Die lange Winterpause ist vorbei: An diesem Wochenende kehrt die Formel 1 zurück und trägt das erste Rennwochenende in Australien aus. Es gibt vor dem Auftakt wie immer einige offene Fragen. Wir haben mit RTL-Kommentator Christian Danner über die Brennpunkte bei den Teams, Lewis Hamiltons Aussichten bei Ferrari, die schwierige Lage bei Sauber/Audi und Hülkenberg sowie den Status der Königsklasse in Deutschland gesprochen.

Ein Interview

Christian Danner, es gibt 2025 einige interessante Teamduelle. Wo ist das Knallpotenzial Ihrer Meinung nach am grössten?

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Christian Danner: In dieser Saison gibt es definitiv mehrere Teams mit Sprengstoffpotenzial. Besonders spannend wird es bei McLaren. Dort wird es früh in der Saison darum gehen, wer sich als Platzhirsch durchsetzt – Lando Norris oder Oscar Piastri. Das ist ein entscheidender Punkt, denn McLaren ist für mich nach wie vor der Topfavorit. Sie wollen den Fehler des letzten Jahres vermeiden, als sie sich nicht klar festgelegt haben. Das wird dieses Jahr anders sein, und deshalb wird es zwischen Piastri und Norris richtig zur Sache gehen. Jeder weiss: Wer in den ersten Rennen vorne liegt, sichert sich die Rückendeckung des Teams für den Rest der Saison.

Wer setzt sich da Ihrer Meinung nach durch?

Piastri war letztes Jahr bis auf ein paar kleine Fehler im Qualifying absolut auf Augenhöhe mit Norris. Wenn er diese Probleme abstellt, muss sich Norris definitiv warm anziehen.

Im Moment eine grosse Liebesgeschichte

Was erwarten Sie von Ferrari? Wie werden sich Lewis Hamilton und Charles Leclerc verstehen?

Im Moment ist alles noch eine grosse Liebesgeschichte – Ferrari, Hamilton in Rot, eine perfekte Inszenierung. Aber was passiert, wenn Hamilton nicht richtig mitkommt und Leclerc vorne liegt? Ich bin gespannt, wie das dann aussieht. Beide sind aber keine Typen, die aktiv die Konfrontation suchen.

Kann Hamilton 2025 denn eine grosse sportliche Rolle spielen?

Er spielt bereits eine enorm grosse Rolle – aber ob es eine sportliche sein wird, ist die grosse Frage. Er hat sich in Italien mit viel Pathos inszeniert, präsentiert sich in Designerklamotten, hat eine Wohnung in Mailand, lernt Italienisch. Ferrari und Hamilton, das ist eine Kombination mit unglaublicher Strahlkraft. Doch entscheidend wird sein, ob er das auch auf der Strecke umsetzen kann.

Glauben Sie, dass er das kann?

Nein, Leclerc wird die Nase vorne haben. Nicht nur wegen der Ergebnisse der Testfahrten, sondern auch wegen der emotionalen und volatilen Stimmung in Italien. Da kann es schnell heissen: Warum zahlt man dem so viel Geld? Bei Mercedes hatte er mit Niki Lauda und Toto Wolff immer starke Unterstützer, die ihn auch in schwierigen Phasen in Watte gepackt haben, damit er seine Leistung bringt. Diese Art von Rückhalt wird es bei Ferrari nicht geben.

Die Fallhöhe für Hamilton ist also enorm?

Absolut. In der Vergangenheit hat er oft empfindlich auf Druck reagiert, wie ein Mimöschen. Die grosse Frage ist, ob er mit seiner Erfahrung und seinem Alter mittlerweile besser damit umgehen kann. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er innerhalb des ersten halben Jahres Leclerc die Butter vom Brot nimmt.

Und wie sieht es bei Red Bull aus? Kann Liam Lawson Weltmeister Max Verstappen zumindest ein bisschen fordern?

Das hängt ganz davon ab, wie schnell Lawson ist. Er gehört zu den Fahrern, die es drauf ankommen lassen, wenn sie das Tempo mitgehen können – kompromisslos und knallhart. Das haben wir in der Vergangenheit schon gesehen. Aber dafür muss er eben schnell genug sein. Ob er das ist, wird sich erst noch zeigen.

