierung rund um Baumgartners Sprung.

Branchenexperten sprechen von sechs Milliarden Euro Werbewert, den Red Bull mit dem Projekt generiert hat, rund 50 TV-Anstalten hatten sich eingeklinkt, 200 Journalisten berichteten vor Ort, die BBC drehte eine aufwendige Dokumentation.

Und "All-Felix", wie er von Österreichs Boulevard-Medien getauft wurde, wird herumgereicht in Talkshows und Interviews.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon adelt ihn als "mutigsten Menschen der Welt" und spricht mit ihm darüber, wie er Jugendliche inspirieren könnte. Ein Vorbild, das wäre er gern, schreibt Baumgartner auch in seinem Buch "Himmelsstürmer": "Am besten mache ich nun etwas mit diesem Namen und dieser Aufmerksamkeit".

Bis zu seinem 50. Geburtstag jedenfalls sieht es so aus, als bliebe diese Mission noch unerfüllt.

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