In den ersten Monaten der Saison fuhr Fernando Alonso mit Aston Martin noch um Podestplätze. Inzwischen ist der Rennstall aber böse abgestürzt und nur noch fünfte Kraft in der Formel 1. Wie lange hält Alonso noch still?

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Fernando Alonso ist für klare Kante bekannt. Der Spanier weiss, was er wann und wie sagen muss, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Er gilt als gewieftester Politiker unter den Formel-1-Fahrern, der Dinge immer mit einer konkreten Intention hinterlegt. So wie jetzt auch. Man kann es als eine Art Weckruf verstehen, denn das einstige Überraschungsteam Aston Martin ist längst böse abgestürzt. Der Rennstall befindet sich seit Monaten in einer nicht enden wollenden Formkrise.

Alonso, der dafür bekannt ist, das Maximum aus einem Auto herausholen zu können, fuhr in den letzten sechs Rennen plus zwei Sprints zusammen nur 15 Punkte ein. In den letzten beiden Rennen in den USA und Mexiko gab es zwei "Nuller". Sein Teamkollege Lance Stroll, in der Regel eine halbe Sekunde langsamer als Alonso, kommt im selben Zeitraum auf gerade einmal sechs Zähler. Macht zusammen 21 Punkte. Zum Vergleich: Die Überflieger von McLaren, ein direkter Aston-Martin-Konkurrent, sammelten in der Zeit 145 Zähler.

Nur noch fünfte Kraft im Feld

Bedeutet für Aston Martin: Das Erfolgsteam der ersten Saisonhälfte ist von der zweiten Kraft im Feld auf Platz fünf abgerutscht, man liegt nun nicht nur hinter Primus Red Bull Racing, sondern ist inzwischen auch regelmässig langsamer als Mercedes, Ferrari und McLaren. Ging es für Alonso lange um Podiumsplätze – der letzte gelang Ende August in Zandvoort – sind nun Punkte das höchste der Gefühle.

Deshalb versucht der Spanier, sein Team anzutreiben. Denn Stillstand ist in der Formel 1 Rückschritt. "Es ist hart, aber es ist keine Beerdigung", sagte Alonso nach dem jüngsten Rennen in Mexiko, bei dem er wegen eines Schadens am Auto vorzeitig aufgeben musste. "Wir arbeiten so hart wir können. Es ist nicht so, dass wir mit dieser Situation zufrieden sind. Manchmal lernt man aus schwierigen Zeiten mehr als aus Feiern. Aktuell durchleben wir eine schwierige Zeit, aber wir testen so viel wie möglich und holen so viel Feedback wie möglich für die Fabrik in Silverstone ein", so Alonso. "Und hoffentlich beenden wir die Saison auf einem Hoch, nicht auf einem Tief."

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Orientierungslosigkeit und Ahnungslosigkeit

Dafür wird im Moment wild herumprobiert. Aston Martin testete immer wieder neue Updates, die aber nicht den gewünschten Effekt brachten. In Mexiko baute man ein Auto auf eine alte Spezifikation zurück, das andere blieb bei den Updates, um Vergleichswerte zu erhalten. Es wirkt inzwischen wie eine Mischung aus Verzweiflung, Ahnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit, was Aston Martin mit den beiden Autos fabriziert.

Vor allem sorgt es dafür, dass die Ergebnisse ausbleiben und die Krise die starken Auftritte vom Saisonbeginn langsam, aber sicher übertüncht. Was zudem die Frage aufwirft, in welche Richtung es für Aston Martin 2024 gehen wird. Denn späte Updates haben immer auch Auswirkungen auf die kommende Saison, positiv wie negativ.

Von einer Orientierungslosigkeit will Teamchef Mike Krack aber nichts hören. "Wenn man orientierungslos ist, versucht man einfach sein Glück und macht nichts Vernünftiges. Das ist nicht der Fall", sagte Krack in Mexiko. "Wir haben sehr fokussierte Diskussionen mit unseren Ingenieuren und wiegen die verschiedenen Optionen miteinander ab. Manchmal müssen wir diese problematischen Entscheidungen treffen. Das ist nicht immer einfach, aber es ist meiner Meinung nach der richtige Weg für die Zukunft."

Wobei nicht klar ist, mit welcher Spezifikation man am kommenden Rennwochenende in Brasilien fährt. Das Team erweckt den Eindruck, als tappe es im Dunkeln. "Ihr [die Medien] drängt uns gerne in die Richtung, orientierungslos zu sein, ich kann aber ehrlich sagen, dass wir das nicht sind. Wir analysieren unsere Daten und versuchen, die richtigen Lösungen daraus zu ziehen", so Krack.

Aston Martin kämpft "um gar nichts"

Klar sein dürfte es aber, dass es für Alonso in der Fahrer-WM noch weiter zurückgehen wird. Er schielte lange auf WM-Platz zwei, ist mit 183 Punkten aber nur noch Fünfter. Hinter ihm lauern Lando Norris (169/McLaren), Charles Leclerc (166/Ferrari) und Mercedes-Mann George Russell (151). "In der Fahrer-WM werden wir noch ein paar Positionen verlieren. Sie alle haben ein schnelles Auto. Schauen wir mal, was wir noch tun können", so Alonso.

Beim kommenden GP in Brasilien wird es aber auch darum gehen, Erkenntnisse für die Zukunft zu sammeln, um für die Saison 2024 wieder in die richtige Spur zu finden. "Um ehrlich zu sein, wir kämpfen um gar nichts. Wir werden lernen, und selbst wenn wir wieder aus der Boxengasse starten müssen, ist das nützlicher, als wenn wir einfach das Wochenende bestreiten", so Alonso.

Krack ist froh, dass Alonso sich im Moment so einbringt. War er anfangs das Gesicht des Erfolgs, ist er nun derjenige, der hinter den Kulissen das Team antreibt. "Fernando macht zwar Druck, aber auf eine sehr positive Art. Er ist einer unseren grössten Motivatoren", sagte Krack. Trotzdem findet es Sky-Experte Ralf Schumacher interessant, "wie lange Fernando Alonso noch stillhält. Er ist für seinen Ehrgeiz bekannt, der schnell in schlechte Stimmung ausufern kann, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er sich das vorstellt", sagte er bei Sport1. Denn Alonso ist Alonso - einer der gewieftesten Politiker der Formel 1.

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