Keine Red-Bull-Dominanz mehr

Designguru Adrian Newey hat Red Bull verlassen, das Team hatte zuletzt auch intern einige Probleme. Wie sehen Sie die aktuelle Lage beim Rennstall?

Der Abgang von Newey hat deutliche Spuren hinterlassen, auch wenn Christian Horner es herunterspielt. Natürlich sagt er, das sei kein Problem, ein Ingenieur mehr oder weniger. Doch Red Bull verliert mit Newey ein Regulativ, das nicht nur akute Probleme löste, sondern auch langfristig konzeptionell die richtigen Entscheidungen traf, die zu überlegenen Autos führten. Ich glaube deshalb, dass mit der Ära Newey auch die Ära der absoluten Red-Bull-Dominanz zu Ende geht.

Wo sehen Sie Red Bull in der Hackordnung?

Sie bleiben ein Top-Team. Mercedes, Red Bull, Ferrari und McLaren werden es 2025 unter sich ausmachen. Aber von der reinen Fahrzeug-Performance her sind sie wahrscheinlich nicht mehr so dominant wie zuvor. Allerdings kann Max Verstappen extrem viel kompensieren, was sie weiterhin gefährlich macht.

Newey ist jetzt bei Aston Martin, hat aber gerade erst angefangen. Das Team wirkt momentan weit weg von der Spitze. Wie lange wird Fernando Alonso das schweigend akzeptieren?

Alonso hat eigentlich keine Wahl. Das Auto ist aktuell nicht konkurrenzfähig. Die Frage ist, wie schnell Newey und sein Team das ändern können. Man darf nicht vergessen, dass mit ihm auch einige weitere Ingenieure von Red Bull zu Aston Martin gewechselt sind. Damit hat er ein starkes Team, das effizient arbeiten kann. Zusätzlich ist die Management-Struktur mit Andy Cowell hervorragend aufgestellt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass Alonso mit Aston Martin noch seine Momente erleben wird.

Bei Mercedes ist George Russell nach dem Hamilton-Wechsel jetzt der neue Anführer. Kann er das?

Wenn man das nüchtern betrachtet, hat er in der vergangenen Saison Lewis Hamilton in den meisten Bereichen geschlagen. Russell ist nicht nur extrem schnell, sondern auch sehr intelligent. Er übernimmt Verantwortung, trifft eigene Entscheidungen im Auto und ist nicht jemand, der sich einfach nur Anweisungen geben lässt. Er ist eine echte Bank- jung, ambitioniert und mit klarem Ziel auf den WM-Titel.

Wie schnell kann sich daneben Supertalent Kimi Antonelli akklimatisieren?

Er ist ja quasi noch ein "Knirps", wenn man so will. Mit seinen 18 Jahren ist er offensichtlich sauschnell, aber ob er diese Grundschnelligkeit konstant über Renndistanzen hinweg abrufen kann und fehlerfrei bleibt, wird sich erst zeigen.

Sauber? "Das Auto ist schlecht. Punkt."

Wie bitter wird die Saison für Nico Hülkenberg und Sauber/Audi?

RTL hat natürlich ein grosses Interesse daran, dass wir einen starken deutschen Fahrer haben – und das ist Nico Hülkenberg. Er hat im vergangenen Jahr eindrucksvoll bewiesen, wie gut er ist. Aber auch wenn ich ein bekennender Hülkenberg-Fan bin und ihn als wichtigen deutschen Vertreter in der Formel 1 sehe, muss ich leider realistisch bleiben. Ich fürchte, er wird sich ziemlich genau um den vorletzten Platz herum bewegen. Der Grund ist einfach: Das Auto ist schlecht. Punkt.

Wie optimistisch sind Sie deshalb in Bezug auf das Audi-Projekt? Oder wird es richtig peinlich?

Da bin ich leider überhaupt nicht optimistisch. Kurz- und mittelfristig wird das sehr, sehr peinlich. Schauen Sie, man muss nur eins und eins zusammenzählen. Der Mann, der bei Sauber die letzten zwei Jahre für ein schwaches Auto verantwortlich war, heisst James Key. Und genau dieser Mann entwickelt nun das 2026er-Auto – also das erste unter Audi-Flagge. Warum sollte er plötzlich den grossen Wurf landen, wenn er zuvor zwei Jahre lang kein konkurrenzfähiges Auto auf die Strecke gebracht hat?

