• Mattia Binotto und Ferrari gehen getrennte Wege, die Suche nach einem Nachfolger läuft.
  • Auf ihn wartet eine Herkulesaufgabe bei einem Team, das eingekeilt ist zwischen Tradition, Emotionen und Druck.
  • Wer tut sich den Schleudersitz in Maranello also an?

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Charles Leclerc legte den Finger noch einmal tief in die Wunde. Drei Schlüsselelemente nannte er beim Saisonfinale der Formel 1, die Ferrari 2023 verbessern müsse. "Die Zuverlässigkeit des Autos war zu einem bestimmten Zeitpunkt der Saison ein Problem, für das wir später mit Strafen bezahlt haben."

Hinzu kommt die Strategie: "Ich denke, wir haben zu einem bestimmten Zeitpunkt der Saison zu viele Fehler gemacht." Plus das mangelnde Reifenmanagement. "Wir waren nicht konstant genug bei unseren 100 Prozent", so Leclerc.

Man kann noch ergänzen: Leclerc und sein Teamkollege Carlos Sainz müssen auch ihre eigenen Fehler abstellen. Es ist in jeglicher Hinsicht eine Herkulesaufgabe, im kommenden Jahr Branchenprimus Red Bull Racing eine ganze Saison lang Paroli bieten zu können. Denn über allem steht die grosse Sehnsucht Ferraris nach dem Erfolg.

2007 holte zuletzt ein Ferrari-Fahrer den Titel, 2008 letztmals der Rennstall. Seitdem ist die Ära der Scuderia in der Motorsport-Königsklasse von Pleiten, Pech und Pannen geprägt. Und von dem immer wiederkehrenden Versuch, mit personellen Wechseln an der Spitze neue Impulse zu setzen. Jetzt wird wieder aufgeräumt: Mattia Binotto verlässt den Rennstall nach 28 Jahren, vier davon war er Teamchef. Offiziell geht er freiwillig.

Neue Führungsstruktur bei Ferrari in Planung

Gerüchten zufolge will es Ferrari jetzt mit einer neuen Führungsstruktur probieren. Wie der "Corriere dello Sport" berichtet, soll künftig ein Dreier-Gremium die Geschicke lenken. Ferraris Aufsichtsratsvorsitzender John Elkann soll eine grosse Lösung mit einem Topmanager an der Spitze sowie einem Teamchef und einem Technischen Direktor aus dem Bereich Fahrwerk/Aerodynamik im Auge haben. Aktuell hat Ferrari-Geschäftsführer Benedetto Vigna interimsweise die Geschäfte übernommen.

"Die Formel 1 ist ein unheimlich komplexer Sport", betonte Ex-Weltmeister Mika Häkkinen bei Sky Sport News: "Wenn du Erfolg haben willst, dann müssen die entscheidenden drei oder vier Posten mit extrem begabten Menschen besetzt sein. Du brauchst ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die alle ihre ganz eigenen Talente in die Waagschale legen. Ihre Fähigkeiten über einen längeren Zeitraum in Einklang zu bringen, das ist der Schlüssel zum Erfolg."

Den sucht Ferrari seit Jahren, Titel gab es trotz Top-Fahrer wie Fernando Alonso, Sebastian Vettel oder nun Leclerc aber keine.

Arbeit bei Ferrari ist sehr speziell

Denn die Arbeit bei Ferrari ist sehr speziell. Der langjährige Ferrari-Designer Aldo Costa, der 2012 zu Mercedes wechselte, beschrieb das einmal so: "Bei Ferrari bist du unter ständiger Beobachtung. Die Medien machen Druck, die Tifosi machen Druck, die Aktionäre machen Druck, der Barista macht Druck, bei dem du am Morgen einen Espresso trinkst."

Ex-Fahrer Felipe Massa nennt Ferrari eine Religion. Mit allen Vor-, aber auch Nachteilen. "Du kommst ins Team und spürst, dass du Teil von etwas bist, was ganz anders ist als alles, was du davor gekannt hast. Die Menschen lieben dich mehr, sie reden über dich. Gut und schlecht. Das bedeutet mehr Druck", sagte der Brasilianer bei Sky. Und der Druck ist bei Ferrari grundsätzlich um ein Vielfaches höher als anderswo. "Die Erwartungshaltung ist riesig. Und bei Ferrari ist alles anders, auf gute wie auf schlechte Art", so Massa.

Bei Ferrari wurde die sowieso schon komplizierte Gemengelage in den vergangenen Jahren immer wieder auch vermischt mit unfassbaren Patzern, ob nun durch seltsame bis bizarre Entscheidungen bei der Strategie, Probleme mit der Technik oder Unzulänglichkeiten im Umgang miteinander. Das hat sich gewissermassen als unerklärliche Tradition in die DNA des Rennstalls eingepflanzt. Und natürlich ist bei einem Rennstall wie Ferrari viel Politik im Spiel, garniert mit diversen Machtkämpfen hinter den Kulissen.

Wer setzt sich auf den Schleudersitz?

Wenn man die Topteams in der Motorsport-Königsklasse vergleicht, ist Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff seit 2013 bei den Silberpfeilen, und seitdem erlebte Mercedes sieben WM-Titel, Ferrari hingegen Stefano Domenicali, Marco Mattiacci, Maurizio Arrivabene, Binotto und ab 2023 dann dessen Nachfolger. Konstanz an der Spitze wie unter Jean Todt (1993 bis 2007) gehören der Vergangenheit an. Ferraris Führungsposition ist ein Schleudersitz geworden.

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Doch wer will 2023 darauf Platz nehmen? Frederic Vasseur, aktuell Teamchef bei Alfa Romeo, gilt ebenso als Kandidat wie Ferrari-Sportdirektor Laurent Mekies. In den italienischen Zeitungen wird auch Ross Brawn gehandelt. Der Brite war in der goldenen Ära Michael Schumachers bei den "Roten" Technischer Direktor in Maranello, er hört als Sportchef der Formel 1 zum Jahresende auf und will sich eigentlich auf sein Sofa zurückziehen. Doch natürlich taucht sein Name fast schon automatisch auf. Denn über allem steht immer die grosse Sehnsucht Ferraris nach dem Erfolg.

Verwendete Quellen:

  • TV-Übertragung Sky
  • Pressekonferenzen
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