Der Start beim Club verläuft für Trainer Miroslav Klose noch holprig, zwischen Anspruch und Realität klafft ein grosses Loch. Klose hat die Defizite erkannt, aber noch nicht genug brauchbare Lösungen entwickelt. Der viel zitierte "Prozess" zieht sich jetzt schon in die Länge.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Wir haben einiges vor!", hatte Joti Chatzialexiou im Sommer eine Botschaft an seine Kontrahenten versandt. Der damals noch neue Nürnberger Sportvorstand stellte seinen neuen Trainer vor und wenn ein echter Weltmeister in die zweite Liga geht, dann muss man sich wohl auch ein bisschen aus dem Fenster lehnen. Miroslav Klose sass an diesem Tag im Juni auf einem Podium am Valznerweiher und freute sich erkennbar über die Chance, die ihm Chatzialexiou und der Club da offerierten.

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Der fränkische Altmeister und der Weltmeister als Speerspitze eines doch recht fulminanten Umbruchs: Das schien eine erfolgversprechende Verbindung, zumindest mit der nötigen Vorlaufzeit. Gerne sprechen sie in Nürnberg das grosse Wort vom "Prozess" aus; erklären, dass Strukturen und Inhalte erst aufgezeigt, dann aufgebaut und dann eingeschliffen werden müssten.

Nun, nach sechs absolvierten Pflichtspielen in dieser Saison, mit einem ziemlich krassen Leistungsgefälle und etlichen Problemen, lässt sich konstatieren, dass der Weg zurück zu einer erkennbaren Spielidee und damit zum Erfolg wohl ein etwas längerer werden dürfte.

Gute Moral und ein wenig Spielglück

Der 1. FC Nürnberg hat sich im Pokal im schwierigen Spiel beim letztjährigen Halbfinalisten Saarbrücken nach Elfmeterschiessen durchgesetzt und in der Liga gegen Schalke und zuletzt beim Aufsteiger SSV Ulm gewonnen. Dagegen stehen eine vermeidbare Niederlage in Karlsruhe und ein Debakel im eigenen Stadion gegen Magdeburg. Nicht erst beim 0:4 wurden die Nürnberger Probleme schonungslos aufgedeckt.

Auch gegen Schalke war Kloses Mannschaft lange unterlegen, profitierte letztlich auch von einem streitbaren Platzverweis für den Gegner. In Ulm sorgte eine wilde Schlussphase mit einem wiederholten Elfmeter in der Nachspielzeit noch für einen schmeichelhaften Sieg. Nürnberg hatte in diesen brenzligen Phasen auch das nötige Spielglück – tatsächlich überzeugen konnte die Mannschaft bisher allenfalls in kurzen Fragmenten der Spiele.

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Immerhin: Die Moral der Mannschaft ist intakt, jeder der bisher sieben Punkte wurde nach einem Rückstand noch eingefahren, dazu kommen erstaunlich effiziente Joker: Gleich viermal trafen Einwechselspieler bisher für den Club, so oft wie bei keiner anderen Mannschaft der Liga.

"Das ist sicherlich ein Punkt, an dem wir auch arbeiten, dass Einwechselspieler funktionieren, deswegen kann vielleicht ich auch entspannt bleiben als Trainer, aber mehr auch nicht", sagt Klose und spricht aber auch sofort die Kehrseite der Medaille an: "Mich ärgert jedes Gegentor, das ist, was für mich hängen bleibt. Wir werden die Spiele nicht immer drehen…"

Bekommt Klose sein Wissen vermittelt?

Der Druck beim Club ist immer enorm, die vergangene Saison endete - mal wieder - in einem Beinahe-Crash. Da war es trotz aller Meriten als Spieler und seines makellosen Leumunds schon auch riskant, einem noch recht unerfahrenen Trainer wie Miroslav Klose die Neuausrichtung der Mannschaft anzuvertrauen.

Klose hatte zum Beginn seiner Trainerlaufbahn im Rahmen seiner Ausbildung ein wenig beim DFB und der A-Nationalmannschaft hospitiert, rückte danach beim Bayern Campus ins Nachwuchsleistungszentrum des Rekordmeisters und später als Co-Trainer zum damaligen Chef Hansi Flick auf.

