- Red Bull Racing hat in Austin ein extrem emotionales Rennwochenende erlebt.
- Der Rennstall trauerte um Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz und feierte den Gewinn der Konstrukteurs-WM.
- Doch auch der Budgetstreit ging weiter – und das teilweise unter der Gürtellinie.
Die Tränen rollten. Bei Christian Horner, der eilig eine Sonnenbrille aufsetzte. Bei Helmut Marko, der emotional und aufgewühlt darüber sprach, dass dem verstorbenen Red-Bull-Gründer
Verstappen widmete den Sieg dem Österreicher Mateschitz, der am Samstag nach langem Kampf einer schweren Krankheit erlag. "Das ist für Didi! Er hat so viel für den Rennsport getan, für uns alle bei Red Bull Racing und AlphaTauri, für mich persönlich. Ich wollte heute siegen – un-be-dingt!", sagte Verstappen.
"Er hat uns allen eine unglaubliche Möglichkeit geschenkt, er hat an uns geglaubt und uns immer den Rücken gestärkt. Dieser Sieg und die WM-Titel in diesem Jahr, sie gehören ihm. Ihm zu Ehren werden wir heute feiern, denn das hätte er so gewollt", ergänzte Teamchef Horner nach einem Rennwochenende, das eine sehr breite Palette an Emotionen für den Rennstall bereithielt. Freude, Jubel, Stolz, Trauer, Schmerz.
Budgetstreit wird weitergeführt
Aber auch Fassungslosigkeit und Wut. Denn bevor der Tod von Mateschitz am Samstagnachmittag Ortszeit offiziell wurde, überschattete mal wieder der nicht enden wollende Budgetstreit das Rennwochenende. Das Thema verfolgt die Formel 1 nun schon seit einigen Wochen und die Stimmung im Fahrerlager wird angespannter, feindseliger. Man kann es sehen, hören und spüren, wie sehr der Verstoss von Red Bull gegen die Kostenobergrenze die Motorsport-Königsklasse durchrüttelt und in ihren Grundfesten erschüttert.
Horner war in Austin die Hutschnur geplatzt, im Rahmen der Teamchef-Pressekonferenz schimpfte er über den von McLaren-Boss Zak Brown verfassten Brief an die FIA, in dem er Red Bull mehr oder weniger Betrug unterstellte, auch wenn er den Rennstall nicht namentlich nannte. "Es ist enorm enttäuschend, wenn dich ein Mitbewerber des Betrugs bezichtigt und dir betrügerisches Verhalten unterstellt. Das ist schockierend, absolut schockierend. Dabei kennen sie keine Fakten, keine Details, die solche Anschuldigungen rechtfertigen würden", sagte Horner.
Horner: Orchestrierte Kampagne
Der Brite bekam sich kaum noch ein, sprach von einem öffentlichen Pranger, von einer orchestrierten Kampagne und berichtete von Mitarbeitern, deren Kinder auf Spielplätzen wegen "erfundener" Anschuldigungen gemobbt würden: "Das alles hat für unsere Marke, für unsere Partner, für unsere Fahrer und für unsere Mitarbeiter enormen Schaden hinterlassen."
Brown konterte, dass er keine Teams genannt habe, der Brief sei als allgemeine Stellungnahme zur Budgetgrenze zu verstehen. "In meinem Brief steht: WENN jemand gegen das Cap verstossen hat, dann sollte das genauso behandelt werden wie eine nicht korrekte Bodenhöhe oder ein flexibler Flügel", so Brown.
Wolff hat "fast eine Träne verdrückt"
Das Verständnis für Red Bull hält sich bei der Konkurrenz in sehr engen Grenzen. Von Mercedes-Teamchef Toto Wolff kamen Seitenhiebe. "Ich habe fast eine Träne verdrücken müssen, als ich das gehört habe", kommentierte Wolff Horners Äusserungen bei Sky: "Fakt ist, dass neun von zehn Teams unter dem Cost Cap geblieben sind. Und Fakt ist, dass ein Team jetzt argumentiert, dass sie mit vermeintlichen Nicht-Performance-Themen drübergerutscht sind."
Horner betonte, man habe null Wettbewerbsvorteil gehabt und die relevanten Kosten hätten unter der Grenze gelegen. Gerüchte besagen, dass Red Bull und der Automobil-Weltverband Fia zum Beispiel darüber diskutieren, ob Gratisessen für die Mitarbeiter innerhalb oder ausserhalb der Budgetobergrenze verrechnet werden müssen.
Die Bereiche, die nicht wichtig für die Performance sind, gelten aber für alle, warf Wolff ein. Man habe auch darüber nachgedacht, wie viele Sandwiches man den Leuten geben und wie man mit verschiedenen anderen Kostenblöcken umgehen solle: "Und womit auch immer sie drüber sind, ob eine Million, zwei oder fünf, ist ein cashwerter Vorteil, den man in Entwicklung umsetzen kann. Das ist ein bisschen umgekehrte Psychologie: Wer ist hier das Opfer? Ich denke: Es sind die neun Teams."
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Klares Signal der Fia muss noch warten
Red Bulls Rivalen hoffen deshalb auf ein klares Signal der Fia. "Ich denke, dass es um die Integrität des Sports geht", sagte der siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton. Er hatte die WM 2021 mit acht Zählern Rückstand in einem kontroversen Saisonfinale an Verstappen verloren. Was Mercedes unter anderem sauer macht: Beim Qualifying zum Rennen in Brasilien 2021 war der Brite disqualifiziert worden, weil der Heckflügel damals um 0,2 Millimeter zu weit aufklappte. Ein marginaler Verstoss, der kaum Auswirkungen auf die Performance hatte, aber streng bestraft wurde.
Die kolportierten 1,8 Millionen Dollar, die Red Bull überzogen haben soll, sind zwar laut Reglement "geringfügig", laut Konkurrenz aber eben nicht. "Ich kenne das Ausmass des Verstosses nicht, aber ein bis zwei Millionen können eine WM entscheiden. Die Fia muss also eine Entscheidung treffen, die wehtut und die dem Verstoss angemessen ist", sagte Wolff in der Gazzetta dello Sport. Dass Verstappen den Titel verlieren wird, glaubt aber auch er nicht.
In Austin wurden Gespräche zwischen Fia und Red Bull geführt, auch wegen eines sogenannten "accepted Breach-Agreement" (ABA), mit dem der Rennstall eine vorgeschlagene Strafe akzeptieren würde. Tut er das nicht, könnte es bis vor das Berufungsgericht der Fia gehen und weitere Monate dauern. Vorerst sind es erst einmal nur Tage, denn wegen des Todes von Mateschitz wurden die Gespräche vertagt und sollen voraussichtlich Mitte der Woche wieder aufgenommen werden. Ergebnis offen. Sicher ist: Es bleibt emotional.
Verwendete Quellen:
- Pressekonferenzen
- TV-Übertragung Sky
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