- Almuth Schult hat ein aufregendes Jahr 2021 hinter sich.
- Die deutsche Nationaltorhüterin gab ihr Comeback auf dem Platz nach ihrer Babypause, kämpfte zusammen mit mehreren Mitstreiterinnen für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Fussball und überraschte viele als TV-Expertin bei der Europameisterschaft der Männer im Sommer.
- Im Gespräch mit unserer Redaktion lässt sie ihr Jahr Revue passieren und gibt Ein- und Ausblicke auf die Schwierigkeiten, mit denen der Frauenfussball in Deutschland weiterhin zu kämpfen hat.
Frau
Almuth Schult: Momentan hängt das sehr vom Spiel am Donnerstag ab, ob wir mit dem VfL Wolfsburg auch im neuen Jahr noch Champions League spielen oder nicht. Das ist tatsächlich etwas, das entweder die Stimmung sehr heben oder sehr trüben kann. Wenn man das ausklammert, war es schon ein sehr positives Jahr. Ich habe endlich wieder Fussball gespielt nach nahezu zwei Jahren. Meinen Kindern geht’s gut, meiner Familie geht’s gut und ich habe bei der Europameisterschaft der Männer einen neuen Job kennengelernt. Und dass es sportlich immer auf und ab läuft, ist ja ganz normal.
Anfang des Jahres 2021 gaben Sie Ihr Comeback nach Ihrer Babypause. Wie ging es Ihnen in dieser ersten Zeit?
Ich habe im Oktober 2020 schon wieder trainiert und war deshalb gar nicht so lange zu Hause. Aber mir ging es wie jedem anderen Elternteil wahrscheinlich. Wenn man länger als einen Tag weg ist, vermisst man die Kinder unglaublich. Gleichzeitig ist man aber auch froh, mal wieder der eigenen Leidenschaft, dem eigenen Beruf nachzugehen und auch Zeit für sich zu haben. Und das ist genau der Mix, den ich immer noch täglich habe.
Kinder und Beruf zu jonglieren ist schon in "normalen" Berufen eine grosse Herausforderung – wie stemmen Sie und Ihr Mann das?
Unter einem "normalen" Beruf würde ich verstehen, dass man sich Urlaub nehmen kann, dass man Termine freier legen kann – das geht bei mir nicht. Die Familie ist abhängig von meinem Terminplan, von meinem Arbeitsplan. Das ist manchmal sehr anstrengend und es tut mir auch leid, wenn mein Mann mal wieder zurückstecken muss. Er macht das zwar gerne, aber ich würde es lieber etwas besser verteilen.
Schult: "Wir organisieren von Woche zu Woche die Kinderbetreuung"
Welche Strukturen müssten sich bei den Vereinen noch ändern, damit Frauen und Männern die Elternschaft während der aktiven Karriere erleichtert wird – und sich vor allem auch die männlichen Profis trauen, in Elternzeit zu gehen oder zumindest kürzerzutreten?
Es ist allgemein so, dass man erst einmal Erfahrungen sammeln muss. Ich gewinne jede Woche Erkenntnisse dazu, was gut ist und was schlecht ist und es muss sich einspielen, um konkret sagen zu können: "Das braucht man". Erst nach einem kompletten Jahr im Spielbetrieb kann man ein Fazit ziehen. Wir hatten dazu bisher gar keine Zeit, weil wir nur von Woche zu Woche tatsächlich die Kinderbetreuung organisieren und schauen, dass wir unsere Arbeit schaffen und nebenbei noch irgendwie den Haushalt. Wenn wir an Weihnachten mal ein bisschen zu Ruhe kommen, wollen wir uns sortieren: Was ist gut gelaufen, was ist schlecht gelaufen, woran hapert es, wo könnte man etwas verbessern? Und natürlich sind das Strukturen, die helfen können, wenn zum Beispiel die Kinderbetreuung organisiert ist und man sich da keine Sorgen machen muss. Das sind Sachen, die der Fussball bisher noch nicht erfahren hat und die bei den Männern bisher auch noch nicht erforderlich waren, weil nahezu alle in der 1.-3. Liga professionell so spielen und so viel Geld verdienen, dass sie die Kinderbetreuung gewährleisten können oder vielleicht auch die Frau nicht arbeiten gehen muss oder möchte. Und dazu würden die Männer in Elternzeit verhältnismässig wenig Geld bekommen verglichen mit ihrem normalen Gehalt.
