• Bittersüsser Sieg: Ferrari hat sich beim Rennen in Silverstone einmal mehr bei der Strategie verzockt.
  • Carlos Sainz hat zwar sein erstes Rennen gewonnen, die WM holt man so allerdings nicht.
  • Die Enttäuschung ist gross, vor allem bei Charles Leclerc, der nur Vierter wurde.

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Das Bild sprach für sich. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto stand vor Charles Leclerc, der Monegasse noch voller Adrenalin, gleichzeitig ausgepumpt, mit zerzausten Haaren und enttäuschtem Gesichtsausdruck. Binotto redete auf seinen Fahrer ein, und das mit erhobenem Zeigefinger. "Ich habe ihm gesagt, dass ich seine Enttäuschung verstehe. Es ist schwierig für ihn, glücklich zu sein, aber es ist wichtig, in einer solchen Situation ruhig und positiv zu bleiben", sagte Binotto. Leclerc fiel es sichtlich schwer, positiv zu bleiben. Diese eine Szene fasste seinen Gefühlszustand perfekt zusammen.

Denn ein Sieg war für ihn beim zehnten Saisonrennen in Silverstone drin, doch sein Team schmiss die Möglichkeit weg, als in der 40. Runde das Safety Car auf die Strecke kam. Die Entscheidung, den zu dem Zeitpunkt führenden Leclerc in dem Moment nicht für einen Reifenwechsel an die Box zu holen, sondern seinen Teamkollegen, den späteren Sieger Carlos Sainz, sorgte für allgemeine Verwunderung. Und auch für jede Menge Kritik. Denn mit den anschliessend deutlich älteren Reifen hatte Leclerc gegen Sainz, Sergio Perez (Red Bull Racing) und Lewis Hamilton im Mercedes keine Chance, er wurde durchgereicht und nur Vierter.

Volle Breitseite für Ferrari und Binotto

Für Ferrari und Binotto gab es die volle Breitseite. Denn zum einen maximierte Ferrari die Möglichkeit nicht, Titelverteidiger Max Verstappen mehr unter Druck zu setzen. Der in der WM-Wertung führende Niederländer wurde nur Siebter, liess dadurch einige Punkte liegen. Leclercs Rückstand auf Verstappen beträgt nun 43 Zähler, bei einem Sieg wären es 30 gewesen. Sainz wiederum liegt nach seinem ersten Sieg zwar nur elf Punkte hinter Leclerc, ihm werden aber aufgrund seiner schwankenden Leistungen grundsätzlich geringere Chancen auf den Titel eingeräumt.

"Ich frage mich, wie lange Mattia Binotto noch bei Ferrari überlebt", sagte der frühere Formel-1-Fahrer Hans-Joachim Stuck bei Eurosport zu der Fehlentscheidung. "Andererseits muss man sagen, dass Ferrari immer Phasen hatte, in denen falsche Entscheidungen getroffen worden sind. Aber dieses Jahr ist das schon heftig", so Stuck.

Fehler haben Tradition

In der Tat haben Fehler dieser Art bei Ferrari Tradition, auch 2022 war es keine Premiere, auch bei Leclerc nicht. So kostete zum Beispiel bereits das Chaos beim Doppelstopp in Monaco Leclerc wertvolle Punkte. "Ihm nach Monaco noch mal so einen einzuschenken, ist natürlich bitter. Sie haben Leclerc wieder Punkte gekostet", sagte ServusTV-Experte Nico Hülkenberg.

"Charles Leclerc muss wirklich kotzen. Der ist wirklich eine arme Sau. Aber das ist eben Ferrari", so Stuck. Ex-Formel-1-Fahrer Christian Danner kritisiert, Ferrari habe Leclerc "fast schon mutwillig die Punkte und den Sieg genommen". Nüchtern betrachtet habe Ferrari einmal mehr gezeigt, wie man es nicht mache, wenn man die WM gewinnen wolle, so Danner.

Ferrari muss sich anders aufstellen

"Man hätte wieder die Chance gehabt, Verstappen deutlich mehr Punkte abzunehmen", schrieb Sky-Experte Timo Glock in seiner Kolumne. Ferrari müsse sich anders aufstellen, "wenn man ein ernstes Wort um den Titel mitreden möchte", so Glock.

Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve versteht den Ärger von Leclerc nach dem Rennen, "das ist ein weiteres Beispiel für eine konservative Strategie", schrieb er in seiner Kolumne bei formule1.nl. Auch in der Heimat liess man kein gutes Haar am Renn-Management der Scuderia. "Leclerc zahlt wieder einen hohen Preis für Maranellos Strategiefehler und verliert ein Rennen, das er bereits im Griff hatte", schrieb die Gazzetta dello Sport.

Auch die Konkurrenz ist irritiert

Selbst die Konkurrenz ist irritiert. Red-Bull-Teamchef Christian Horner nannte es "eine eigenartige Entscheidung. Ich bin mir sicher, dass sie ihre Gründe gehabt haben. Es war ein aufregendes Rennen und erneut so eine Sache von Ferrari".

Bei Ferrari war es eine seltsame Situation. Zwar haben die Roten das Rennen gewonnen, echte Freude wollte mit Ausnahme von Sainz aber nicht aufkommen. Binotto räumte nach dem Rennen den Fehler ein. "Jetzt im Nachhinein wissen wir, dass es besser gewesen wäre mit dem Softreifen. Es war nicht die richtige Entscheidung. Das wissen wir aber jetzt erst im Nachhinein", so der Italiener. Einmal mehr zu spät. Auch zu spät für den WM-Titel?

Verwendete Quellen:

  • TV-Übertragung Sky, ServusTV
  • Sky Sport: Formel 1 Kolumne: Glock über Silverstone, Schumacher, Zhous Unfall und Ferrari
  • Formule 1.nl: Charles Leclerc sprach im Radio, als wäre er bereits ein Ferrari-Führer, aber das ist er nicht
  • Eurosport: GP Silverstone - Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview: "Charles Leclerc ist eine arme Sau"
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