Borussia Dortmund schnappt sich mit Axel Witsel ein sehr wichiges Mosaiksteinchen auf dem Weg zur Erneuerung. Der Belgier dürfte sportlich über alle Zweifel erhaben sein - und trotzdem birgt der Wechsel ein Risiko.

Eine Analyse

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Am Anfang war das Foul. Axel Witsel ist alles andere als ein "normaler" Fussballspieler, und das nicht nur in seiner belgischen Heimat.

Witsel könnte ein Spieler von hohem Ansehen sein, ein Publikumsliebling, ein Zuschauermagnet. Aber der mittlerweile 29-Jährige wird immer sofort mit jenem Aussetzer vor neun Jahren in Verbindung gebracht, der eine Karriere schnell zerstört und eine andere beinahe auch noch ruiniert hätte.

Witsel war 20 jahre jung, eines der ersten grossen Talente, die die Reformen des belgischen Fussballverbands nach den dürren Jahren nach der Jahrtausendwende produziert hatten. Witsel war der Kopf der Vorgängergeneration der De Bruynes und Hazards und galt schon als Teenager als das neue heisse Ding in Europa.

Im ewig jungen Duell zwischen seinem Klub Standard Lüttich und dem RSC Anderlecht brannten Witsel dann aber alle Sicherungen durch, aus einem an sich handelsüblichen Zweikampf wurde eine Körperverletzung schwerster Art.

Witsel trat seinem Gegenspieler Marcin Wasilewski mit Absicht Schien- und Wadenbein durch. Das Foul war ein Skandal, Witsel erhielt danach wochenlang Morddrohungen und stand unter Polizeischutz.

Der Inbegriff des Söldners

Diese eine Szene warf Wasilewskis Karriere aus der Bahn und auch Witsels Laufbahn nahm fortan eine andere Wendung als geplant.

Sein Wechsel zu Benfica wenige Monate später war wie eine Flucht, ein Jahr später ramponierte er sein ohnehin schon stark demoliertes Image noch mit einem Wechsel zu Zenit St. Petersburg - obwohl ihn unter anderem Real Madrid gerne verpflichtet hätte. Aber selbst die Königlichen konnten knapp acht Millionen Euro Jahresgehalt netto nicht zahlen.

Der Transfer von Russland in die chinesische Superleague zu Tianjin ein paar Jahre später schien dann das endgültige Aus für eine einst hoffnungsvolle Karriere.

Wieder wählte Witsel den Weg zum schnellen Geld und in die sportliche Sackgasse, schlug Angebote von Manchester United und Juventus aus.

In Russland und in China lässt sich auf internationaler Bühne kein Staat machen, aber es lassen sich eben rund 100 Millionen Euro verdienen. Witsel war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur ein übler Treter, sondern der Inbegriff des nimmersatten Profis, der nur noch dem Geld hinterherrennt.

Wie sich der Spieler nun von seinem bisherigen Arbeitgeber gewissermassen wegboykottiert hatte, wie er mit aller Macht auf den Wechsel zu Borussia Dortmund pochte und eine echte Posse vollzog, war durchaus erstaunlich.

Nicht weil Witsel involviert war, bei dessen turbulenter Vorgeschichte die Experten nicht gross überrascht waren. Sondern aus Sicht von Borussia Dortmund.

Der BVB ist diesmal der Nutzniesser

Der BVB hatte in den letzten Jahren viele Probleme mit wechselwilligen Spielern, die Dramen um die Transfers von Henrikh Mkhitaryan, Ousmane Dembele oder zuletzt Pierre-Emerick Aubameyang arteten nur so aus.

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kündigte daraufhin an, keine charakterlich zweifelhaften Spieler mehr zu verpflichten.

"Der nächste Spieler, der versucht, uns unter Druck zu setzen, indem er Leistung zurückhält oder gar streikt, wird damit nicht durchkommen - und auf der Tribüne sitzen", kündigte Watzke im Winter in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" an. Und weiter: "Das ist eine öffentliche Aussage, an der ich mich messen lasse."

Dass Witsel sich in China ähnlich bockig gebärdete, nahm Watzke nun jedoch dankend an. Den besten Leumund bringt sein neuer Spieler jedenfalls nicht mit.

Aber: Die sportliche Eignung Witsels für den BVB steht ausser Frage. Treter, Söldner - Witsels Image ist für Dortmunds Verantwortliche und Trainer Lucien Favre offenbar allenfalls zweitrangig.

Dortmund verstärkt seine Defensive

Der dringend nötige Umbau des Kaders steht im Vordergrund und bei vergleichsweise überschaubaren 20 Millionen Euro Ablöse ist Witsel sogar so etwas wie ein Schnäppchen. Der BVB treibt damit den radikalen Umbau seiner Defensive weiter voran.

Ebenfalls schon im Winter hatte Watzke einen Mentalitätswechsel innerhalb der Mannschaft als unausweichlich beschrieben. "Wir benötigen zwingend noch zwei, drei Spieler, die extreme Siegermentalität ausstrahlen, die gierig sind und auch mal böse werden können. Reibung sorgt für Dynamik!"

Gerade mit den beiden Mittelfeld-Abräumern Witsel und Thomas Delaney hat Dortmund nun zwei Spieler verpflichtet, die für Körperlichkeit und Einsatz- sowie Kampfbereitschaft stehen und den darbenden Teamgedanken wieder aufblühen lassen sollen.

Die Zeit der Feingeister soll in Dortmund ein Stück weit der Geschichte angehören, ab sofort darf auch wieder verstärkt gegrätscht werden.

Insgesamt hat der Klub nun schon fast 90 Millionen Euro für vier neue Defensivspieler ausgegeben: Deutlicher kann ein Signal kaum sein.

Bleibt im Fall Witsel noch die Sache mit dem Gehalt. Zwar verzichtet der Spieler im Vergleich zu den 18 Millionen Jahresgehalt netto in China auf jede Menge Geld. Aber auch die kolportierten zehn bis zwölf Millionen brutto, die Witsel beim BVB einstreichen soll, sind enorm und bringen das Gehaltsgefüge ordentlich durcheinander.

Bringt der Spieler schnell seine Leistung, ist das kein Problem für Mitspieler und Fans. Aber gerade Axel Witsel ist ein Spieler, bei dem nach dieser Vorgeschichte ganz genau hingeschaut werden wird.

Verwendete Quellen:

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