Die Scuderia Ferrari überlegt, in die IndyCar-Serie einzusteigen. Der Grund ist die Budgetobergrenze, die ab 2021 in der Formel 1 gilt. Durch die Coronakrise wurde sie nochmals nach unten korrigiert. Der Einstieg in andere Rennserien ist für die Italiener eine Option, um Arbeitsplätze zu sichern. Doch sie drohen der Formel 1 auch offen mit dem Ausstieg. Was es mit Ferraris Überlegungen auf sich hat.

Mehr Formel-1-Themen finden Sie hier

Die Scuderia Ferrari und die Formel 1 - ist eine Liebesgeschichte, in der Ferrari stets die Diva war. Und bis heute ist. Das beweist sie gerade einmal mehr, flirtet sogar mit einem anderen. Teamchef Mattia Binotto bestätigte, dass das Team über einen Einstieg in die IndyCar-Serie nachdenkt.

Als Grund nennt Ferrari die Budgetobergrenze, die ab kommender Saison in der Formel 1 gilt. Die Formel-1-Teams beschlossen nun einen Kostendeckel, der bei knapp 145 Millionen US-Dollar liegt, das sind 133 Millionen Euro. Der bisherige Etat von Ferrari wird auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt.

Seit 1950 ist die Scuderia Teil der Motorsport-Königsklasse. Könnte die Ära bald enden? Teamchef Mattia Binotto drohte im April im "Guardian": "Sollte es noch weiter runtergehen, wollen wir nicht in eine Position gebracht werden, nach anderen Optionen schauen zu müssen, wo wir unsere Renn-DNA entfalten können."

Hinterher war von einem Missverständnis die Rede, doch klar ist, dass Ferrari sich umschauen muss. Die IndyCar-Serie als zweites Standbein sein – oder mehr?

Ferrari und IndyCar: Beide könnten profitieren

Über das legendäre Rennen Indy500 hinaus ist die IndyCar-Serie nur mässig bekannt. In den USA ist sie dafür das Motorsporthighlight überhaupt. Für die Rennserie wäre der Einstieg Ferraris ein enormer Zugewinn.

"Ferrari ist ein wichtiger Partner im Motorsport", sagt Motorsportlegende Hans-Joachim Stuck im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Roten seien für viele Rennserien eine interessante und bekannte Option.

IndyCar hätte die grosse Chance, 50 statt 33 Autos in der Serie zu etablieren. Für Ferrari wäre der Einstieg die Erschliessung eines neuen Marktes. Schon mehrfach liebäugelte die Scuderia damit, einzusteigen. Tat es dann aber doch nicht.

"IndyCar ist für Ferrari bezahlbar", sagt Stuck. Durch die Budgetobergrenze wäre genug finanzieller Spielraum für die zusätzliche Rennserie. Ein zweiter Vorteil: "Die Fahrer können hier viel mitentscheiden", sagt Stuck. Für ihn ein grundsätzlich denkbares, interessantes Projekt für Ferrari.

Dagegen spricht, dass Ferrari nach derzeitigem Reglement nur die Motoren, nicht die Chassis bauen dürfte, also die Fahrgestelle. Womöglich würde IndyCar zugunsten von Ferrari seine Regeln ändern.

Mario Andretti, einer der wenigen Fahrer, die in der Formel 1 und in der IndyCar-Serie gewonnen haben, schwärmte in der "Gazzetta dello Sport": "Ferrari zu haben, wäre unglaublich. Nicht nur als Motorenhersteller, sondern auch als Chassis-Bauer."

Ein italienisches Duell zwischen den Chassis-Herstellern Dallara und Ferrari würde ihm gefallen. Allerdings haben Binotto und IndyCar-Chef Roger Penske offenbar noch nicht miteinander verhandelt.

Auch ein neues Projekt bei der Langstrecken-WM ist möglich, das könnte die 24 Stunden von Le Mans umfassen – ein neues Reglement ab 2022 sorgt dafür, dass mit einem Auto in verschiedenen Klassen um den Gesamtsieg gefahren werden kann.

Ein Déjà-Vu: Ferrari droht auszusteigen

Es ist nicht das erste Mal, dass Ferrari damit droht, die Formel 1 zu verlassen. 1986 erwägte die Scuderia sich zurückzuziehen, als der Rennstall mit den damals geplanten V8-Motoren nicht einverstanden war.

Damals hatte Enzo Ferrari noch selbst den Bau eines IndyCar-Fahrzeugs in Auftrag gegeben – das wurde zwar gebaut, kam aber nie zum Einsatz. Auch in der Ära von Michael Schumacher drohten die Roten mehrfach damit, die Königsklasse zu verlassen.

Der Wegfall von Ferrari würde für die Formel 1 einen grossen Imageverlust bedeuten, immerhin steht Ferrari bis heute für Erfolg und Prestige. "Ich denke, dass die Formel 1 ohne Ferrari überhaupt nicht gut wäre", sagte der langjährige Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gegenüber "Autocar".

Ferrari doch kompromissbereit

Bis zuletzt war befürchtet worden, dass Ferrari von seinem Veto-Recht Gebrauch macht und sich gegen die geplante Budgetobergrenze stellt. "Ich hoffe, dass alle in der aktuellen Situation Vernunft walten lassen, damit wir das Beste für die Formel 1, die Teilnehmer, die Promoter, die Behörde und die Fans erreichen können", hatte Weltverbandschef Jean Todt zuvor noch gesagt und damit signalisiert: Wir richten uns nicht nur nach Ferrari.

Und die Scuderia akzeptierte, gibt sich in dieser Ehe also kompromissbereit. Ein kompletter Ausstieg ist unwahrscheinlich, in diesem Fall müssten sich die Italiener komplett neu aufstellen. Ein Einstieg in einer anderen Rennserie gut möglich – dann aber als zweites Standbein.

Verwendete Quellen:

  • Auto, Motor, Sport: Ferrari sucht nach Alternativen
  • Speedweek.com: Mario Andretti: Ferrari im IndyCar-Sport? Wunderbar!
  • motorsport.com: Andretti: Ferrari should supply chassis and engines in IndyCar
  • Auto Bild: Binotto bestätigt Indy-Interesse
  • motorsport-total.com: Wegen Budgetobergrenze: Ferrari prüft Einstieg in die IndyCar-Serie
  • Formel1.de: Mario Andretti: Ferrari sollte in die IndyCar-Serie einsteigen
  • Spiegel.de: Ferrari droht mit Ausstieg aus der Formel 1
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.