Sebastian Vettel findet sich in seinem letzten Ferrari-Jahr plötzlich im Niemandsland der Formel 1 wieder. Mit seinem Auto scheint er gar nicht mehr zurechtzukommen. Was bedeutet das für seine Zukunft?

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Vom Selbstvertrauen seiner Weltmeistertage ist bei Sebastian Vettel nichts mehr übrig. "Wie es gerade läuft, kommen wir nicht weiter. Irgendwo ist da grundlegend etwas faul, entweder bei mir oder beim Auto", sagte der ratlose Ferrari-Fahrer nach seinem Katastrophenstart in die Formel-1-Saison.

Seit 2008, als er in den ersten vier Rennen gar nicht ins Ziel kam, hat der Heppenheimer keine Saison so schlecht begonnen. Zehn WM-Punkte aus vier Rennen, kein Podest, keine Chance auf Siege - 2020 ist ein totales Desaster.

Vettel droht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden

Und so droht sich der 33-Jährige in der Bedeutungslosigkeit von seinem Kindheitstraum verabschieden zu müssen. Weltmeister wollte er mit Ferrari werden, wie sein Idol Michael Schumacher.

Schon zu Beginn seiner letzten Saison mit der Scuderia ist klar: Das wird auch im sechsten Versuch nicht gelingen, ehe er Ende 2020 bei den Italienern geht. In Silverstone reichte es am Sonntag als Zehnter nur für einen WM-Punkt, weil den Gegnern die Reifen platzten. In der Gesamtwertung ist er als 13. abgeschlagen. Lewis Hamilton rast nach dem dritten Sieg im Mercedes schon wieder unaufhaltsam dem Titel entgegen.

Bei einer Wandertour fernab des Trubels will Vettel auf andere Gedanken kommen, ehe am Sonntag in Silverstone erneut gefahren wird. "Ich bekomme kein Gefühl für das Auto. Jedes Mal, wenn ich etwas versuche und attackieren will, verliere ich den Wagen", sagte der Hesse.

Der viermalige Weltmeister und der SF1000 - das passt einfach nicht zusammen. Während es Teamkollege Charles Leclerc - wenn auch mit viel Glück - schon zweimal aufs Podest schaffte, heisst Vettels Realität: Positionskämpfe im Mittelfeld gegen die Hinterbänkler. Dabei versicherte er: "Ich habe alles probiert, was ich kann."

Rennstall muss Platz drei verteidigen, statt auf Sieg zu fahren

Italiens Sporttageszeitung "Gazzetta dello Sport" sieht den 53-maligen Grand-Prix-Sieger "nie wirklich im Rennen" und schreibt am Montag von einem "Desaster". Vettel hält sich trotzdem mit Kritik an seinem Rennstall zurück und sucht Wege aus der Krise.

"Wir sind hinter Red Bull und Mercedes, aber wir sind nah an den anderen", sagte Teamchef Mattia Binotto. Doch das kann nicht der Anspruch des stolzen Rennstalls aus Maranello sein.

Anstatt endlich wieder um die Titel zu kämpfen, muss Platz drei verteidigt werden. "Wir optimieren unser Paket", sagte Binotto. Doch das machen sie schon viel zu lange, ohne dass merkliche und dauerhafte Schritte nach vorne gelingen.

Fraglich ist, ob die vielen Rückschläge und Enttäuschungen Vettel nicht die Lust auf eine Fortsetzung seiner Karriere nehmen. "Ich werde nicht bleiben, nur um sagen zu können, dass ich Formel-1-Fahrer bin. Und wenn ich nur Geld verdienen wollen würde, hätte ich längst einen Vertrag unterschrieben", sagte er vor dem Rennen in England.

Spekulationen um Vettels Zukunft

Die Spekulationen um seine Zukunft halten an. Ein Wechsel zu Racing Point, das 2021 das neue Werksteam von Aston Martin wird, gilt als wahrscheinlichste Variante.

"Nichts ist entschieden", sagte Vettel in den vergangenen Tagen aber immer wieder. Und während bei anderen Piloten Berater und viele Personen im Hintergrund mitreden und mitverdienen, zählt beim dreifachen Familienvater nur eine Meinung: Seine eigene. "Ich habe kein Problem damit, mir mal Rat zu holen", sagte er. Doch er selbst müsse mit seiner Entscheidung leben können.

Einen Grund zur Eile sieht Vettel nicht. So scheint es weiter gut vorstellbar, dass er seine Laufbahn ohne Titel Nummer fünf beendet. Sieben Jahre ist es nun schon her, dass er mit Red Bull ganz oben stand.

Neun Rennen in Serie gewann der einstige Dominator 2013 hintereinander und verneigte sich vor seinem Wagen. Wenn Vettel nun über sein Dienstfahrzeug spricht, klingt das ganz anders. "Ich fühle mich überhaupt nicht wohl", sagte er. Angriffe auf die Konkurrenz seien einfach nicht möglich: "Es geht nur ums Verteidigen." (dpa/Thomas Wolfer/ank)

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