Der FC Schalke muss über 160 Millionen Euro Verbindlichkeiten drastisch reduzieren und beschreitet dafür einen ungewöhnlichen Weg. Als leuchtendes Vorbild dient zwar ein aktueller Bundesligist – ob die Rechnung aber tatsächlich auch aufgeht, scheint ungewiss.
"Ich bin ein Genosse, weil ich in diesem Fall keinen Rückzieher mache", ist von Schalke-Legende Klaus Fischer auf der Homepage des FC Schalke 04 zu lesen und die Älteren werden sich erinnern: Fischer, Fallrückzieher, da war doch was. Der mittlerweile 75-Jährige hat die längste Zeit seiner imposanten Karriere auf Schalke verbracht, in 358 Spielen 226 Tore für Königsblau erzielt. Und eben nicht wenige davon per Fallrückzieher.
Fischer ist einer der prominenten Köpfe, die der FC Schalke 04 auf seiner Homepage zu Wort kommen lässt oder besser: Ihnen ein paar Worte in den Mund legt, um die "Auf Schalke eG" zu bewerben. Eine eingetragene Fördergenossenschaft, das "Ewigkeitsprojekt" des Klubs.
Schalke braucht Geld – und setzt dabei auf die eigenen Mitglieder
Neben Fischer sind auch Spieler des aktuellen Kaders dabei und andere Klub-Legenden wie
Das Ewigkeitsprojekt soll ein Generationen- und auch ein Gesellschaftsprojekt sein, vom Fliesenleger bis zum Bundesligaprofi kann jeder dabei sein. Eine gelebte Gemeinschaft mit einem ganz banalen Hintergrund: Der FC Schalke 04 benötigt viel Geld – das er sich aber nicht wie andere Klubs von einem Investor holen, sondern bei den eigenen Mitgliedern einsammeln will.
250 Euro pro Anteilsschein an der Fördergenossenschaft
Seit dem 22. Januar läuft die Zeichnungsfrist für Anteile an der Fördergenossenschaft, für Einzelpersonen und juristische Personen kostet ein Geschäftsanteil 250 Euro, dazu kommen einmalig 75 Euro Eintrittsgeld. Bei Unternehmen sind dafür 500 Euro fällig.
Etwa 190.000 Schalke-Mitglieder sind als Einzelpersonen zeichnungsberechtigt und können seitdem Anteile an der Veltins Arena erwerben. Die steht zunächst im Fokus. "So sollen Fördergenossen zu Stadionbesitzern werden", heisst es in einer Klubmitteilung von Mitte Januar.
Angelehnt an das Gründungsjahr des Klubs stehen 190.400 Genossenschaftsanteile zum Verkauf, im besten Fall generiert Schalke damit also rund 50 Millionen Euro an frischem, externem Geld. Ohne dabei die Ausgliederung seiner Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft vollziehen zu müssen, wie an so vielen anderen Standorten im deutschen Profifussball.
Das Geld werde dann dafür genutzt, um "weitere Stadionanteile zurückzukaufen, die bei Dritten liegen – zum Beispiel bei der Stadt Gelsenkirchen oder bei Einzelpersonen. Ausserdem kann der e.V. teure Darlehen ablösen, um Zahlungen für Zinsen und Tilgungen signifikant zu senken", teilte der Klub bereits mit.
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Gewinn wird es für die Schalke-Mitglieder wohl nicht geben
Das Grundprinzip ähnelt dem eines börsennotierten Unternehmens. Allerdings unterscheidet sich neben der Rechtsform vor allen Dingen der eigentliche Anreiz für die "Anleger". Während beim Kauf von Aktien in der Regel auf eine möglichst hohe Rendite spekuliert wird, ist beim Kauf von Geschäftsanteilen an der Fördergenossenschaft kaum mit Gewinnen zu rechnen.
Fünf Jahre beträgt die Sperrfrist, danach können Fördermitglieder wieder austreten und bekommen den einbezahlten Kaufpreis wieder ausbezahlt. In etwa so, als würde ein Schalke-Fan oder Unternehmen seinem Klub Betrag x über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren zinslos leihen. Oder, sollte der Käufer für immer Fördermitglied bleiben, eine grosszügige Spende an den Verein.
