Arnd Zeigler ist vielen Fussball-Fans bekannt durch seine TV-Sendung "Zeiglers wunderbare Welt des Fussballs". Im Interview mit uns spricht er über sein neues Buch, den Kommerz im Profi-Fussball, die fehlende Spannung in der Bundesliga und darüber, was dem Fussball heute fehlt.
Ihr neues Buch heisst: "Traumfussball - Wie unser Lieblingsspiel uns allen noch mehr Spass machen kann". Haben Sie eine Kurzfassung einer Antwort darauf?
Arnd Zeigler: Was mir die letzten Jahre immer mehr auf dem Herzen liegt, ist, dass vor allem durch die Art und Weise, wie soziale Medien in unser Leben eingegriffen haben, der Fussball mittlerweile ganz anders funktioniert als noch vor 20, 30 Jahren.
Da war es so, dass wir alle Fussball als eine Sache wahrgenommen haben, die uns viel bedeutet, und wenn wir verloren haben, waren wir vor allem traurig. Jetzt ist es ganz oft so, dass wir schon vor dem Spiel wütend sind und nach dem Spiel dann empört.
Es gibt ja viele Leute, die die sozialen Medien vollschreiben, sobald das Spiel angefangen hat. Es dauert 90 Sekunden, dann sind die ersten drei bösen Einträge drin und die ersten Spieler sind schon Vollidioten.
Wie lässt sich das ändern?
Meine persönliche Überzeugung ist, dass es sehr viel mehr Sinn und Spass macht, wenn man beim Fussball nicht vergisst, dass es um Menschen geht, um Unwägbarkeiten und um einen Sport, der nicht perfekt sein kann.
Es hilft sehr viel weiter, wenn man Fussball nicht zu zynisch und distanziert sieht, sondern wenn man sich immer noch bewusst macht, weshalb er uns eigentlich so viel bedeutet. Und dass er uns nur dann viel bedeuten kann, wenn uns die Menschen nahe sind, die diesen Fussball für uns spielen. Und wenn wir nicht Woche für Woche davon ausgehen, dass unser Verein eine Ansammlung von Volltrotteln ist, die alles schlechter macht, als wir selbst es könnten.
War früher also alles besser?
Früher war nicht alles besser, aber die Schwelle, die man zwischen den einzelnen Mannschaften hat, war nicht so hoch. Wir müssen aufpassen, dass die Schere nicht noch weiter auseinander geht.
Für mich ist Fakt, dass sie eigentlich schon längst zu weit auseinander gegangen ist, möglicherweise irreparabel. Deswegen sind alle gefordert, dass nicht jeder – auch wenn es um Profifussball geht – nur auf Gewinnmaximierung achtet.
Es müssen auch alle darauf achten, wieder einen Wettbewerb zu finden. Und dass die Bundesliga wieder spannend wird. Es darf nicht die Lösung sein, dass wir alle die Bayern als beste Mannschaft der Welt beklatschen und gleichzeitig den viel zu hohen Preis zahlen, dass die Bundesliga nicht mehr viel wert ist.
Wir dürfen uns nicht weiter dazu überreden lassen, auch immer langweiligere Wettbewerbe ungebrochen begeistert zu konsumieren.
Sind Sie gegen den Kommerz im Fussball?
Ich bin nicht gegen Kommerz im Fussball, den wird man nicht ausklammern können, aber ich bin dafür, dass wir uns wirklich alle darauf besinnen, dass wir da kein unzerstörbares Produkt haben. Dass wir alle eine Herzensbindung zum Fussball haben, die immer schwerer aufrecht zu erhalten ist.
Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Ich erkenne auch an, dass wenn man die Bundesliga und den Profifussball generell über Jahrzehnte wirtschaftlich wachsen lässt, dann ist er halt irgendwann aus einem gesunden Mass herausgewachsen.
Wir haben das alle begleitet. Es ist ja nicht so, dass wir das bislang als grob unangenehm empfanden. Ich glaube aber, dass jetzt eine Phase entsteht, wo, wenn wir nicht aufpassen, das Spiel dauerhaft zu langweilig wird.
Wenn Sie die volle Entscheidungsgewalt hätten: Was würden Sie am Fussballgeschäft ändern?
Ich glaube, dass Corona uns gezeigt hat, dass alles nicht so weitergehen darf wie bisher. Es kann nicht sein, dass wir in eine Situation geraten, in der alle Vereine ausser den ersten Vier von der Hand in den Mund leben und nur noch einen Spieler holen können, wenn sie einen anderen verkaufen. Es ist ja mittlerweile so, dass Vereine erstmal überlegen müssen: "Wir haben eigentlich kein Geld, wie verstärken wir denn unsere Mannschaft?"
Wenn ich was zu sagen hätte, dann fände ich wichtig, dass man bei den Vereinen eine Grundhaltung ausarbeitet, die man verkörpern möchte. Nicht nur nach dem Muster, dass der Laden irgendwie weiter laufen muss, sondern dass den Leuten gezeigt wird, dass man in einem Boot sitzt."
Welche Rolle spielen die Zuschauer in der Sache?
"Wir haben jetzt gemerkt, dass die Vereine ohne Zuschauer nicht funktionieren. Und dass die Zuschauer sich von den Vereinen distanziert haben, weil sie gemerkt haben, "die spielen ja notfalls auch ohne uns".
Das ist eine Zäsur, die wir gerade erleben, aus der wir Schlüsse ziehen müssen und merken müssen, es lässt sich nicht alles endlos melken. Es muss alles auf einer Basis stattfinden, auf der die Fans sich auch wohl fühlen. Ansonsten lässt du Leute aussen vor, die dazu beitragen, dass die Vereine weiter existieren. Da muss einfach wieder viel mehr Nähe her.
Wir müssen jetzt das grosse Ganze sehen. Und wenn es immer unwichtiger wird, ob Zuschauer im Stadion sind oder nicht, dann ist der Fussball irgendwann wirklich kaputt.
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