Die Überraschung ist dem Zweitligisten gelungen: Der WM-Rekordschütze Miroslav Klose wird neuer Trainer beim Club. Nur sollte man den vielen Vorschusslorbeeren nicht allzu viel Glauben schenken.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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An guten Vorsätzen mangelte es nicht, als der frühere Weltklasse-Stürmer Miro Klose als neuer Trainer des Zweitligisten und Traditionsvereins 1. FC Nürnberg vorgestellt wurde. Er selbst sagte voller Pathos: Tradition, Leidenschaft, ehrliche Arbeit, tolle Fans – das alles seien Dinge, die er am Fussball liebe und die er mit dem 1. FC Nürnberg verbinde. Deshalb habe ihn die Möglichkeit, dort Trainer zu werden, sofort gepackt. Mag ja sein. Aber darauf kommt es nicht an.

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Der Club steckt im Mittelmass fest. Der frühere Rekordmeister taumelt seit zehn Jahren in der 2. Liga zwischen Aufstiegshoffnung und Abstiegsgefahr. Als der Bundesliga-Aufstieg 2018 einmal gelang, ging’s im Jahr darauf sofort wieder bergab: Platz 18 mit 26:68 Toren - das ist für einen Verein, der sich zum Establishment des deutschen Fussballs zählt, blamabel. Erholt hat sich Nürnberg davon nie. Der Wiederaufbau unter Sportchef Dieter Hecking wurde im Mai vorzeitig beendet.

Jetzt hat der frühere DFB-Direktor Joti Chatzialexiou das Sagen. Der neue Sportvorstand vermag seine erste grosse Personalentscheidung wortreich zu begründen: "Miro ist ein enorm akribischer und detailversessener Trainer, der nicht nur im Laufe seiner erfolgreichen Spielerkarriere extrem viel erlebt und mitgenommen, sondern auch als Trainer eine klare Idee davon entwickelt hat, wie man im Fussball erfolgreich sein kann und was es dafür auf dem Platz und in der Kabine braucht."

Auch hier: nichts als gute Absichten. Mehr kann es auch nicht geben. Miro Klose blieb bisher den Beweis schuldig, dass er seiner einzigartigen Spielerkarriere zumindest eine solide Trainerkarriere folgen lässt. Nach der Lehrzeit in der Bayern-Jugend folgte das erste Engagement beim SCR Altach in Österreich. Die Verheissungen klangen 2022 so ähnlich wie jetzt in Nürnberg. Noch in derselben Saison (im März) endete die Zusammenarbeit vorzeitig.

Kloses Mannschaft hatte in 24 Pflichtspielen einen Punkteschnitt von 0,83 erreicht, was weit unter dem lag, was er als B-Jugendtrainer beim FC Bayern gewohnt war (2,22 Punkte im Schnitt) und nicht nur die Region Vorarlberg enttäuschte. Klose war im Klub, das muss man sagen, ein Opfer der Umstände geworden, weil die Realität nicht mit den Versprechungen mithielt.

Nur: Warum sollte das in Nürnberg anders sein? Der Club kann keine grossen Sprünge machen.

Der 1. FC Nürnberg hatte zuletzt einen Zuschauerschnitt von 34.416, was in der 2. Liga angesichts des Zuspruchs bei den grossen Konkurrenten Hamburger SV (55.960), Schalke 04 (61.538) und sogar Hertha BSC (50.898) beschämend aussieht. Allein die Anwesenheit des WM-Rekordtorschützen an der Seitenlinie wird die Nürnberger nicht ins Max-Morlock-Stadion treiben. Das alte Frankenstadion ist altbacken und mit seiner Laufbahn kein Fussballtempel.

Die neue Verbindung zwischen Miro Klose und Nürnberg ist ein Risiko auf beiden Seiten. Für Klose, weil ein erneutes Scheitern als Trainer Zweifel an seiner Befähigung auf dem Chefsessel säen könnte. Für den 1. FC Nürnberg, weil jedes weitere Jahr im Unterhaus die Möglichkeit zum Aufstieg finanziell und personell erschwert. Man muss Chatzialexiou für seinen Mut loben: Klose ist vielleicht am Ende das richtige Wagnis, um dem Gesetz der Mittelmässigkeit zu entfliehen.

Verwendete Quellen:

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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