Hamburg? Stuttgart? Hannover? Nürnberg? Bielefeld! Nicht das vermeintliche Top-Quartett drückte der Hinserie der zweiten Liga seinen Stempel auf, sondern Herbstmeister Arminia Bielefeld. Aber was macht den Underdog so stark in dieser Saison?
Uwe Neuhaus auf den Spuren von
Sieben Spiele in Folge hatte Arminia Bielefeld in der Hinrunde der Zweiliga-Saison gewonnen, Guardiola schaffte das mit dem FC Bayern sogar einst zehn Mal in Folge. Da lagen die Vergleiche natürlich auf der Hand.
Mit dem Guardiola-Bayern-Rekord ist es für Bielefeld zwar nichts geworden, aber Platz eins und die Herbstmeisterschaft als Zwischenbilanz sind so schlecht nun auch nicht für die Ostwestfalen.
Die hatten vor der Saison wohl nur die wenigsten Experten als ernsthafte Aufstiegsaspiranten auf dem Zettel, nach etwas mehr als der Hälfte der Saison dürfte aber feststehen: Mit der Arminia ist zu rechnen. Aber woran liegt das erstaunliche Hoch der Arminen? Eine Bestandsaufnahme.
Der Trainer
Mit Uwe Neuhaus kam der Erfolg nach Bielefeld. Vor ziemlich genau einem Jahr wurde Neuhaus installiert, seitdem rettete er die Arminia nicht nur souverän vor dem erneuten Abstieg in die dritte Liga, sondern formte aus einer vermeintlich farblosen Mannschaft ein Team der Spitzenklasse in der zweiten Liga.
Neuhaus geht dabei sehr pragmatisch vor, ohne sein Faible für leidenschaftlichen Offensivfussball zu verlieren. Das offensive 4-3-3 ist Gesetz, anders als andere Trainer vertraut Neuhaus dieser einen gelernten Grundordnung als Basis und verzichtet auf zu viele Umstellungen und Schnickschnack.
Von 38 Pflichtspielen hat Bielefeld unter Neuhaus erst sieben verloren, der Punkteschnitt von 1,87 ist der beste seiner Trainerkarriere. Neuhaus imponiert mit seiner verbindlichen und unaufgeregten Art in einem verrückt gewordenen Geschäft.
Und er weiss, wie man aufsteigt: Mit Rot-Weiss Essen, Dynamo Dresden und Union Berlin schaffte Neuhaus jeweils den Sprung in die zweite Liga. Der Aufstieg mit Bielefeld in die Bundesliga wäre sein Meisterstück - und die Erfüllung eines Traums: Neuhaus selbst hat als Cheftrainer noch nie in der Bundesliga gearbeitet.
Die Offensive
Fabian Klos: 13 Tore, fünf Assists. Andreas Voglsammer: Neun Tore, fünf Assists. Arminias Angriffsduo lehrt der zweiten Liga das Fürchten. Klos führt sowohl die Torjäger- als auch die Scorerliste an, Voglsammer folgt auf Platz fünf beziehungsweise drei.
Knapp zwei Drittel der 35 Bielefelder Tore geht auf das Konto der beiden Sturmkanten, die mit ihrer Wucht und Präzision beeindrucken und auch die nötige Effizienz an den Tag legen. Überhaupt sind 35 Tore nach 18 Spieltagen der zweitbeste Wert der Liga hinter dem HSV (36 Tore).
Die Transferpolitik
Klos und Voglsammer sind schon eine Weile in Bielefeld, das Gros der restlichen Mannschaft auch. Der Stamm kennt sich und ist eingespielt, die wenigen Zugänge vor der Saison ergänzen den Kader bisher absolut perfekt.
Viel hat die Arminia auf dem Transfermarkt nicht unternommen, lediglich punktuell zugeschlagen und dafür die Lächerlichkeit von nur rund 700.000 Euro ausgegeben. Aber Joakim Nilsson (Innenverteidigung), Marcel Hartel (offensives Mittelfeld) und Cebio Soukou (Angriff) haben voll eingeschlagen.
Nilsson ist Abwehrchef und Meinungsführer in einem, Hartel der Spieler für die kreativen Momente und die Standards und Soukou der wichtige zwölfte Mann, eine Dampfwalze, die zumeist von der Bank ins Spiel geworfen wird.
Mit einem Low-Budget-Konzept sowie dem glücklichen Transfer-Händchen von Sport-Geschäftsführer Samir Arabi hat es Bielefeld an die Spitze der Liga geschafft.
Die Auswärtsstärke
Man mag es kaum glauben, aber die Arminia hat tatsächlich einen kleinen Heimkomplex: Auf der Alm gab es aus acht Spielen bisher erst zwei Siege und insgesamt wenig meisterliche elf Punkte.
In der Fremde ist Bielefeld aber eine Klasse für sich. Trotz der beiden Rückschläge zuletzt in Heidenheim (0:0) und auf St. Pauli (0:3) und des damit verpassten Rekords im deutschen Fussball führt die Mannschaft die Auswärtstabelle mit grossem Vorsprung an. 23 Zähler aus zehn Spielen sind enorm und der Garant für das aktuelle Hoch der Mannschaft.
Die Mentalität
Sie kommen immer wieder zurück. Acht mal hat Bielefeld in dieser Saison bereits zurückgelegen, nur beim 0:1 gegen Stuttgart und eben jenem 0:3 auf St. Pauli setzte es am Ende auch eine Niederlage.
Wobei der VfB damals erst in der zweiten Minute der Nachspielzeit gegen nur noch zehn Arminen getroffen hatte. Ansonsten punktete die Mannschaft trotz Rückschlägen regelmässig – ein grosser Unterschied zu den Kontrahenten im Aufstiegsrennen.
Das Umfeld
Es ist noch nicht so lange her, da war Bielefeld eine der Skandalnudeln im deutschen Fussball. Zwei Abstiege in die dritte Liga, dauerhafte Lizenzprobleme, ein Finanzloch von fast 30 Millionen Euro, zweifelhafte Geschäftsführer und Vorstände sowie der Trainerstuhl als Schleudersitz waren die Markenzeichen der Arminia.
Mittlerweile hat sich der Klub fast saniert, das "Bündnis Ostwestfalen" mit Branchenriesen wie Oetker, Gauselmann oder Schüco hat der Arminia unter die Arme gegriffen, dazu wurde das Stadion verkauft und ein paar der Gläubiger verzichteten auf ihre Forderungen.
Um fast 27 Millionen Euro wurde der Schuldenberg deshalb fast auf Null geschrumpft. Das freigewordene Kapital wird seitdem in die Mannschaft und die Infrastruktur investiert.
Die Konkurrenz
Bielefelds starke Saison ist das eine, die schwächelnde Konkurrenz das andere. Die Arminia hat nach 18 Spieltagen 34 Punkte gesammelt und damit drei mehr als der HSV und Stuttgart.
So "schwach" war ein Spitzenreiter zu diesem Zeitpunkt der Saison in den letzten fünf Jahren nur einmal. Vor zwei Jahren führte Fortuna Düsseldorf die Tabelle ebenfalls mit 34 Punkten an.
In den anderen Spielzeiten hätte Bielefelds Ausbeute nicht für einen direkten Aufstiegsplatz gereicht. Erst die Probleme der Mannschaften aus Hamburg und Stuttgart lassen Bielefelds Vormarsch so strahlend erscheinen.
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