David Schumacher macht aus sportlicher Sicht einen Schritt zurück und startet in dieser Saison im GT Masters. Der 22-Jährige hat sich den Titelgewinn zum Ziel gesetzt. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Sohn von Ex-Formel-1-Pilot Ralf Schumacher über die anstehende Saison, den Traum von der Formel 1, Nachwuchsprobleme in Deutschland und wie ihn Freundin Vivien und Papa Ralf unterstützen.
David
Rückschritt würde ich nicht sagen. Es ist eine andere Serie. Das ADAC GT Masters ist nicht ganz so hochkarätig besetzt wie die DTM, sie ist auch mehr für den Nachwuchs gedacht. Doch nach den vergangenen beiden Jahren war es eine gute Entscheidung von Mercedes-AMG und mir, dass wir einen Schritt zurückgehen. Zum einen deshalb, weil für die DTM von Mercedes-AMG nur noch Performance-Fahrer eingesetzt werden und ich noch nicht diesen Status habe.
Zum anderen, um alles in Ruhe anzugehen, ein bisschen ausserhalb des Scheinwerferlichts. Damit ich fahren und mich weiterentwickeln kann. Das HRT-Team hat sehr viel Erfahrung und unterstützt mich dabei. Deshalb war für uns der Weg klar. Es war eine gute Möglichkeit, um im deutschen Motorsport zu bleiben.
David Schumacher: GT Masters als Schritt zurück?
Warum ist Ihnen der Schritt nicht schwergefallen? Formal gesehen ist das ja tatsächlich ein Schritt zurück …
Wirklich Probleme damit hatte ich nicht. Es ist auch mal schön, den GT-Sport so, wie er eigentlich geplant ist, zu erleben und dafür ein Gefühl zu bekommen. Mit einem anderen Fahrer zusammen auf einem Auto. Daher ist es eine gute Gelegenheit, auch für die Zukunft im GT-Sport, dass man diese Erfahrung einfach mal mitnimmt.
Welche Unterschiede bestehen zwischen GT Masters und DTM?
Die Autos sind die gleichen. Im Reglement gibt es ein paar Unterschiede, aber keine wirklich grossen. Der grösste Unterschied ist, dass man nicht alleine im Auto sitzt, sondern sich den Boliden mit einem anderen Piloten teilt. Bei HRT haben wir zum Beispiel die gleichen Bedingungen wie in der DTM. Deswegen unterscheidet sich nicht sehr viel.
Sie teilen sich das Auto mit Salman Owega. Muss da die Chemie noch besser sein?
Ja, die Chemie muss passen. Die passt zwischen mir und Salman ganz gut. Er ist eher ein bisschen ruhiger, was aber kein Problem ist. Man muss Kompromisse eingehen, man muss bei der Abstimmung des Autos einen Mittelweg finden. Es gibt immer wieder Unterschiede zwischen den Fahrern beim Fahrstil oder auch bei den Vorlieben, was das Verhalten des Autos angeht. Salman mag das Auto eher stabil, ich mag eher ein loses Heck. Da muss man eine Lösung finden, damit beide sich im Auto wohlfühlen.
Sie gehen in Ihre dritte GT3-Saison. Haben Sie das Auto inzwischen zu 100 Prozent verstanden?
Ich bin der Meinung, dass man im Motorsport nie auslernt. Man kann jedes Jahr, egal wie lange man im Auto sitzt, immer etwas dazulernen. Ich würde sagen, dass ich zu 90 Prozent im Auto angekommen bin. Ich fühle mich sehr wohl im Mercedes-AMG GT3.
Wenn man sich die Kombination anschaut, mit wem Sie zusammenarbeiten: Owega ist Champion 2023, HRT Team-Meister. Da ist der Titel doch Pflicht?
Pflicht würde ich nicht sagen. Am Ende des Tages entscheiden wir zum Beispiel nicht selbst, wie sehr uns die sogenannte Balance of Performance einstuft. Aber natürlich ist es das Ziel, den Titel zu holen.
Der grosse Traum von der Formel 1
Was ist mit dem Ziel Formel 1? Haben Sie diesen Traum inzwischen abgehakt, oder haben Sie den weiter im Hinterkopf?