Im Mai 2021 veröffentlichten Sie zusammen mit acht anderen Fussball-Expertinnen ein Positionspapier für mehr Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Fussball. Wie haben Sie die Diskussion danach wahrgenommen – einerseits in der Öffentlichkeit und andererseits beim DFB?
Die Diskussion hat ja nicht nur in der Öffentlichkeit und beim DFB stattgefunden, sondern auch in den Vereinen und im privaten Umfeld. Ich habe die Diskussion als positiv wahrgenommen, weil ich das Gefühl habe, dass ein gesellschaftliches Interesse daran besteht, tatsächlich etwas zu ändern. Und dass auch das Momentum in der Gesellschaft, nicht nur im Fussball, sondern in vielen Sportarten, da ist, Geschlechtergerechtigkeit zu kreieren. Auch in Wirtschaft und Politik. Wenn man jetzt mit Vereinen und Verbänden gesprochen hat, gab es schon die Rückmeldung von einer Sensibilisierung für das Thema, aber es ist immer die Frage, wie ernsthaft und wertschätzend das angegangen wird. Manchmal musste man auch über die Entschuldigungs- und Rechtfertigungsversuche etwas schmunzeln ... Gucken wir mal, was daraus noch wird.
Haben Sie das Gefühl, dass sich schon etwas getan hat? Oder muss man da jetzt einfach abwarten, bis ein neues DFB-Präsidium gewählt wurde?
Das neue Präsidium wird eine grosse Rolle spielen. Es ist nun einmal so, dass die Verbandsstruktur gerade in der Findung ist und dadurch aktuell keine deutlichen Beschlüsse fassen wird. Sie schieben viel auf den Bundestag im März 2022, wenn es wieder ein handlungsfähiges, gewähltes Präsidium gibt. Und ansonsten merkt man, dass die Diskussion auf jeden Fall angestossen ist, beispielsweise auch bei der DFL. Es soll Partnerschaftsprogramme geben, auch Stipendien für Frauen in Management- und Trainer-Lehrgängen sind angedacht. Es fehlen bisher noch die konkreten Ziele und Wege, die aufgezeichnet werden, aber es ist im Fussball einfach sehr selten, dass in sechs Monaten Konkretes beschlossen wird. Alles braucht seine Zeit und wir schauen mal, was das neue Jahr bringt.
"Fussball ist glaubwürdig, wenn er die Gesellschaft abbildet"
Liegt Ihnen eine Forderung aus dem Papier besonders am Herzen?
Mir liegt die Diversität der Gremien und Führungsetagen sehr am Herzen. Denn darum geht es ja. Wir reden davon, dass der Fussball nicht mehr ganz so glaubwürdig ist, dass sich die Menschen immer mehr vom professionellen Fussball distanzieren, und aus diesem Grund müssen wir Glaubwürdigkeit generieren. Und das schaffen wir, indem wir die Gesellschaft besser abbilden, damit sich jeder verstanden und gehört fühlt. Und deshalb liegt mir das sehr am Herzen.
Sie haben einer Kandidatur aus Ihrer Initiative heraus für das DFB-Präsidium vorerst eine Absage erteilt, warum?
Es ist nun einmal so, dass wir alle hauptberuflich unterwegs sind. Den Fussball können wir nur nebenher machen, neben Familie und Hauptberuflichkeit und deshalb sind wir nicht so schnell, wie wir gerne wären. Solche Sachen müssen wohlüberlegt sein. Dass die Präsidenten der Landesverbände sich vergangene Woche auf die Kandidatur von Bernd Neuendorf geeinigt haben, hat sich dabei nicht positiv ausgewirkt. In den vergangenen Jahrzehnten war es immer so, wenn die sich geeinigt haben, dann wurde derjenige auch gewählt. Deshalb wissen wir gar nicht, wieweit eine Kandidatur überhaupt noch zu einem Wechsel im Präsidium beitragen könnte.