Das Ziel: Positive Energie erzeugen und finanzielle Löcher stopfen
Man wolle "eine Bewegung starten und im gesamten Vereinsumfeld eine positive Energie erzeugen", so Matthias Tillmann, Vorstandsvorsitzender des FC Schalke, der zugleich auch ehrenamtliches Mitglied des eG-Vorstandes ist. "Mit der 'Auf Schalke eG' haben wir eine Gesellschaftsform gefunden, die perfekt zu unserem Verein passt."
Eine hohe zweistellige Millionensumme stellt sich Schalke auf der Einnahmenseite vor, um den immensen Organisations- und Verwaltungsaufwand auch zu rechtfertigen und vor allem: Um durch externes Kapital die kratergrossen finanziellen Löcher zu stopfen.
Schalke fehlt Geld an allen Ecken und Enden
Den Klub drücken 162 Millionen Euro Verbindlichkeiten und 100 Millionen negatives Eigenkapital, was unter anderem den Handlungsspielraum im aktuellen Spielbetrieb schon massiv belastet hatte. Vor der Saison musste sich Schalke auf allen Ebenen, von der Hilfskraft bis zum Lizenzspieler, von vielen Mitarbeitern trennen, von einem rigorosen personellen Kahlschlag war die Rede.
Im Jahr 2023 beliefen sich alleine die Zinszahlungen und Tilgungen auf sagenhafte 16 Millionen Euro. Geld, das im operativen Geschäft an allen Ecken und Enden fehlt, für Infrastrukturprojekte oder schlicht als Investition in den Schalker Lizenzspielerkader.
Die Fördergenossenschaft soll helfen, den massiven Berg an Verbindlichkeiten nach und nach abzutragen und endlich wieder mehr Spielraum für das Tagesgeschäft zu schaffen. Und womöglich sogar einen Punktabzug für die Saison 2025/26 abzuwenden. Der steht immer noch im Raum, sollte der Klub für das Geschäftsjahr 2024 und bei der Lizenzierung für die neue Saison nicht bessere Zahlen vorlegen.
St. Pauli hat es vorgemacht
Der FC Schalke geht also anders als etliche Mitbewerber einen etwas anderen Weg, spricht "unser grösstes Pfund" an, wie Tillmann es nennt: Seine Fans. So ganz neu ist diese Idee der etwas charmanteren, romantischen Art der Geldbeschaffung allerdings auch nicht.
Der FC St. Pauli hat es als Gegenentwurf zur Macht von Grossinvestoren und dem Ausverkauf des Fussballs mit der "Football Cooperative St. Pauli von 2024 eG" schon vorgemacht. Für 850 Euro sind dabei Anteile zu erwerben, also deutlich kostenintensiver als beim Schalker Modell.
Drei Tage nach dem Start im November letzten Jahres hatte St. Pauli bereits 13 Millionen Euro eingenommen, danach folgte dann aber auch eine veritable Stagnation. Ende Januar lagen die Einnahmen bei 18,3 Millionen Euro. Um die avisierten 20 Millionen zu erreichen, wurde deshalb die Zeichnungsfrist bis Ende März verlängert.
Schalke ist noch sehr weit vom Einnahmenziel entfernt
Das Hamburger Modell ist trotzdem ein Erfolg und als Vorbild für den FC Schalke zu sehen. In der Arena in Gelsenkirchen wird vor jedem Heimspiel die aktuelle Zahl der Zeichner und Einnahmen verkündet.
Vor der letzten Partie zu Hause gegen den Karlsruher SC hatten rund 6.400 Mitglieder insgesamt 22.842 Anteile gezeichnet, was Einnahmen von rund 6,2 Millionen Euro entspricht. Bis zum 19. April soll nun mit Hilfe einer Werbekampagne die Zehn-Millionen-Euro-Hürde geknackt werden.
Von den ehemals auch medienwirksam postulierten 50 Millionen Euro wäre Schalke aber auch in diesem Fall noch meilenweit entfernt.