Ich glaube, der Traum wird immer weiterleben im Hinterkopf. Aber wenn man es realistisch sieht, ist das Thema Formel 1 abgehakt.
Warum? Theoretisch könnten Sie ja zurück in den Formelsport …
Ja, das stimmt. Das Problem aber ist, dass die Nachwuchsfahrer im Moment nicht befördert werden in die Formel 1. Das beste Beispiel ist Oscar Piastri: Er hat jede einzelne Nachwuchsserie, die er gefahren ist, im ersten Jahr auf Anhieb gewonnen. Und er hat letztendlich trotzdem zwei Jahre lang gewartet. Selbst wenn ich jetzt in die Formel 2 zurückkehren würde und die Meisterschaft gewinnen würde, ist die Chance sehr gering, dass ich es in die Formel 1 schaffe und ein Cockpit frei wird.
Denn hinzu kommt: Um die Meisterschaft in der Formel 2 zu gewinnen, braucht man das perfekte Team, man braucht das perfekte Jahr, man braucht den perfekten Motor. Und wenn man das nicht alles zusammen hat, kann man die Meisterschaft nicht gewinnen. Und deshalb haben mein Vater und ich uns dazu entschieden, dass es keinen Sinn ergibt, unnötig extrem viel Geld zu verbrennen. Das Budget für die Formel 3 beträgt drei Millionen Euro. Da sind Testtage noch nicht inklusive.
Wenn man da nicht das beste Team auswählt, was dann noch eine halbe Million Euro mehr nimmt als die Mittelfeldteams, dann sollte man es am besten ganz lassen. Denn es gibt so viele Dinge, die im Nachwuchsbereich einen Unterschied machen. Und da ist der GT-Sport deutlich günstiger. Ausserdem hat man da auch viel mehr Fahrzeit und, wie in meinem Fall, eine gute Unterstützung durch Mercedes-AMG.
Nachwuchsarbeit im deutschen Motorsport
Wie setzt man sich denn als Nachwuchsfahrer dann noch durch?
Natürlich gehört Talent dazu. Aber Talent ist heutzutage nicht mehr das einzige. Wenn man als talentierter Fahrer nicht die Möglichkeiten oder nicht das Budget hat, um den ganzen Winter zu testen, sieht es schlecht aus. Dann kommen andere mit einem Haufen Geld und können den ganzen Winter über im Auto sitzen. So kann man das Talent dann auch erlernen. Und das ist eine Sache, die im Formelsport deutlich ausgeprägter ist als im GT-Sport.
Wie sehen Sie den deutschen Motorsport generell aufgestellt? Tim Tramnitz und Oliver Goethe sind zwei, die in der Formel 3 sind, aber es kommt wenig nach.
Für den Nachwuchs im deutschen Motorsport ist es sehr schwierig im Moment. Tim Tramnitz hat zum Glück die Unterstützung von Red Bull bekommen, ich kenne ihn noch aus dem Kartsport, er ist mit mir zusammen bei meinem Vater im Team gefahren. Er macht einen super Job in der Formel 3 im Moment. Aber das Problem im deutschen Motorsport ist, dass man keine Sponsoren findet.
Das liegt einerseits daran, dass der deutsche Staat den Motorsport überhaupt nicht unterstützt. Und andererseits daran, dass der Motorsport extrem teuer ist und sich viele deutsche Unternehmen eher rausnehmen, weil es in Richtung CO2-Emission geht. Deutschland möchte grüner werden und da den Motorsport zu unterstützen, sieht natürlich nicht gut aus. Ich denke, dass das im Moment die Ursache ist, warum es im deutschen Motorsport an Nachwuchs fehlt.
Was gibt es da für mögliche Ansätze, für Lösungen?
Das ist schwierig. Am Ende des Tages wäre es wahrscheinlich hilfreich, dass man das benötigte Budget für eine Saison zu senken. Die DTM zum Beispiel hat jetzt Testbeschränkungen eingeführt, was auch in der Formel 3 und Formel 2 der Fall ist. Aber es kontrolliert dort niemand, wenn ein Team sich zwei alte GP2-Autos kauft, unter einem anderen Teamnamen fährt, der Fahrer mit einem schwarzen Helm und schwarzen Anzug ankommt und irgendwo im Nirgendwo vier Tage am Stück fährt. Das sieht ja keiner. Irgendwie gibt es doch immer Grauzonen, die man nutzen kann. So wird es dann schwierig, das Budget zu senken, weil irgendeiner immer mehr investieren will. Das ist quasi ein Wettrüsten.