In Ihrem Positionspapier fordern Sie unter anderem auch eine geschlechtergerechte, diskriminierungsfreie Sprache auf allen Ebenen des Fussballs. Das Gendern wurde auch im Bundestagswahlkampf sehr kontrovers diskutiert – geht diese Diskussion für Sie in die richtige Richtung?
Erst einmal ist wichtig festzuhalten, dass es diskutiert wird. Das ist schon mal ein Fortschritt gegenüber den letzten Jahrzehnten. Ich bin der Meinung, dass alles ein Mass haben muss. Es geht auch darum, mit welchen Leuten man spricht, ob sich jemand diskriminiert fühlt. Wenn ich am Mittagstisch mit meiner Mutter spreche und wir übereinkommen, dass das jetzt nebensächlich ist, dann ist das in Ordnung. Aber wenn es um die Öffentlichkeit geht, wollen wir alle positiv ansprechen und deswegen ist es wichtig. Im Fussball geht es nicht nur darum, ob ich Spielerinnen und Spieler sage, sondern es geht auch darum, wie man die Wettbewerbe bezeichnet. Das ist etwas, was mich sehr stört, dass man die Frauen immer extra erwähnen muss, weil es jedes Mal vor Augen führt, dass es den Fussball gibt – und den Frauenfussball. So soll es nicht sein. Es soll einen Fussball geben, der von mir aus unterteilt ist in Männerfussball, Frauenfussball, Jugendfussball und Kinderfussball. Das ist schon mal der erste Schritt.
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Kurz nach der Veröffentlichung des Positionspapiers begleiteten Sie die EM der Männer als TV-Expertin in der ARD. "Wortgewandt", "unterhaltsam", "unaufgeregt", so wurden Sie in den Medien gelobt - "Sie sieht, was andere nicht sehen", schrieb die SZ – das ging alles runter wie Öl, oder?
Es hat mich gefreut, aber das ist nicht das, wofür ich das gemacht habe. Es ging natürlich darum zu zeigen, dass es funktioniert. Aber mir war am wichtigsten, dass Freunde und Familie, von deren Urteil ich eher lebe, zufrieden waren und es authentisch und positiv fanden. In den Medien habe ich gar nicht so viel gelesen. Ich bin auch nicht in den sozialen Medien unterwegs, weil ich mir das Urteil lieber von den Menschen hole, denen ich vertraue. Ich bin froh, dass mein Arbeitgeber, die ARD, sehr zufrieden war. Und wenn ich damit etwas Positives bewirkt habe für Frauen im Fussball, ist das umso schöner.
"Ich kann auch nur von aussen darauf schauen, was mir gefällt und was mir nicht gefällt"
Wo, glauben Sie, haben Sie vielleicht auch einen Vorteil gegenüber Ihren männlichen Kollegen?
Das ist eine gute Frage, die ich gar nicht so einfach beantworten kann, weil ich noch nie in diesem Männer-Fussball-Zirkus dringesteckt habe, so wie ein Bastian Schweinsteiger vielleicht. Daher kann ich mir kein Urteil erlauben, ob das positiv oder negativ ist. Ich kann auch nur von aussen darauf schauen, was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Ich kenne Leute aus dem Männerfussball, die sehr klare Aussagen treffen, die sehr bodenständig sind, an denen das Klischee überhaupt nicht festzumachen ist. Einen Menschen muss man nach seinen Qualitäten beurteilen. Und wenn man jemanden wie Bastian Schweinsteiger und mich in der Expertenrolle vergleichen möchte, dann ist es ok, wenn es auf sachlicher Ebene passiert. Aber was dahintersteckt, will ich nicht beurteilen. Häufig kommt es dabei auch auf individuelle Wege im privaten Umfeld an. Vielleicht haben manche Menschen gelernt, ihre Meinung zu sagen und manche Menschen eben nicht. Das ist ein Prozess, in dem es auch auf Erziehung und Umfeld ankommt. Wenn man in seinem Umfeld nie die Wahrheit sprechen muss, ist man das auch nicht gewohnt.
