- Daniel Ricciardo fährt seit 2011 in der Formel 1, er gilt als einer der Top-Fahrer im Feld.
- Was ihm fehlt, ist jedoch der WM-Titel. Und mit 32 Jahren wachsen die Zweifel, ob es noch etwas werden kann mit dem grossen Wurf.
- Der Australier gibt interessante Einblicke in die Zerrissenheit eines Rennfahrers, der realisiert, dass er sein grosses Ziel wohl nicht erreichen wird.
Irgendwann im Laufe der Karriere kommt ein Punkt, an dem man anfängt zu zweifeln. Es wird eine Zwischenbilanz gezogen, das bisher Erreichte hinterfragt und überlegt, was denn noch möglich ist.
Eine ordentliche Ausbeute, sagen die einen. Ziel verfehlt, sagt Ricciardo. Denn er will Weltmeister werden. Punkt. Nein, Ausrufezeichen! Das Zeug dazu hat er ohne Frage, das Auto seit Jahren aber nicht. Womit die Chancen schwinden und die Zweifel grösser werden, denn der Herbst seiner Karriere hat zweifellos begonnen.
Und während die Superstars Max Verstappen und Lewis Hamilton mit ihrem Duell 2021 Millionen Fans fasziniert haben, bleibt Ricciardo im Moment nur die Zuschauerrolle, die zweite Reihe. "Ich bin natürlich neidisch auf sie. Aber das bin ich seit acht oder neun Jahren", sagte der Australier "auto, motor und sport": "Ich wünschte, ich wäre mittendrin."
Ricciardos emotionaler Prozess
Der McLaren-Pilot durchläuft aktuell einen wichtigen, aber emotional anstrengenden Prozess. Dabei will er den WM-Titel nicht unwichtig oder kleiner machen, als er ist. Er will stattdessen reifer mit dem Thema umgehen. Um bereit zu sein, wenn er irgendwann tatsächlich ohne den grossen Pokal seine Formel-1-Rente geniesst. Es ist ein interessanter psychologischer Aspekt eines Rennfahrers, der eigentlich ziemlich erfolgreich ist und gut verdient, im Fall von Ricciardo zudem der Strahlemann der Formel 1 und für seine gute Laune bekannt ist. Doch Racer sind oft getrieben vom Erfolg. Wie sehr, verdeutlichen Ricciardos Gedanken.
"Wenn man alles auf eine Karte setzt und es nicht klappt, ist der Gedanke, was passieren könnte, in gewisser Weise beängstigend", gibt Ricciardo bei "The Race" zu: "Wenn ich all die Arbeit investiere, um Weltmeister zu werden, und ich es nicht schaffe, werde ich dann den Rest meines Lebens deprimiert sein?", fragt er sich. Er wisse es nicht, räumt er ein, er halte es für "ein bisschen riskant, das zu tun". Denn: "In diesem Sport, in dem es so viele andere Variablen gibt, ist nichts garantiert. Und es ist nicht einfach nur schwarz-weiss."
Denn keine Frage: Der Erfolg in der Formel 1 hängt immer auch vom Material ab, vom Auto, in dem man sitzt. Liefert das Auto nicht, hilft auch das ganze Talent nicht. Sein Ex-Teamkollege
Der WM-Titel ist weit weg
Ricciardo gab vorher auf, verliess Red Bull Racing nach der Saison 2018 und ging überraschend zu Renault, um nach zwei erfolglosen Saisons zu McLaren weiterzuziehen. Auch beim Traditionsrennstall lief es zunächst nicht, Ricciardo stand die meiste Zeit im Schatten seines Teamkollegen Lando Norris. Ricciardos Highlight war der umjubelte Sieg in Monza, es war McLarens erster seit 2012. Doch der WM-Titel ist immer noch weit weg. Und sollte es nichts werden mit dem Lebensziel Weltmeister, sollte die verpasste Chance zu bedrückend sein, kann das Loch, in das ein Fahrer fällt, sehr tief sein.
Ricciardo hat sich in dem Zuge mit dem Kampfsportler Rashad Evans unterhalten. Dessen Ziel war es, Mixed-Martial-Arts-Champion zu werden. "Er wurde ein Champion. Und in der Woche darauf ging er zurück ins Gym, und seine Teamkollegen fragten ihn: 'Wie fühlt sich das an?' Und er sagte: 'Ich fühle mich nicht anders'", berichtet Ricciardo.
Für ihn war es eine Art Augenöffner. Er versucht deshalb, an seiner Einstellung zu arbeiten. Soll heissen: "Wenn ich Champion werde - grossartig. Aber wenn ich es nicht werde, geht das Leben trotzdem weiter." Mit dem neuen Reglement und den neuen Autos haben Teams wie McLaren ab 2022 zwar die Chance, die Platzhirsche wie Red Bull oder Mercedes anzugreifen, garantiert ist eine WM-Chance aber natürlich nicht. "Am Ende des Tages ist es eine Trophäe, und dein Name wird für immer in den Geschichtsbüchern stehen - aber du wirst trotzdem in dieser Nacht ins Bett gehen und am nächsten Tag wieder aufwachen", sagte Ricciardo.
Das Leben geht trotzdem weiter
Wahrscheinlich sei das nur Selbstschutz, mutmasst Ricciardo: "An manchen Tagen, vor allem an den schlechten, muss man das Thema weglachen - das ist eben ein Sport." Er wolle das nicht herunterspielen, aber man solle reiflich überlegen, wie man es angehe, sagt der Australier: "Es könnte einfach ziemlich beängstigend sein, alles darin zu investieren, denn es gibt noch viel mehr im Leben. Das ist wahrscheinlich der Punkt, an dem ich mich befinde."
Verwendete Quellen:
- auto-motor-und-sport.de: Interview mit McLaren-Pilot Daniel Ricciardo: "Neu bedeutet nicht immer besser"
- the-race.com: How Ricciardo’s confronted what F1 drivers silently dread
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.