Seine erste Station als hauptverantwortlicher Coach endete beim österreichischen Bundesligisten SCR Altach nach nur neun Monaten wieder. Altach lag bei Kloses Freistellung auf dem letzten Tabellenplatz und die Frage stand im Raum, ob ein ehemaliger Profi und Rekord-Nationalspieler "nur" durch seine Verdienste als aktiver Spieler auch weiss, wie kräftezehrend und aufreibend der Job des Cheftrainers sein kann. Und was es heisst, sich mit Haut und Haaren dieser grossen Aufgabe zu widmen.

In Nürnberg würde wohl niemand behaupten, Klose liesse die Dinge schleifen. Die Spieler schauen zum 46-Jährigen und dessen Lebensleistung auf. Wie gut Klose aber in der inhaltlichen Kommunikation ist und wie weit er die Spieler mit seiner Rhetorik erreicht, das bleibt immer noch ein wenig vage. Die Transformation des Wissens in die Köpfe seiner Spieler und die Umsetzung auf dem Platz jedenfalls lassen noch zu wünschen übrig.

Schlechte Zahlen und fehlender Mut

Kloses Ansatz eines mutigen, aggressiven Offensivspiels lässt sich bisher nur in Teilen erkennen. Keine andere Mannschaft schiesst so selten aufs gegnerische Tor wie der Club (erst 50 Abschlüsse), keine Mannschaft läuft weniger (erst 552 km) und auch bei den Sprints und intensiven Läufen liegt der Club nur im Mittelfeld.

Neben den Zahlen bleibt auch die qualitative Einschätzung bisher eher hinter den Erwartungen zurück. Besonders im Spiel mit dem Ball ist einiges noch Stückwerk. Zwar lassen sich grundsätzliche Ideen erahnen, an der Umsetzung hapert es bisher aber noch und eine der Fragen wird sein, ob Klose bedingungslos an seinem Stil festhalten will oder aber Anpassungen vornehmen wird.

"Ein wichtiger Punkt ist jetzt der Mut. Der Mut, wann gehe ich ins Eins-gegen-eins? Diese Dribblings, diese Flanken…", sagte der Trainer zuletzt. "In vielen Aktionen unter der Woche drehen viele junge Spieler auf, bekommen den Ball, kommen mit Mut im Eins-gegen-eins vorbei oder gehen in den Tiefenlauf und bekommen den Ball", so Klose über die Eindrücke aus den Trainingseinheiten – die sich dann am Wochenende aber kaum noch erkennen lassen. "…und im Spiel war das auch wieder viel weniger."

Die Mannschaft müsse deshalb den Druck des Spiels auch schon im Training spüren, quasi eine gewisse Normalität schaffen, um dann am Wochenende nicht Angst vor der eigenen Courage zu bekommen.

Klose erstaunlich offen und selbstkritisch

Was sofort und uneingeschränkt hilft, sind Siege. Auch deshalb war der Erfolg in Ulm zuletzt so eminent wichtig, Klose und die Mannschaft haben sich dadurch ein wenig Luft verschafft vor den kommenden schweren Aufgaben. Und es spricht eindeutig für den Trainer, dass er auch öffentlich eine klare Sicht auf die Dinge formuliert und nicht davor zurückschreckt, sich damit indirekt selbst zu kritisieren.

"Meine Welt kann nur glücklich sein, wenn ich ein gutes Gefühl habe, wenn ich nach dem Spiel im Bus sitze und geniessen kann. Das war gegen Schalke nicht so und das war gegen Ulm nicht so", sagte Klose vor der Abreise aus Ulm. Das war für einen Profi-Trainer doch bemerkenswert offen und ehrlich.

"Das ist noch nicht das, was ich von meiner Mannschaft sehen möchte. Das werden wir analysieren und ansprechen, weil wir mehr Schritte nach vorne gehen müssen!" Die nächste Gelegenheit dafür bietet sich am Samstag, beim Heimspiel gegen Hertha BSC. Dann stellt sich Kloses Vorgänger Christian Fiel mit seiner neuen Mannschaft im Max-Morlock-Stadion vor. Fiel hatte einst denselben Auftrag wie Klose.

Das Ende ist bekannt: Fiel verabschiedete sich im Sommer quasi durch die Hintertür nach Berlin. Und ebnete damit unfreiwillig den Weg für Miroslav Kloses Mission.

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