Können Sie sich nach Ihrer aktiven Zeit eine TV-Karriere vorstellen?
Grundsätzlich kann ich mir das vorstellen. Es hat mir viel Spass gemacht im Sommer. Zum einen hat es weiter mit Fussball zu tun und ich habe eine andere Perspektive kennengelernt, was ich sehr spannend fand. Was die nächsten Jahre kommt, kann ich noch gar nicht sagen. Eineinhalb Jahre vor der Europameisterschaft der Männer hätte ich auch nie gedacht, dass ich dort als Expertin sitzen würde. Da öffnet sich eine Tür und man muss selbst entscheiden, ob man durchgeht. Und falls sich die Tür öffnet, dass ich das noch häufiger machen kann, dann ist die Tendenz schon da, das anzunehmen.
Als Expertin im Männerfussball, aber auch als Mutter mit Profikarriere gelten Sie vielen als Vorbild– ist es nicht anstrengend, immer in die Vorreiterinnenrolle gehen zu müssen?
Es ist eine Auszeichnung, wenn man als Vorbild gesehen wird. Und passiert das auch noch öfter, ist es normalerweise so, dass man etwas richtig gemacht hat für die Gesellschaft. Und das ist gut. Ich versuche mich selbst zu kontrollieren und zu hinterfragen, ob ich vorbildliches Verhalten an den Tag lege. Deshalb mache ich das gerne. Es ist schön, wenn man sagen kann, dass man etwas Nachhaltiges bewirkt hat. Das ist vielleicht auch eine intrinsische, menschliche Motivation im Leben, dass man etwas positiv verändern möchte. Und wenn ich das schaffe, freut mich das.
Die Runde mit Ihnen,
Ich habe Stefan Kuntz gratuliert zu seinem neuen Job bei der Türkei. Es hat mich sehr gefreut, dass für ihn ein neues Kapitel angefangen hat. Und bei Kevin-Prince ist das so eine Sache. Ich hab das Gefühl, dass er durch seine vielen Kontakte ständig die Handynummer wechselt. (lacht) Auch mit
Schult zum Missbrauchsskandal in den USA: "Vorstellen kann ich mir mittlerweile alles"
Im Oktober 2021 erschütterte ein Missbrauchsskandal in den USA den Frauenfussball. Megan Rapinoe prangerte im Zuge dessen an, dass der Skandal ein System offenbart, in dem Männer andere Männer schützen, die gegenüber Frauen sexuell übergriffig sind. Ist Ihrer Meinung nach auch in Deutschland ein solcher Skandal denkbar?
Ich glaube, die Strukturen in Deutschland wurden in den vergangenen Monaten viel hinterfragt und da muss man weitermachen. Es gibt, meine ich, noch keine konkrete Anlaufstelle für solche Fälle. Es gibt mehrere verschiedene Anlaufstellen, aber nicht die eine, die man sofort findet. Vor zwei Jahren hat der DFB den Aufruf der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland unterstützt. Dort haben Betroffene in einer Art Podcast ihre Geschichten erzählen können. Es gibt solche Vorfälle also auf jeden Fall auch in Deutschland und man sollte nie "So etwas gibt es bei uns nicht" sagen, wenn man nicht das komplette Feld überblicken kann. So etwas kann jederzeit passieren und man sollte genau dafür sensibilisiert sein und jedes Mal wieder hinterfragen: "Haben wir genug dafür getan, dass sich Leute melden, die es betrifft?" Ich hoffe natürlich, dass es bei uns nie solche Ausmasse annimmt, wie in den USA. Aber vorstellen kann ich mir mittlerweile alles. Das habe ich gelernt. Ich möchte nur alle bitten, die betroffen sind, sich zu äussern und sich zu melden. Denn nur, wenn sich jemand meldet, kann man derjenigen auch helfen. Und ich möchte die Menschen aufrufen, den Geschichten nachzugehen und den Betroffenen zu glauben.
