• In der Vergangenheit haben vor allem Lewis Hamilton und Sebastian Vettel in der Formel 1 ihre Meinung zu wichtigen gesellschaftlichen Themen gesagt.
  • Die Königsklasse setzt die Grenzen jetzt sehr eng in Sachen Meinungsäusserung.
  • Gibt es gar einen Maulkorb für die Fahrer? Der F1-Chef äussert sich.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Meinungsstarke Sportler sind Gold wert. Das merkt man immer dann, wenn sie fehlen. Wenn es nur noch weichgespülte PR-Aussagen gibt, inhaltsloses Blabla oder nichtssagende Plattitüden. Fest steht: Mit dem Rücktritt von Sebastian Vettel geht der Königsklasse nicht nur ein Fahrer, sondern auch eine Persönlichkeit mit Profil verloren.

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Einer, der immer den Mund aufgemacht hat. Doch will die Formel 1 das überhaupt? Die aktuelle Version des Sport-Kodex - der Verhaltens-Leitfaden des Automobil-Weltverbands Fia - lässt den Schluss zu, dass den Fahrern ein Maulkorb verhängt werden soll.

"Die Darstellung politischer, religiöser und persönlicher Ansichten ist untersagt, wenn sie die Grundsätze der Neutralität der Fia verletzen", heisst es da zum Beispiel. "Es ist generell untersagt, sich mit Sprache oder Gesten abschätzig, angreifend, grob, unverschämt oder ausfällig zu äussern oder ein unangemessenes Verhalten zu zeigen, das bei anderen Menschen zu Beleidigung oder Erniedrigung führen kann."

Dass man mit seinen Äusserungen niemanden beleidigen soll, sollte selbstverständlich sein. Doch müsste sich zum Beispiel Hamilton grünes Licht von den Verantwortlichen einholen, damit er über Rassismus oder Diversität sprechen kann?

Vettel schiesst gegen neue Fia-Verhaltensregel

"Das ist ein bisschen ein Quatsch", sagte Vettel jetzt den Zeitungen "tz" und "Münchner Merkur". "Ich glaube, es ist absolut wichtig, dass man zu manchen Themen Stellung bezieht, und wir haben in den letzten Jahren ja auch gesehen, dass immer mehr Stellung bezogen wurde", sagte Vettel und weiter: "Jetzt dagegen zu lenken macht irgendwie nicht so viel Sinn." Er wünsche sich "selbstverständlich, dass die Jungs in der Formel 1 auch weiterhin den Mut haben, für ihre Meinung geradezustehen und diese auch zu äussern".

Auch aktuelle Fahrer sind sauer und besorgt, was die Verschärfungen durch den Weltverband angeht. "Mir hat es immer gefallen, wie einige Piloten für etwas eingetreten sind, wie etwa Sebastian Vettel. Ich verstehe nicht, wieso man uns kontrollieren will. Wir sollten etwas sagen dürfen, wenn wir das wollen", sagte Alfa-Romeo-Pilot Valtteri Bottas.

Und Weltmeister Max Verstappen meint: "Ich glaube nicht, dass diese Regelung nötig ist, weil man auf diese Weise im Grunde dafür sorgt, dass die Leute nicht mehr reden dürfen, und meiner Ansicht nach sollte das nicht sein."

Der richtige Ton und Respekt

Die Fia begründet diese neuen Formulierungen damit, dass man sich den Richtlinien des Internationalen Olympischen Komitees angepasst habe. Seit 2011 ist die Fia ein vom IOC anerkannter Verband und hat sich der Olympischen Charta verpflichtet. Stellung beziehen dürfe man natürlich, betonte die Fia – wenn man sich vorher das "Go" eingeholt hat. Was mit freier Meinungsäusserung nun aber nicht viel zu tun hat.

Das Thema wird die Formel 1 wohl noch eine Weile begleiten. "Die Formel 1 macht keinen mundtot. Wir haben 20 Fahrer, zehn Teams, viele Sponsoren, und alle haben sie unterschiedliche Ansichten. Ich kann nicht darüber urteilen, ob einer damit richtig oder falsch liegt. Aber falls notwendig, ist es angebracht, ihnen eine Bühne zu bieten, um Meinungen offen darlegen zu können", sagte Formel-1-Chef Stefano Domenicali dem Guardian.

Man ändere diese Einstellung nicht, betonte der 57-Jährige: "Die Formel 1 hat eine weltweite Gefolgschaft, die viele Kulturen und Werte umschliesst. Das ist für den Sport eine gewaltige Gelegenheit, für das Richtige einzutreten. Jeder hat ein Recht, seine Ansicht frei äussern zu dürfen. Wir verlangen dabei nur den notwendigen Ton und Respekt."

Formel 1 hat die Bedenken vernommen

Die Bedenken der Fahrer hat der Italiener vernommen und will den Dialog suchen. "Wir beobachten die Situation weiter", sagte er und kündigte an: "Wir halten die Fahrer auf dem Laufenden. Wir treffen uns mit der Fahrergemeinschaft GPDA, um die Situation zu besprechen. Wir überlegen, wie wir den Fahrern erlauben können, sich in unserem Sport als menschliche Wesen offen zu zeigen. Athleten können sehr emotional und leidenschaftlich sein, wenn es um bestimmte Dinge geht, und sie müssen das konstruktiv mit Menschen besprechen, denen sie vertrauen", sagte der Italiener.

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Er glaube, dass die Fia noch klarstellen werde, was zulässig sei, so Domenicali: "Ich bin mir sicher, dass die Fia dieselbe Ansicht wie die Formel 1 vertritt, aber sie ist Teil eines olympischen Verbandes, also gibt es gewisse Protokolle, an die sie sich halten muss." Bleibt zu hoffen, dass es die Fahrer in Zukunft nicht auch müssen, wenn sie etwas sagen wollen.

Verwendete Quelle:

  • theguardian.com: Formula One 'will never gag anyone', says chief executive Stefano Domenicali
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