So wichtig ist Schumachers Freundin Vivien
Sie erhalten Unterstützung an der Rennstrecke von Ihrer Freundin Vivien. Wie wichtig ist es in dem Zusammenhang, dass sie Rennfahrerin gewesen ist?
Wichtig in dem Sinne, dass sie weiss, inwiefern sie mich unterstützen kann, inwiefern sie sich raushalten muss, wo sie mir Zeit geben muss. Da hat sie einen anderen Blickwinkel als jemand, der nicht im Motorsport gross geworden ist. Wenn ich eine Frau hätte, die sich in dieser Umgebung nicht so gut auskennt und mich dann vielleicht auch auf die falsche Art und Weise unterstützen würde, hilft mir das auch nicht weiter.
Dabei geht es ja auch immer um die mentale Seite, die ist ja sowieso im Sport sehr wichtig. Wie gross ist die Rolle, die der Kopf im Motorsport spielt?
Ich würde sagen, 90 Prozent macht der Kopf aus. Die restlichen zehn Prozent sind physisch. Mental stark zu sein, ist sehr wichtig mittlerweile.
Kann man das trainieren?
Es gibt mittlerweile alles Mögliche, um das zu trainieren. Es gibt Firmen, die einen mental unterstützen. Es gibt aber auch Trainings, die man selber machen kann, wie zum Beispiel Simulator fahren. Mit dem Simulator habe ich jetzt wieder sehr extrem angefangen, ich bin auch bei einem eSports-Team dabei und mache diesbezüglich ein bisschen was. Nur aus Spass, nichts Professionelles. Aber im Simulator muss man viel mehr über die Konzentration gehen, über die Augen, was dann den Kopf stärkt und mich persönlich auch weiterbringt.
Über die Zulassung zur "Grünen Hölle"
So eine Kombination ist ja auch wichtig für die Nordschleife. Sie haben inzwischen die Zulassung, um dort Rennen zu fahren. Warum ist Ihr Papa dagegen gewesen?
Mein Papa ist selbst nie dort gefahren, weil ihm die Nordschleife einfach zu gefährlich ist. Die Nordschleife heisst nicht umsonst "Grüne Hölle", sie birgt einige Gefahren, gerade wenn viele langsame Autos dabei sind. Deshalb hat er gesagt, dass es ihm lieber wäre, wenn ich es lasse. Aber ich wollte für mich selbst entscheiden, wollte das mal ausprobieren, wie es mir gefällt. Das habe ich jetzt getan. Ich muss ganz ehrlich sagen: Mich hat die Nordschleife gepackt und ich verstehe, warum jeder Fahrer mir gesagt hat, dass es die beste Strecke der Welt sei. Ich denke, da wird von mir auf jeden Fall in Zukunft noch was kommen.
Wie gross ist der Respekt vor so einer Strecke?
Sehr gross. In meinem Fall war es nochmal ein bisschen mehr, weil ich noch nie auf der Strecke gewesen bin, nicht einmal mit einem Strassenauto. Und als ich dann das erste Mal gefahren bin, gab es so viele blinde Ecken, so viele Stellen, die extrem gleich aussehen - wenn man da die Strecke nicht kennt, kann so schnell ein Fehler passieren. Und wenn ein Fehler passiert, in einer schnellen Kurve, wie zum Beispiel im Schwedenkreuz, geht das sehr schnell schief. Und natürlich geht man dann mit einem gewissen Respekt an die Sache heran. Aber Angst? Wenn man im Rennauto Angst hat, sollte man aufhören.
Ralf Schumacher Einfluss auf die Karriere seines Sohnes
Kann man denn jetzt im Umkehrschluss daraus schliessen, dass Sie nicht mehr so oft auf Ihren Vater hören, was Ihre Karriere angeht?