Aktuell liefern sich der VfL Wolfsburg und der FC Bayern ein packendes Duell in der Frauen-Bundesliga und auch andere Mannschaften mischen noch oben mit. Gefühlt ist die mediale Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr für den Frauenfussball gestiegen, die Spiele werden häufiger übertragen: Nehmen Sie eine gesteigerte Aufmerksamkeit wahr?
Es ist auf jeden Fall positiv, dass seit der neuen Saison jedes Spiel übertragen wird. Das ist auch für uns gut, da wir unsere Liga besser verfolgen können. Wir haben jetzt die Möglichkeit, mehr Spiele zu sehen. Vorher haben wir häufig alle gleichzeitig gespielt. Die viel grössere Aufmerksamkeit nehmen wir auf dem Platz allerdings noch nicht so wahr. Aktuell ist es mit den Zuschauerzahlen wegen Corona ohnehin schwierig und auch Medien sind aktuell nicht viele vor Ort. Daher habe ich noch keine krasse Steigerung mitbekommen. Die gestiegene Übertragungsrate ist in jedem Fall schon super. Und man sieht am Tabellenstand der Liga, dass es die Liga auch verdient hat. Es ist so spannend, wie ich es noch nie erlebt habe, seit ich in der Frauen-Bundesliga bin.
Sollte sich dieser Trend fortsetzen - also mehr Übertragungen, höhere Aufmerksamkeit -, welche Konsequenzen müssten sich Ihrer Meinung nach zwingend von Verbandsseite davon ableiten?
Die erste Konsequenz habe ich vergangene Woche schon gelesen, dass sie im Zulassungsverfahren ein bisschen was anpassen. Es muss zum Beispiel verpflichtend eine Flutlichtanlage geben. Das ist die erste Neuerung, das ist ja schön, aber irgendwie ist es auch traurig, dass es jetzt erst verpflichtend ist und bisher auch die einzige Neuerung, von der ich gelesen habe. Dabei gehört im Winter vielleicht auch eine Rasenheizung dazu, oder dass es eine Bewässerungsanlage gibt. Der Platz sollte in einem gewissen Zustand sein, es bräuchte auch eine Begrenzung der Rasenhöhe. Es gibt viele Faktoren, die nur den Platz betreffen. Und dann gibt es noch weitere Faktoren, die das Stadion betreffen. Es braucht einen guten Standard von Grösse und Ausstattung von Kabine, Presseräumen, etc.. Dazu kommen auch personelle Anforderungen. Noch immer hat nicht jeder Verein eine hauptamtliche Presseabteilung oder eine adäquate medizinische Abteilung. Das sind alles Faktoren, die kommen müssen, um den Sport professioneller zu machen. Und ich hoffe, dass das an die Flutlichtanlage anschliesst.
"Ich möchte, dass jede Spielerin, die in der höchsten deutschen Liga spielt von ihrem Einkommen ihre Wohnung bezahlen kann"
Und da sind wir noch weit vom Equal Pay entfernt.
Die Gender Pay Gap ist tatsächlich das Letzte, was angegangen werden muss. Erst einmal muss es um die professionellen Strukturen gehen. Das betonen wir immer wieder: Wir wollen gleich behandelt werden. Die gleiche Bezahlung würde dann kommen, wenn auch das Zuschauer- und Medieninteresse vergleichbar ist. Jetzt geht es erst einmal darum, dass jede Spielerin ein professionelles Umfeld hat und dazu gehört auch ein gewisses Mass an Geld. Ich möchte, dass jede Spielerin, die in der höchsten deutschen Frauenliga spielt, berufsgenossenschaftlich versichert ist und dass sie von ihrem Einkommen ihre Wohnung bezahlen kann. Beides ist heute noch nicht der Fall.
Was wünschen Sie sich von den Medien und der Berichterstattung für das neue Jahr?