Vielleicht erweist sich ja Projektleiter Mattia Binotto als Retter?

Natürlich könnte es sein, dass er ein Ass im Ärmel hat, vielleicht jemanden, der im Hintergrund an einem revolutionären Konzept für das 2026er-Auto arbeitet. Aber wenn selbst Binotto, ein etablierter und hoch angesehener Top-Profi, schon jetzt darauf hinweist, dass noch ein sehr langer Weg vor ihnen liegt, dann bestätigt das nur meine Einschätzung.

Halten Sie einen Ausstieg für möglich?

Ich glaube nicht, dass Audi sich aus dem Projekt zurückzieht. Man hat sich schon zu weit aus dem Fenster gelehnt, um jetzt einfach alles hinzuschmeissen. Viel eher erwarte ich einen schrittweisen Übergang, bei dem möglicherweise die Investoren aus Katar das Ganze nach und nach übernehmen.

Wer ist für Sie der frühe Favorit für die neue Saison? Auf wen würden Sie Geld setzen?

Wenn ich wetten müsste, würde ich auf einen McLaren-Fahrer setzen. Und weil ich ein Fan von Risiko bin, würde ich mich für Oscar Piastri entscheiden. Wenn er gut in die Saison kommt und sich schnell stabilisiert, könnte er ein echter Titelkandidat sein. Ich halte ihn für mental noch etwas robuster als Lando Norris.

Es verspricht, wieder eine spannende Saison zu werden. Doch während die Formel 1 in vielen Ländern boomt, gehen in Deutschland die Zuschauerzahlen zurück. Woran liegt das?

Ein ganz entscheidender Punkt ist die Sichtbarkeit. Je mehr Menschen wissen, dass RTL die Formel 1 im Free-TV überträgt, desto mehr schalten auch ein. Aber wenn sie es nicht wissen, passiert eben nichts. Das ist für RTL eine fundamentale Herausforderung. Generell ist es aber so, dass es im heutigen TV-Geschäft fast nur noch mit Fussball möglich ist, wirklich hohe Quoten zu erreichen. Ein weiterer Faktor ist, dass sich viele Fans ihre Informationen und Highlights inzwischen individuell zusammenstellen – wann und wo es ihnen gerade passt.

"Ein Spitzenfahrer würde enorm helfen"

Wie beurteilen Sie den aktuellen Status der Formel 1 in Deutschland?

Eigentlich sehe ich die Entwicklung positiv. Die Formel 1 hat sich weg von einem reinen Personen-Hype, bei dem alles nur um Michael Schumacher oder Sebastian Vettel kreiste, hin zu einem internationalen Spektakel mit einem grossen Entertainment-Faktor entwickelt. Für den Puristen mag das schwer zu akzeptieren sein, aber für jüngere Zuschauer ist das genau das, was sie wollen. Die Formel 1 hat ihren reinen Racing-Kern nicht verloren, aber gleichzeitig verstanden, dass sie sich dem Zeitgeist anpassen muss. Genau das sind aus meiner Sicht gute Voraussetzungen dafür, dass die Formel 1 in Deutschland eine positive Zukunft haben kann. Natürlich würde ein deutscher Spitzenfahrer enorm helfen.

Sehen Sie denn da jemanden kommen?

Da gibt es zwei vielversprechende Namen: Tim Tramnitz und Oliver Goethe. Ich halte Tramnitz für das grössere Talent, weil er analytischer und ruhiger wirkt. Goethe ist ein bisschen emotionaler unterwegs, was natürlich auch ein Vorteil sein kann, aber Tramnitz bringt eine hanseatische, sachliche Art mit, die ihm auf seinem Weg sicher helfen wird. Und bei Red Bull kann es dann ganz schnell gehen – wenn man dort überzeugt, ist der Weg in die Formel 1 offen.

Über den Gesprächspartner

  • Christian Danner absolvierte zwischen 1985 und 1989 insgesamt 36 Rennen in der Formel 1, daneben fuhr der 66-Jährige unter anderem auch in der DTM und in der WEC. Seit 1998 ist Danner als Co-Kommentator und Formel-1-Experte für RTL im Einsatz.