Ferrari ist in Sotschi auf dem Weg zu einem Doppelsieg. Letzten Endes aber siegen die Mercedes-Piloten. Leclerc wird Dritter, schimpft erst über Vettel und rudert dann zurück.
Ferrari hat in Sotschi die grosse Chance vergeben, in der Formel-1-WM seinen vierten Sieg nacheinander zu feiern und die Spannung im Kampf um den Fahrertitel zu erhöhen.
Dies lag einerseits am Versagen von Sebastian Vettels Auto, das bis zur 28. Rennrunde hervorragend funktioniert hatte. Andererseits führte Ferrari vor den Augen der Fans vor Ort und vor den Bildschirmen daheim ein Lehrstück in Sachen verfehlter Rennstrategie auf. Der grosse Titelkonkurrent Mercedes bedankte sich mit einem Doppelsieg durch Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. Charles Leclerc wurde im Ferrari Dritter.
Ferrari feiert in Sotschi einen Traumstart
Die Scuderia hatte das Rennen am Reissbrett mit einem anderen Ausgang vorgeplant:
Vettel raste an
Leclerc aber begann in sehr bestimmendem Ton, Vettel über Funk daran zu erinnern, dessen Teil der Absprache einzuhalten: Leclerc Position eins zurückzugeben. "Ich habe alles respektiert, aber wir sprechen später darüber."
Vettel wiederum forderte, Leclerc müsse dazu den Abstand zwischen beiden verringern. Andernfalls würde durch Zeitverlust der schöne Vorteil gegenüber Mercedes vernichtet. Doch nicht nur die konnten Vettel nur schwer folgen. Auch Leclerc kam Vettel nicht näher.
Ferrari greift in den Zweikampf zwischen Vettel und Leclerc ein
So löste Ferrari das Problem später an der Box, holte Leclerc vor Vettel herein. Der 32-Jährige hatte über Funk bereits rundenlang auf seine abbauenden Reifen hingewiesen, die es ihm unmöglich machten, sein Zeit-Polster auf Leclerc und Hamilton zu verteidigen.
"Wir müssen uns vertrauen, das ist wichtig für das Team, sagte Leclerc nach dem Rennen. Der 21-Jährige aus Monaco sah bei sich selbst keine Fehler. Aber auch Vettel war sich keiner Schuld bewusst und gab an, nur nach den Absprachen gehandelt zu haben. Teamchef Mattia Binotto analysierte nüchtern: "Wir haben den Sieg abgegeben aufgrund eines Zuverlässigkeitsproblems."
Mit dieser simplen Erklärung liess Leclerc seinen Boss aber nicht davonkommen. "Wir hatten die Chance, dass es besser wird", sagte der Neuzugang von Sauber und ergänzte zum Verhältnis mit Vettel versöhnlich: "Das Vertrauen zwischen uns ist weiter da, das brauchen wir auch."
Binotto sitzt trotzdem auf einem Pulverfass. Die teaminterne Kontroverse zwischen dem erfahrenen Routinier, der seine Pfründe zu verteidigen versucht und dem jugendlichen Draufgänger, der unbedingt beweisen will, das Zeug zum kommenden Ferrari-Weltmeister zu besitzen, scheint nur notdürftig gekittet.
Spätestens seit Monza brodelt es bei Ferrari
Denn das Chaos aus Absprachen und ihrem gegenseitigen Nichteinhalten ist bei Ferrari eine Fortsetzungsgeschichte: In Singapur hatte ein Boxenstopp Vettel im Teamduell begünstigt und ihm den Weg zum ersten Triumph nach über einem Jahr geebnet. Leclerc fühlte sich sich benachteiligt.
Im Heimrennen davor in Monza vermisste Vettel im Kampf um die Pole Position den versprochenen Windschatten seines Teamgefährten: "Ich dachte, dass wir intern eine bessere Art und Weise hätten, wie wir das kommunizieren", beschwerte sich der viermalige Weltmeister damals. "Ich war derjenige, der im ersten Versuch vorn allein gefahren ist. Und ich hätte nicht vorn sein sollen im zweiten Versuch. Die Strategie war, dass ich im ersten Versuch vorn bin und Windschatten gebe und im zweiten Windschatten bekomme." Leclerc stand auf Pole und siegte. Vettel fuhr von Rang vier aus nur als 13. durchs Ziel.
Auf die Vorkommnisse in Monza und Singapur folgte in Sotschi nun das nächste Manöver, das mehr Mercedes nutzte und das es seitens der Scuderia zu erklären galt.
Für die Öffentlichkeit gab Leclerc nach dem Rennen das beruhigte Gemüt und schlug versöhnlichere Töne als während der Auseinandersetzung an. Er spielte die Situation zu Rennbeginn, als Vettel den besprochenen Platztausch verweigerte, als "ziemlich knifflig" herunter, vermied aber - wie auch Vettel - weitere verbale Attacken.
"Ich hatte absolut keinen Grund, zu kämpfen", schilderte Leclerc bei Motorsport-Total.com die Anfangsphase des Grand Prix und ergänzte: "Wie gesagt: Ich habe komplett darauf vertraut, dass wir danach wieder zurücktauschen." Insofern sei das Vertrauen zu Vettel auch "noch da."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.