Der FC St. Pauli hat in der vergangenen Woche mit einer Initiative für Aufsehen gesorgt. Das Nachwuchsleistungszentrum des Zweitligisten wird künftig nicht mehr mit Beratern, Agenturen und kommerziellen Individualtrainern zusammenarbeiten, teilte der Verein mit und löste damit ein grosses Medienecho aus.
Mit seiner Entscheidung, im Nachwuchsbereich nicht mehr mit Beratern zusammenzuarbeiten, positioniere sich der FC St. Pauli klar gegen die Kapitalisierung des Jugendfussballs, betonte der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), Benjamin Liedtke. Der Vorstoss der Hamburger stiess auf viel positive Resonanz - das Bild von gierigen Spielervermittlern, die talentierte Teenager und deren Familien ausnutzen, kommt vielen schnell in den Sinn. Doch ganz so simpel ist die Realität nicht.
Denn Spielerberater ist nicht gleich Spielerberater. Gewiss wird das Bild der Szene durch die grossen Geschäftemacher wie Jorge Mendes geprägt und ebenso gibt es auf niedrigerer Ebene, gerade auch im Jugendfussball, schwarze Schafe. Aber in der Mehrheit sind die Berater, die nicht nur um Geldsummen feilschen.
"Berater tun heutzutage wegen der grossen Präsenz von Medien, sozialen Medien und Sponsorings viel mehr. Und aufgrund der zunehmenden Rolle von Spielern in ethischen Debatten und dergleichen können Berater dabei helfen, gewisse Dinge zu artikulieren und die Berichterstattung im Auge zu behalten. Ich denke, es ist alles etwas komplexer als die Behauptung, dass Berater bloss Parasiten wären", sagt Alex Stewart, Scout und Spieleranalyst aus England.
Stewart weist auch darauf hin, dass Eltern nicht per se die besseren Berater für Jugendspieler sind. "Ich mag es nicht, wenn Familien im Namen der Spieler tätig werden. Die Motive sind falsch." Denn auch Eltern und Angehörige verfolgen unter Umständen ökonomische Ziele oder können nicht rational und mit einer gewissen Distanz zum Spieler urteilen, schliesslich handelt es sich um den eigenen Sohn, Cousin oder Neffen.
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St. Pauli setzt auf "partnerschaftlichen Umgang"
Der FC St. Pauli möchte jedoch die Kooperation mit den Eltern in den Mittelpunkt stellen. "Wir setzen auf den partnerschaftlichen Umgang mit den Spielern und deren Familien und persönlichem Umfeld", teilte Liedtke mit. "Dies ist keine Entscheidung gegen Berater*innen im Fussball generell, sondern es geht vielmehr darum, im Jugendfussball den Fokus auf das persönliche Umfeld der Spieler zu legen, nicht auf Agenturen und den Markt."
Was der FC St. Pauli in den Tagen nach der Bekanntgabe durchblicken liess: Der Zweitligist möchte vermeiden, dass Berater Nachwuchsspieler aus dem NLZ weglocken. "Das NLZ-Hopping ist ungesund", sagte Liedtke im Gespräch mit dem ZDF. "Wenn wir einen sehr guten Spieler haben, dann weckt er natürlich das Interesse bei anderen. Und wenn dann Berater oder andere Akteure kommen, die versuchen, an diesem Spieler zu partizipieren, wird es schwierig, stringent und gut mit dem Spieler zu arbeiten."
Top-Talent von St. Pauli hat einen Berater
Das mag für den Club selbst von Vorteil sein, weil so im besten Fall die stärksten Talente bis zum Übergang in den Profibereich bei St. Pauli bleiben. Wobei das "Hamburger Abendblatt" bereits die Frage aufgeworfen hat, was aus U17-Europameister Eric da Silva Moreira wird. Der trainierte im Sommer sogar bei den Profis mit, wird aber zusammen mit seiner Familie von einem Berater unterstützt.
Der Jugendfussball-Markt ist mittlerweile ein nationaler, teilweise sogar internationaler. Ab der U16 dürfen in Deutschland Verträge geschlossen werden, wofür zuweilen Berater eingeschalten werden. Auf dem Niveau der Junioren-Bundesligen ist es nicht ungewöhnlich, dass das eine oder andere Talent in der U17 oder U19 den Club wechselt und dafür auch einen Umzug in Kauf nimmt. Allerdings leben wir ohnehin in einer Zeit, in der gestiegene Mobilität von Arbeitnehmern und Umzüge von Familien aus beruflichen Gründen quasi Normalität geworden sind.
Viele werden weiter mit Beratern kooperieren
Der FC St. Pauli versucht sich ein Stück weit vom Markt abzukoppeln und könnte den einen oder anderen Verein dazu bewegen, ähnlich rigoros Berater und andere Externe aus dem NLZ zu verbannen. Die Mehrheit der grossen Clubs in Deutschland wird aber aller Voraussicht nach diesen Schritt nicht gehen.
"Welche Möglichkeit hat der Verein, wenn der Spieler mit dem Berater an den Tisch kommt und sagt, 'Ich mache das nur mit dem Berater'? Wie gehst du dann weiter? Sagst du dann dem Spieler, 'Okay, dann musst du dich von einem Berater trennen, sonst kriegst du keinen Vertrag'? Das ist in der Praxis sehr, sehr schwer umzusetzen", sagte Thomas Hengen, Geschäftsführer Sport des 1. FC Kaiserslautern, dem SWR.
In der Praxis werden viele Vereine weiter um Talente buhlen und dazu in gewissen Fällen auf die Kooperation mit Beraten angewiesen sein.
Verwendete Quellen:
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