Seitdem der HSV im Jahre 2018 aus der Bundesliga abgestiegen ist, visiert der Verein den Wiederaufstieg an. Ob das mit dem neuen Trainer Steffen Baumgart gelingen wird? Die Experten kommen zu einem einheitlichen Urteil.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Steffen Baumgart soll das schaffen, was viele nicht vollbracht haben. Sechs Trainer wollten mit dem Hamburger SV bereits den Aufstieg realisieren, sind jedoch gescheitert oder wurden vorab entlassen.

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Ihre Namen lauten Christian Titz, Hannes Wolf, Dieter Hecking, Daniel Thioune, Horst Hrubesch und Tim Walter. Steffen Baumgart ist nun der siebte Trainer seit dem Abstieg 2018, der den Traditionsverein zurück in das Fussball-Oberhaus führen soll.

Baumgart ist seit seiner Kindheit HSV-Fan

Baumgart spielte in seiner aktiven Zeit zwar nie für den HSV, verspürt aber trotzdem eine grosse Verbundenheit zum Verein. "Ich habe schon öfter betont, dass das für mich ein besonderer Verein ist", sagt er und fügt einen markanten Satz hinzu: "Wenn du dich als Kind einmal entschieden hast, dann wechselst du öfter die Frau als den Verein." Ein beachtlicher Satz für einen Mann, der seit 1997 verheiratet ist.

"Er ist ein Trainer, der sehr viel Leidenschaft mitbringt und einen sehr aktiven Fussball spielen lässt", sagt Jonas Boldt, der Sportvorstand des HSV. "Wir werden nicht eine 180-Grad-Wende machen, sondern auf das aufbauen, was wir geschaffen haben, und auf den Weg setzen, den wir hier eingeschlagen haben."

Den Offensiv-Fussball weiterentwickeln

Das bedeutet: Der Offensiv-Fussball unter Vorgänger Walter soll nicht komplett umgeworfen, sondern lediglich verbessert werden. Das grosse Problem war bislang die Defensive. Die Verteidiger orientierten sich so sehr nach vorne, dass der HSV anfällig für Gegenangriffe war. Alleine in den letzten beiden Heimspielen kassierte der HSV jeweils vier Gegentore und verlor dadurch die Spiele.

Baumgart soll für mehr Gleichgewicht zwischen den Mannschaftsteilen sorgen. Der Ansatz des Trainers ist, "dass ich eine hohe Aggressivität gegen den Ball habe, dass ich ein hohes und mutiges Anlaufen habe, dass ich immer wieder versuche, Tore zu erzielen. Wer meine Spiele beobachtet hat, wird selten erleben, dass man zu null spielt, aber man in der Lage sein wird, sich vielleicht drei oder vier Torchancen mehr zu erarbeiten".

Ob er mit dieser Herangehensweise den HSV in die Bundesliga führt? Der heutige Sky-Experte und frühere HSV-Spieler Erik Meijer denkt positiv und sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Wenn man einen Trainer holt, der bereits als Kind Fan des HSV war, macht man nicht viel verkehrt. Die Art, wie er ist und wie er Fussball spielen lässt, könnte zum HSV passen. Wenn er es hinbekommt, die Defensive etwas zu stabilisieren, dann steigt der HSV in diesem Jahr auf."

Der frühere HSV-Torwart Richard Golz sieht das im Gespräch mit unserer Redaktion ähnlich: "Der Verein hat sich mit Baumgart erneut für einen sehr emotionalen Trainer entschieden, hält also konsequent an dem Weg fest. Das macht für mich Sinn. Und Baumgart hat in der Vergangenheit nachgewiesen, dass er ein guter Trainer ist."

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Umschaltmomente statt lange Ballbesitz-Passagen

Grundsätzlich ist Baumgart ein Trainer, der ähnlich wie Walter in seiner Taktik offensiv ausgerichtet ist. Allerdings setzt er mehr auf ein schnelles Umschaltspiel, während Walter die Spiele komplett dominieren und mit Seitenverlagerungen Chancen kreieren wollte. Die Spieler des HSV müssen den bisherigen Spielstil zwar nicht komplett auf den Kopf stellen, aber zumindest anpassen.

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Um nämlich Konterangriffe einzuleiten, müssen auch die Offensivspieler viel gegen den Ball arbeiten und die gegnerischen Spieler unter Druck setzen. Auf einen Top-Stürmer wie Robert Glatzel oder die Flügelspieler Bakery Jatta sowie Jean-Luc Dompe kommt also mehr Laufarbeit zu.

Doch bekommt er damit die Defensive in den Griff? "Das Eine schliesst das andere nicht aus", sagt Golz. "Er hat mit Paderborn bewiesen, dass man mit seiner Art aufsteigen kann. Warum soll er das mit dem HSV nicht schaffen? Ich denke, das wird klappen."

Auch der langjährige Bundesliga-Trainer Peter Neururer glaubt an einen positiven Trainereffekt. "Das Verhalten in der Defensive hat dem HSV in den letzten drei Jahren den Aufstieg vermasselt. Die Fehler, die gemacht wurden, werden mit Sicherheit unter Steffen nicht gemacht", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Mit dem SC Paderborn zweimal aufgestiegen

Baumgart hat bereits einige Erfolge vorzuweisen. Mit dem SC Paderborn vollbrachte er 2018 und 2019 den Doppel-Aufstieg von der 3. Liga in die Bundesliga. Im Sommer 2021 übernahm er den 1. FC Köln, der zuvor in der Relegation fast abgestiegen wäre, und führte den Verein auf Anhieb in die Uefa Europa Conference League.

Dem Trainer verbleiben allerdings diesmal nur fünf Trainingstage, um der Mannschaft seine Spielidee zu vermitteln. Am Sonntag wird der SV Elversberg, der als Aufsteiger eine überraschend starke Saison spielt und unter anderem den Bayern-Leihspieler Paul Wanner im Kader hat, im Volksparkstadion zu Gast sein.

Neururer sagt: "Hamburg muss unbedingt gegen Elversberg gewinnen. Dann haben sie den Vorteil, dass sie noch im weiteren Saisonverlauf zu Hause auf St. Pauli und Holstein Kiel treffen (die aktuell Platz 1 und 2 belegen, Anm.d.Red.). Ich gehe davon aus, dass der HSV den Aufstieg schaffen wird. Ich halte Steffen Baumgart für die richtige Trainerwahl."

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz des Hamburger SV
  • Gespräch mit Erik Meijer
  • Gespräch mit Richard Golz
  • Gespräch mit Peter Neururer
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