• Beim WM-Finale in Abu Dhabi verloren Lewis Hamilton und Mercedes den Titel auf den letzten Metern.
  • Hamilton erinnert sich immer noch an die Gefühle, die er damals durchlebte.
  • Teamchef Toto Wolff gibt zu, dass er weiterhin jeden Tag an das Finale denkt.

Mehr Formel-1-Themen finden Sie hier

Toto Wolff hatte es angekündigt. Im Dezember, wenige Tage nach dem kontroversen WM-Finale in Abu Dhabi, prophezeite der Mercedes-Teamchef, dass er und Lewis Hamilton "nie darüber hinwegkommen". Denn der Verlust des sicher geglaubten WM-Titels an Max Verstappen hatte damals eine tiefe Wunde hinterlassen. Und es gibt Erlebnisse im Leben, die nie wirklich verblassen. Die immer irgendwie schmerzen, die allgegenwärtig sind. Wie dieses WM-Finale bei Wolff und Hamilton, das beide noch nicht hinter sich lassen können.

"Ich denke jeden Tag darüber nach", sagte Wolff "motorsport.com". Und das gute acht Monate später. Doch es ist ein anderes Nachdenken, denn er habe seinen Frieden damit gemacht, dass Verstappen den Titel gewonnen habe, so der Österreicher, "denn er ist ein verdienter Champion."

Sportliche Fairness "mit Füssen getreten"

Trotzdem haben die Abläufe, die Safety-Car-Phase, die regelwidrige Freigabe des Rennens mit der allerletzten, finalen Runde, ihre Spuren hinterlassen. "Wie auch immer es ausgegangen ist, ich glaube, ich habe Werte, die mit Fairness zu tun haben, vor allem mit sportlicher Fairness. Das ist es, was meine grundlegende Liebe für den Sport ausmacht. Und das wurde an diesem Tag mit den Füssen getreten", sagte Wolff.

Der Automobil-Weltverband FIA hatte im Anschluss reagiert, eine Untersuchung eingeleitet und Rennleiter Michael Masi abgesetzt. Der Australier hat sich inzwischen komplett von der FIA verabschiedet, er hatte nach dem Finale Morddrohungen erhalten. Wolff setzt für die Zukunft seine Hoffnungen in den neuen FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem. "Das Hauptziel, transparent zu sein, eine gute Führung und einen guten Rahmen zu bieten, ist das, was ich sehe", so Wolff: "Wird es Stolpersteine auf dem Weg geben, weil die Organisation von Mohammed an ihren Platz kommen und jeder seine Rolle finden muss? Ja, ganz sicher. Aber ich bin zufrieden damit, wie es läuft."

Auch bei Hamilton sind die Gedanken an die letzten Minuten dieses denkwürdigen Tages immer noch lebendig, wie er der "Vanity Fair" verriet. "Meine schlimmsten Ängste sind wahr geworden", sagte er. Er habe während der Schlussphase des Rennens sehen können, wie sich die Dinge entwickelten. "Und ich dachte mir: Es kann nicht sein, dass sie mich um den Titel betrügen. Das geht nicht. Das wird nicht passieren. Ganz sicher nicht", so der Mercedes-Pilot. Auch bei ihm gab es zu dem Zeitpunkt noch das Urvertrauen in den Weltverband, das Reglement und die handelnden Personen.

Bis der Alptraum wahr wurde, er in der letzten Runde auf alten Reifen von Verstappen förmlich aufgefressen wurde. "Ich weiss nicht, ob ich wirklich sagen kann, was ich in diesem Moment für Gefühle hatte", sagte Hamilton. Während Verstappen ausgelassen seinen ersten Titel feierte, sass Hamilton in seinem Silberpfeil und verstand die Welt nicht mehr. Und versuchte, das Unfassbare zu greifen und zu verarbeiten.

"Ich hatte keine Kraft"

"Und dann habe ich realisiert, dass ich meine Gurte lösen und raus muss, raus aus dieser ganzen Sache. Ich musste die Kraft dafür finden. Aber ich hatte keine Kraft. Das war einer der schwersten Momente, die ich seit langer Zeit hatte", so Hamilton. Hat er sich betrogen gefühlt? "Ich wusste, was passiert war. Ich wusste, welche Entscheidungen getroffen wurden und warum sie getroffen wurden. Ja, ich wusste, dass etwas nicht richtig war."

Letzten Endes hat Abu Dhabi Wolff und Hamilton weiter zusammengeschweisst, hat bei Mercedes für eine Jetzt-erst-Recht-Mentalität gesorgt. Bis 2023 läuft der Vertrag von Hamilton. Hatte der 37-Jährige im Winter noch über einen Rücktritt nachgedacht, hört sich inzwischen alles nach einer Vertragsverlängerung an.

Auch wenn Mercedes in diesem Jahr im Titelkampf gegen Red Bull Racing und Ferrari keine grosse Rolle spielt. Oder gerade deshalb. "Wir können das in Ordnung bringen", sagte Hamilton. "Es wird länger dauern. Es wird ein schmerzhaftes Jahr werden, das wir gemeinsam durchstehen müssen - mit der Überzeugung, dass wir es irgendwann im Laufe des Jahres oder im schlimmsten Fall zumindest im nächsten Jahr korrigieren können."

Achter Titel ist nicht der entscheidende Faktor

Er fühle sich immer noch frisch und jung, auch wenn er mit all diesen jungen Leuten zusammen sei, so der Brite, der weiterhin seinen achten WM-Titel jagt, mit dem er Legende Michael Schumacher überflügeln würde. "Ich glaube nicht, dass das der entscheidende Faktor sein wird, ob ich weitermache oder nicht. Ich habe vor, hier zu bleiben", so Hamilton.

Und wie lange? "Ich habe mich mit Lewis vor ein paar Wochen darüber unterhalten, wie lange unsere Partnerschaft noch weitergehen könnte. Und der Bereich, über den wir geredet haben, war zwischen fünf und zehn Jahren", bestätigt Wolff. Also mindestens bis 2028. Genug Gelegenheiten, um Abu Dhabi vielleicht doch endgültig hinter sich zu lassen.

Verwendete Quellen:

  • Vanity Fair: Lewis Hamilton: The F1 Superstar on Racism, His Future, and the Shocker That Cost Him a Championship
  • Motorsport.com: Wolff still thinks about 2021 Abu Dhabi GP "every day"
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.

Formel 1: Mercedes verzichtet auf Berufung - Verstappen bleibt Weltmeister

Lewis Hamiltons Mercedes-Team verzichtet nach dem umstrittenen Formel-1-Finale nun doch auf eine Berufung, Max Verstappens erster Weltmeistertitel gerät damit nicht mehr in Gefahr. Wie die Silberpfeile am Donnerstag mitteilten, werden sie nicht mehr gegen das Ergebnis des letzten Saisonrennens in Abu Dhabi vorgehen. © ProSiebenSat.1
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.