Da gibt es viel und fängt mit dem Respekt und der Ernsthaftigkeit an. Ich habe immer noch Interviews, in denen ich nach meiner Schreibweise und meinem sportlichen Werdegang gefragt werde. Da sage ich dann: "Wenn Sie wirklich ein Interview mit mir machen wollen, können Sie mich doch googeln. Das dauert drei Sekunden und Sie haben eine Antwort. Dann können wir die Interviewzeit besser nutzen." Und wenn es eine Frauenfussballübertragung gibt und dort ein Kommentator sitzt, dann sollte der sich genauso wie beim Männerfussball darauf vorbereiten, dass er die Namen kennt, dass er nicht Nationalitäten vertauscht, dass er nicht Dinge durcheinanderwirft. Und das betrifft natürlich auch die Berichterstattung. Wir sind nicht einmal annähernd im Verhältnis zwischen Frauen- und Männersportarten – und da zähle ich nicht nur den Fussball dazu, sondern alle Sportarten. Aber der Fussball nimmt nun mal 90 Prozent der Berichterstattung ein und wenn von diesen 90 Prozent noch 85 Prozent über den Männerfussball gehen, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Und das bildet unsere Gesellschaft überhaupt nicht ab. Wir sind so vielfältig im Sport und ich würde mir wünschen, dass einfach auch andere sportliche Leistungen die Anerkennung in der Berichterstattung bekommen. Und dass es nicht immer um Vergleich geht zwischen Männern und Frauen, sondern dass man die sportlichen Leistungen gesondert betrachtet, mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen. Man kann die Männer- und die Frauen-Bundesliga nicht vergleichen, weil wir nicht einmal bei allen Spielerinnen professionelle Bedingungen haben. Bei den Männern ist das aber gegeben.
Wenn Sie sich die Impfdiskussion um Joshua Kimmich anschauen, sind Sie da nicht doch froh, dass der Frauenfussball bei manchen Themen nicht ganz so sehr im Fokus steht?
Ich bin häufiger froh, dass wir nicht so im Fokus stehen. Ich kann durch die Stadt laufen und werde nicht nach hundert Selfies gefragt. Es steht nirgends, in welchem Restaurant ich essen war. Das ist schon angenehm. Das können sich viele Profis bei den Männern nicht leisten. Bei denen wird jeder Schritt und jeder Tritt verfolgt. Das ist sicher oft anstrengend. Aber es spielen meiner Meinung nach auch die sozialen Medien eine Rolle. Jeder hat dort jederzeit die Möglichkeit Inhalt um die Welt zu schicken. Es tut mir leid, wenn Menschen ihr Privatleben nicht mehr ausüben können, weil sie verfolgt werden. Da bin ich dankbar, dass es im Frauenfussball noch nicht so weit ist.
2021 war auch für die deutsche Nationalmannschaft ein erfolgreiches Jahr. Mit dem 3:1 in der WM-Quali über Portugal gab es auf jeden Fall auch einen gelungenen Jahresabschluss. Mit dieser Mannschaft scheint es aktuell Spass zu machen, oder?
Wenn man gewinnt, macht es immer Spass. Allerdings hatten wir seit dem Sommer auch keine hochkarätigen Gegner. In der ersten Jahreshälfte hat man gesehen, dass wir gegen Frankreich und gegen die Niederlande auch an unsere Grenzen gekommen sind. Die nächste Standortbestimmung ist das Einladungsturnier in England. Dort haben wir drei hochkarätige Gegner und danach können wir eine Aussage treffen, wo wir stehen im Hinblick auf die Europameisterschaft im Sommer.
Was sind Ihre Hoffnungen und Ziele für das EM-Jahr 2022? Wäre es nicht einmal wieder Zeit für einen Titel?
Wir sind als Deutschland eine Fussballnation, egal ob im Männer- oder im Frauenbereich. Wir sind immer Titelanwärter. Wir wissen aber einfach noch nicht genau, wo wir aktuell stehen. Es ist noch ein halbes Jahr Zeit und im Fussball kann auch leider immer noch sehr viel passieren. Vor der Europameisterschaft 2013 fielen plötzlich acht Stammkräfte aus und wir wurden trotz allem Europameister, obwohl niemand damit gerechnet hat. Ich bin in jedem Fall gespannt auf das Turnier, das wird sicher schön im Mutterland des Fussballs.
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