Anlässlich der Tests der Formel 1 in Barcelona spricht jeder im Fahrerlager vom neuen "Wunder-Lenkrad" bei Mercedes. Das sogenannte DAS-System erfordert von den Fahrern des Weltmeisterteams Lenkbewegung wie beim Fliegen. Was aber bringt es? Und: Für 2021 ist es bereits verboten.

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Mercedes hat das Lenken neu erfunden. Allerdings nur für sich und in der Formel 1. Das vermeintliche Super-Lenkrad der Silbernen ist der neueste technische Kniff in der F1 und beherrschendes Gesprächsthema bei den Tests in Barcelona.

Mercedes setzt DAS ein

Das Weltmeister-Team zauberte das sogenannte DAS (Dual Axis Steering, zu Dt.: Duale Achsen-Steuerung) am zweiten Tag auf dem Circuit de Catalunya in Barcelona aus dem Hut.

Bilder einer Bordkamera im Wagen von Weltmeister Lewis Hamilton zeigten, wie der Champion auf einer Geraden das Lenkrad an sich zog und dann kurz vor der Kurve wieder von sich wegschob. Dabei drehten sich die Vorderräder leicht nach innen. Diese Vorspur- oder Sturzverstellung soll allem Anschein nach der Temperaturregulierung der Reifen dienen.

"Es war auch für uns bei Ferrari eine Neuheit", schilderte Sebastian Vettel bei "Motorsport-Total.com" die allgemeine Überraschung. Wie immer, wenn der Konkurrent mit einer zuvor geheim gehaltenen Neuentwicklung um die Ecke kommt, mischt sich in die Verblüffung Skepsis. Nicht nur Ferrari stellt sich folgende Fragen:

  • Welchen Vorteil erhofft sich Mercedes von dem neuen System?
  • Wie fährt es sich?
  • Ist es der FIA bekannt und erlaubt?

Mercedes sprach durch seinen Technikchef James Allison von einer "zusätzlichen Dimension der Kontrolle" in der Lenkvorrichtung. Allison erklärte allen Zweiflern zudem, dass der Motorsport-Weltverband FIA von dem neuen System wisse - und es bislang toleriert.

Protest gegen dessen Einsatz im Fahrzeug ist den gegnerischen Rennställen erst anlässlich des Saisonauftakts im australischen Melbourne möglich. Der Grand Prix dort findet am 15. März statt.

Red-Bull-Teamchef: "Das ist verboten"

Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko, 1971 und 1972 selbst Formel-1-Pilot, erklärte gegenüber dem Fachmagazin "Auto Bild Motorsport", warum er die neue Technik für illegal hält: "Wenn man den Sturz oder Spur der Räder aktiv während der Fahrt verändert, ändert sich die Auflagefläche der Reifen. Und damit - wenn auch im sehr, sehr geringen Bereich - die Bodenfreiheit. Das aber ist verboten."

Veränderungen an der Radaufhängung während des Betriebs des Autos verbietet der Artikel 10.2.3 des Technischen Reglements der FIA. Für Marko "entspricht das System der Funktionsweise einer verbotenen aktiven Radaufhängung".

Die FIA folgt dem Österreicher derzeit in seiner Auffassung noch nicht, hat für die WM-Saison 2021 aber Konsequenzen gezogen und das DAS bereits verboten. Der entsprechende Passus fand als Artikel 10.5.2 schon im Oktober 2019 Aufnahme ins Reglement.

Ein System wie DAS, bei dem nur die vorderen Spitzen der Reifen "eingezogen" werden, ist dann nicht mehr legal. Denn die Abstände zwischen den Reifen vorne und hinten bleiben nicht gleich. Sie variieren je nach DAS-Aktivierung.

Mercedes dominiert Formel 1 seit 2014

Seit 2014 fuhr der jeweilige Fahrer-Weltmeister einen Mercedes. Auch die Konstrukteurswertung ist seitdem fest in der Hand des deutsch-britischen Rennstalls, der damit die vormalige Dominanz Red Bulls und Vettels beendet hat. Der viermalige Weltmeister aus Deutschland rast seitdem seinem eigenen Titel-Anspruch hinterher.

Ob das neue System seine Chancen, am Saisonende mal wieder die Nase vorn zu haben, noch weiter reduziert, kann Vettel nicht sagen. Zumindest liegen Hamilton und Bottas auch bei den Tests in Barcelona wieder in Front.

Vettel hält die neue DAS-Aufgabe für Hamilton und Bottas nach Ansicht der allen zur Verfügung stehenden Onboard-Bilder zumindest für schwierig: "Du musst plötzlich nicht nur nach rechts oder links, sondern auch nach vor und zurück lenken." Man könne sich zwar "an vieles gewöhnen". Aber: "Wenn Du immer Laufschuhe anhast und jemand sagt zu dir, du sollst Flip-Flops anziehen, das kannst du zwar, aber es fühlt sich einfach anders an." Für Vettel ist ein Vorteil für Mercedes daher noch nicht zu erkennen. "Aber vielleicht unterschätze ich das auch."

Die englische Entwicklungsschmiede Prodrive erklärte in einem Tweet, ein vergleichbares System bereits 2008 entwickelt zu haben, allerdings für den zivilen Verkehr. Es spare Benzin und sorge bei hohen Geschwindigkeiten für mehr Fahrstabilität.

Prodrive habe damals zudem schon versucht, mit einem eigenen Team in die Formel 1 einzusteigen. Dies aber sei damals ebenso gescheitert wie zwei Jahre später.

Mit Material der dpa
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