Nein, auf keinen Fall. Mein Vater ist eine sehr grosse Stütze, wofür ich auch sehr dankbar bin. Er unterstützt mich in allem, was ich mache. Er hat mich am Ende auch bei der Nordschleife unterstützt, hat sich um alles gekümmert und mir geholfen. Er hat gesagt: "Wenn dir das gefällt und du das machen möchtest, unterstütze ich das zu 100 Prozent." Und deswegen höre ich auch weiter auf den Rat meines Vaters.
Er war anfangs auch gar nicht so begeistert, dass Ihre Freundin an der Rennstrecke ist. Woran lag das?
Das war ganz am Anfang, als ich mit Vivien frisch zusammengekommen bin, da war er nicht wirklich begeistert davon. Er hat ja auch recht, denn wenn man einen ganz normalen Job hat, nimmt man seine Freundin oder Frau ja auch nicht mit ins Büro. Bis ich ihn dann aber mal überredet habe, dass Vivien mal mitkommen darf, und er sich angeschaut hat, wie sie sich verhält, wie sie mich unterstützt. Dann hat er schnell gemerkt, dass sie weiss, was sie tut und dass mir ihre Anwesenheit geholfen hat. Zuletzt vor zwei Jahren bei meinem Unfall beim DTM-Saisonfinale in Hockenheim war er sehr froh, dass sie vor Ort war, weil er selbst arbeiten musste.
Der Crash war ja schon ein ziemlicher Einschlag. Hat das für Sie etwas verändert?
Das einzige Problem war, dass ich danach eine sehr lange Pause hatte. Aber bei meinem ersten Test im neuen Jahr bin ich ins Auto gestiegen und war zwei Runden lang vorsichtig, aber danach war der Kopf wieder aus und ich habe einfach Gas gegeben. Gott sei Dank, es kann nach so einem Unfall auch schnell passieren, dass der Kopf sagt: "Nee, das ist nichts, ich habe Angst." Das hatte ich zum Glück nicht.
Planbarkeite einer Karriere im Motorsport
Ihr Vater ist weiterhin Berater und Begleiter Ihrer Karriere. Kann man eine Laufbahn im Motorsport überhaupt mittel- oder langfristig planen?
Es ist schwierig. Papa und ich kümmern uns immer am Ende eines Jahres darum, was im folgenden Jahr kommt. Bei mir gibt es keine Tagträume, welche Serie ich denn fahren möchte. Bei mir zählt im Moment nur dieses Jahr, das ADAC GT Masters, da gebe ich 110 Prozent. Und was nächstes Jahr passiert, entscheiden wir am Ende des Jahres, oder Anfang nächsten Jahres. Die Dinge gross im Vorhinein zu planen, das gab es bei uns noch nie. Das ergibt meiner Meinung nach keinen Sinn.
Ist so eine offene Zukunft nicht belastend, oder gewöhnt man sich daran?
Ich mache mir überhaupt keine Gedanken, was nächstes Jahr ist. Wie gesagt, die Gedanken kommen dann irgendwann Ende des Jahres, wenn die Saison vorbei ist. Da ist dann schon ab und zu ein bisschen Stress und auch Druck dahinter. Ich bin dann auch immer ein wenig abhängig von den Plänen der Sponsoren. Aber belastend ist das überhaupt nicht.
Trotzdem: Wo sehen Sie sich mittelfristig, was ist ein wichtiges Etappenziel?
Im Moment läuft es noch so ab, dass ich Vertragsfahrer bei Mercedes-AMG bin, aber ein Teil auch über Sponsoren finanziert wird. Mein Ziel ist es deshalb, in naher Zukunft mit dem Motorsport Geld zu verdienen. Und schnell zu sein, die Serie ist mir da im Grunde egal.
Über den Gesprächspartner
- David Schumacher ist der Sohn von Ex-Formel-1-Pilot Ralf Schumacher. Der 22-Jährige fuhr bis einschliesslich 2021 im Formelsport, zuletzt in der Formel 3. 2022 wechselte er in die DTM, wo er zwei Saisons absolvierte. In dieser Saison startet er im Rahmenprogramm der DTM im ADAC GT Masters.
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