Die Formel 1 will und muss Zuschauer zurückgewinnen, gelingen soll dies mit einer Regel-Revolution. Es gibt berechtigte Hoffnung auf mehr Spektakel. Vielleicht bröckelt sogar die Mercedes-Dominanz.
Im ersten Formel-1-Rennen 2017 siegte Williams. Am Freitagmorgen gab es auf Twitter einen unerwarteten Ausblick auf jene Autos, die für die Königsklasse des Motorsports eine Zäsur bedeuten.
Die offizielle Williams-Präsentation ist für den 25. Februar angesetzt, fünf Tage vorher beginnt Sauber. Die Top-Kaliber Mercedes (23.), Ferrari (24.) und Red Bull (26.) folgen. Nach Jahren der Flickschusterei hat sich die Formel 1 für 2017 eine Regel-Revolte auferlegt.
Mehr Action. Mehr Faszination. Mehr Kitzel. Das alles mit Autos, die allein schon im Stillstand aggressiv wirken, was die Formel 1 als Speerspitze des PS-Zirkus zementiert. Diese Serie will und muss den Zuschauer zurückgewinnen, gelingen soll dies durch ansprechendere Optik, brachiale Ausgestaltung, bessere Unterhaltung.
Breitere Autos mit breiteren Reifen
"Ich freue mich auf die Fahrzeuge, sie sehen spektakulär aus", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Die Wagen legen an Breite zu, insgesamt 20 Zentimeter auf maximal zwei Meter, auch die Flügel an Front (plus 15 Zentimeter) und Heck (plus 20) werden in diese Richtung verstärkt.
Das hintere Element liegt zudem tiefer - die Ästheten unter den Fans können sich freuen.
Das Mindestgewicht steigt um 20 auf 722 Kilogramm (inklusive Pilot), als Reaktion auf die schwereren Reifen, die ebenfalls in die Breite wachsen. Sechs Zentimeter vorne, acht hinten, macht 25 Prozent extra an Auflagefläche wie Grip-Level, also Anpressdruck.
Ebenfalls positiv: Der Grad an künstlichen Eingriffen auf dem Reifensektor sinkt. "Die Oberfläche überhitzt nicht so rasch, damit nehmen Abnutzung und Verschleiss ab“, erklärt Paul Hembrey, Motorsportdirektor von Lieferant Pirelli.
Erwartet wird zumeist ein Boxenstopp pro Grand Prix, nicht drei oder vier, was den Piloten erlaubt, öfter und länger am Limit zu operieren. Ganz so, wie es sein sollte im Elitekurs dieser Sportart.
Formel 1 wird "brutal schnell“
Das ist ja die dritte grosse Vokabel zur 2017er Formel 1: breiter, schwerer - und schneller! Prognostiziert wird ein Zeitgewinn von vier bis fünf Sekunden pro Runde, obwohl die Autos wegen der aerodynamischen Bestimmungen an Geschwindigkeit auf den Geraden einbüssen. Dafür wird es in den Biegungen zünftig.
"Ich empfehle allen, sich eine schnelle Kurve zu suchen. Dort wird man bald sehen, was wir leisten“, sagt Red-Bull-Star Daniel Ricciardo auf der Teamwebseite.
Mit wuchtigeren Flügeln aber steigt der Luftwiderstand, was es theoretisch verkompliziert, den Vordermann zu bedrängen. Verringern sich Überholchancen? Hembrey beruhigt: "Die Autos werden schneller, die Piloten kommen eher an ihre Grenzen, das wird Fehler provozieren. Wir erhalten wieder eine echte Fahrer-Weltmeisterschaft.“
Mehr Anstrengung, weniger Strafen
Höhere Kurventempi haben zudem massiven Einfluss auf die Fliehkräfte. Für die Fahrer wird es anstrengender im Cockpit. "Wir müssen das körperliche Training deutlich intensivieren“, sagt Carlos Sainz, "was wir fürs letzte Jahr gemacht haben, reicht 2017 nicht mehr aus“.
Der Toro-Rosso-Mann übt mit Zusatzgewichten am Helm, und Hülkenberg berichtet, sein Fitnessprogramm um 30 Prozent aufgestockt zu haben. Ein repräsentativer Wert. Ricciardo sagt: "Ich weiss, dass ich besser vorbereitet bin als jemals zuvor, aber der erste Tag im Auto wird schmerzhaft...“
Kraft, Konzentration, Koordination sind vonnöten. Endlich darf offener gekämpft werden auf der Piste, bloss eindeutige Vergehen sollen zu Strafen führen. Generell ist die Bürokratie entzerrt, weil praxisrelevanter, das Funkverbot gehört zur leidigen F1-Vergangenheit, Rennstarts im Regen sind ab sofort stehende Angelegenheiten - und keine Spannungskiller hinter dem Safety Car.
Nichts ändert sich in der Causa Antriebseinheit; es bleibt bei den V6-Turbos mit ihrer bemerkenswert unmelodischen Soundkulisse. Allerdings wurde das Korsett in der Weiterentwicklung gesprengt, wodurch das Kräfteverhältnis von März nicht zwingend jenem von November gleichen muss. Ein Plädoyer für intensiveren Wettbewerb. Recht so!
Bottas mit überraschender Ansage an Hamilton
Naht ein Ende der Dominanz von Mercedes, das seit 2014 in 51 der 59 Rennen triumphierte? "Derartig umfangreiche Regeländerungen bringen Chancen und Risiken mit sich“, weiss Wolff. Fürchten dürfte er speziell Red Bull, das immer gut war, wenn alle mit einem leeren Blatt Papier loslegten.
Darüber hinaus stellen die Österreicher mit Ricciardo und Wunderknabe Max Verstappen (19) die stärkste Fahrerpaarung im Feld. Sebastian Vettel ist in seinem dritten Ferrari-Jahr zum Erfolg verpflichtet, dabei liefert die kränkelnde Scuderia kaum Anzeichen der Genesung.
Der zurückgetretene Weltmeister Nico Rosberg rechnet auch mit Fernando Alonso (McLaren), zumindest als Kandidat fürs Podest.
Indes stellt sich Rosbergs Mercedes-Ersatz Valtteri Bottas via "Sky“ schon mal dem entthronten Titelträger Lewis Hamilton vor: "Ich bin nicht hier, um Zweiter zu werden. Nico hat gezeigt, dass es möglich ist, Lewis zu schlagen.“
Bottas ist ein Leisetreter der Branche. Und dann so eine Aussage! Diese Saison kann eigentlich nur mitreissend werden.
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