Seit Jahren beklagen Fans der Formel 1 die Langeweile in der bedeutendsten Rennserie der Welt. Kaum Überholmanöver und am Ende gewinnt meist Mercedes. Weltmeister Lewis Hamilton schliesst sich dieser Kritik an - zumindest, was das Überholen angeht.
Der Grand Prix von England in Silverstone liess das Herz von Motorsport-Enthusiasten höher schlagen. Alleine das Duell zwischen den beiden in der WM-Wertung führenden Piloten
Hamilton schob sich rundenlang in das Heck seines Stallgefährten, um ihn schliesslich unter dem ohrenbetäubendem Jubel seiner britischen Landsleute zu überholen. Allerdings nur für ein paar Mater, dann konterte Bottas meisterlich und eroberte sich die Führung zurück.
Mercedes griff in den packenden Zweikampf in Silverstone nicht ein
Mercedes liess die Rennfahrer ein Rennen fahren, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich abschiessen würden. Genau das gefällt den Menschen, deshalb bezahlen sie viel Geld, um an der Strecke live dabei zu sein oder setzen sich am Sonntagnachmittag vor den Fernseher.
Doch nicht jeder Kurs in der Formel 1 ist so gebaut, dass aus Zuschauen Mitfiebern wird. Das stört die Fahrer genauso wie deren Fans. Lewis Hamilton, der das Heimrennen in Silverstone letztlich vor Bottas und Sebastian Vettels Ferrari-Teamkollegen Charles Leclerc gewann, fragte in einem Bericht des Fachportals "Motorsport-Total.com" in Richtung der Entscheidungsträger der Formel 1 anschliessend provokant: "Einfach ein Rennen in einem Land fahren, um dort einen Grand Prix auszutragen - oder wollt Ihr wahres Racing, so wie hier?"
Aus Vermarktungsgründen rast die Formel 1 längst auch durch die Wüste, gastiert im Nahen Osten genauso wie in Asien. 2020 wird ein Kurs in Vietnam dazukommen. Er wird gerade noch gebaut.
Seit Jahrzehnten mittlerweile entstehen Kurse am Reissbrett, was sie von Strecken wie Silverstone oder auch Hockenheim, wo am 28. Juli der nächste Grand Prix ausgetragen wird, unterscheidet.
"Zum Beispiel der alte Hockenheimring. Die Strecke ist immer noch toll, aber mit der langen Geraden war die ziemlich einzigartig", schwärmt Hamilton und erinnert sich an die Erzählungen des kürzlich verstorbenen Niki Lauda. "Dort gab es immer grossartige Rennen. Österreich, der alte Kurs, war noch grossartiger, was mir Niki so erzählt hat."
Wie mit dem Hubschrauber durchs Wohnzimmer
Was die heutige Generation der Fahrer mit jenen der Generation Lauda verbindet: von der Geschwindigkeit berauscht zu sein, von dem Gefühl fasziniert, im Wohnzimmer einen Helikopter fliegen zu müssen, wie der dreimalige Weltmeister Nelson Piquet das Fahren auf dem Stadtkurs von Monte Carlo einmal umschrieb. Und nicht zuletzt ist es die Suche nach dem Zweikampf und dem Weg vorbei am Gegner.
Die Lust am Rennsport vergällt Hamilton und seinen Kollegen zunehmend aber der Blick auf den Rennkalender. Nicht alle Strecken seien grossartig und es seien auch welche auf dem Sprung ins WM-Programm, "auf denen wir weniger gutes Racing sehen werden", so der fünfmalige Champion.
Vize-Weltmeister Bottas pflichtet seinem Teamkollegen bei. Der Finne ist "sicher, dass hauptsächlich politische Gründe und Geld hinter der Auswahl der Strecken stecken - und nicht die Frage, ob die Strecke gutes Racing bietet oder nicht". Das sei weder für Fahrer noch Zuschauer befriedigend.
Bottas wünscht sich ein Mitspracherecht der Fahrer über deren Gewerkschaft: "Als GPDA sind wir sehr gerne bereit, darüber zu diskutieren, weil wir schliesslich im Auto sitzen. Wir wissen genau, welche Art von Strecke wir brauchen für gutes Racing."
Die Gleichung ist simpel und machte die Formel 1 einst zu dem gemacht, was sie gerne wieder wäre: eine unberechenbare, gute Show.
Bewegende Worte: Lewis Hamilton nimmt Abschied von Niki Lauda
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