Der französische Fünftligist US Thionville muss im Pokal bei Hienghène Sport ran. Das liegt in Neukaledonien im Südpazifik und ist 25 Flugstunden entfernt. Doch warum unternimmt ein Amateurklub eine völlig verrückte Weltreise für ein einziges Spiel?

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Julien Francois überlässt nichts dem Zufall. Auch wenn die Aufgabe für einen Amateurverein eine unglaubliche ist. Denn der Fünftligist US Thionville tritt in der siebten Runde des französischen Pokals bei Hienghène Sport an. Das liegt in Neukaledonien - eine zu Frankreich gehörende Inselgruppe im Südpazifik. Und mal eben 16.315 Kilometer von der Heimat entfernt. One Way. Oder 25 Flugstunden. "Das wird kein Urlaub – wir wollen in die nächste Runde", sagte Francois der Zeitung "Le Republicain Lorrain".

Damit das klappt, hat sich der Klub intensiv auf die ungewöhnliche Reise vorbereitet. Los ging es bereits am Montag, 16 Feldspieler und zwei Torhüter hatten sich mit dem Zug auf den Weg nach Paris gemacht, von wo es mit dem Flugzeug nach Singapur und weiter nach Nouméa, der Hauptstadt Neukaledoniens, ging. Am Mittwoch stand bereits das erste Training vor Ort an, um den Jetlag so schnell wie möglich zu überwinden, denn das Spiel findet am Samstagnachmittag Ortszeit statt, was aufgrund der Zeitverschiebung fünf Uhr morgens französischer Zeit ist.

Eine schnelle Akklimatisierung ist daher essenziell. Mit dem Hotel sind die Essenszeiten auf das Training abgestimmt, der Trainingsplatz ist fünf Minuten weg, das Stadion nur 15 Minuten. Gute Bedingungen für eine zielgerichtete Vorbereitung also.

Spitzenklub in Neukaledonien

Und natürlich weiss Francois alles über den Gegner. "Ich habe mir viel über diese Mannschaft angeschaut", verrät er. "Sie ist fast 17.000 Kilometer entfernt und trotzdem kenne ich sie besser als einige der Mannschaften, gegen die wir in den vorherigen Runden gespielt haben." Hienghène Sport hat 2019 die ozeanische Champions League gewonnen und an der Fifa-Klub-WM teilgenommen, national wurde der Klub 2017, 2019 und 2021 Meister, in diesem Jahr Dritter. Das Team spielt erstmals in der siebten Runde des Pokals, und das auch noch vor eigenem Publikum.

"Normalerweise werden Spiele in Frankreich ausgetragen. Mit komplizierten Wetterbedingungen für uns. Die Tatsache, hier in Neukaledonien zu spielen, ist für uns bereits ein Sieg", sagte Präsident Karl Fisdiepas bei "FranceTV". "Wir werden unsere Chancen so gut wie möglich verteidigen."

Für den Gegner ist es ein riesiger Aufwand für maximal 120 Minuten Fussball und ein eventuelles Elfmeterschiessen. Francois betont trotzdem, dass es "eine einzigartige Erfahrung" sei und natürlich werde man den Ort geniessen und dafür sorgen, dass man eine angenehme Zeit miteinander verbringe. "Aber die Priorität bleibt die Suche nach Leistung", sagte Francois. "Seitdem ich diese Mannschaft übernommen habe, ist das das Einzige, was mich interessiert."

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Den nächsten Aufstieg im Blick

Im Moment läuft es bei dem Klub, bei dem Francois seit Mitte 2021 Trainer ist. Der in der Nähe des Saarlandes beheimatete Verein wurde 1905 als FC Diedenhofen gegründet, und 1943 spielte sogar der spätere Weltmeister Fritz Walter dort. In der vergangenen Saison gelang der Aufstieg in die National 3, die fünfte Liga in Frankreich. Dort ist man nach acht Spieltagen ungeschlagen Tabellenführer und hat den nächsten Aufstieg im Blick. Im Pokal ist Halbzeit: Nach Runde sieben stehen sieben weitere an, das Finale am 29. April inklusive. Es ist also noch ein weiter Weg, nicht nur zum Spiel, sondern auch im Wettbewerb selbst.

Doch warum macht ein Klub wie Thionville überhaupt so eine Weltreise? Das geschieht freiwillig und ist dem Pokal-System in Frankreich geschuldet, denn seit 1961 nehmen auch die Übersee-Departements am Coupe de France teil. Mögliche Reiseziele wären daher auch Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique oder Tahiti gewesen.

Klubs wie Thionville müssen sich vor der Auslosung bereit erklären, diesen Trip im Fall der Fälle auf sich zu nehmen. Die Kosten für Flug und Unterkunft trägt allerdings der Verband. Funfact: Den Weltrekord für ein nationales Pflichtspiel hat Thionville durch die Reise nicht inne, die Bestmarke gehört dem FC Trélissac, der 2014 ebenfalls in Neukaledonien spielte. Allerdings 17.142 Kilometer von zu Hause entfernt.

"Das kann die Gruppe nur vereinen"

Klar ist: Bei solchen Reisen müssen bei einem Amateurklub natürlich auch andere Dinge passen. "Zum Glück haben alle Arbeitgeber mitgespielt und den Spielern freigegeben", sagte Klubchef Francois Ventrici. Doch was ist mit der wichtigsten Aufgabe? Dem grossen Ziel Aufstieg? Dass diese Reise den erfolgreichen Rhythmus empfindlich unterbrechen könnte, glaubt Ventrici nicht: "Ich ziehe es vor, das Glas halbvoll zu sehen", sagte er: "Eine solche Erfahrung zu machen, kann eine Gruppe nur vereinen. Das ist ungewöhnlich und kommt in einer Karriere nicht zweimal vor."

Die Rückkehr aus Neukaledonien ist für den kommenden Mittwoch geplant. Vier Tage später steht das Auswärtsspiel bei der zweiten Mannschaft von ES Troyes AC an. Das ist zwar nur 250 Kilometer entfernt. Trotzdem wird Francois auch dann nichts dem Zufall überlassen.

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