- Ob Weltfussballerin Alexia Puttellas oder Marie-Antoinette Katoto – die Liste der Fussballerinnen, die im Jahr 2022 einen Kreuzbandriss erlitten haben, ist lang und prominent.
- Fussballerinnen haben ein höheres Risiko, einen Kreuzbandriss zu erleiden als ihre männlichen Kollegen.
- Die nächsten Jahre versprechen kaum Entlastung.
Wenn am 7. Dezember die Frauen des FC Bayern München den FC Barcelona zum Champions-League-Gruppenspiel in der Allianz Arena empfangen (Anpfiff 21 Uhr), werden auf beiden Seiten prominente Leistungsträgerinnen fehlen. Bei den Bayern-Frauen zog sich Nationalspielerin Giulia Gwinn im Oktober einen Kreuzbandriss zu, im Monat zuvor erlitt die schwedische Nationalspielerin Hanna Glas die gleiche Verletzung. Für Gwinn ist es schon der zweite Kreuzbandriss, für Glas sogar schon der vierte. Weltfussballerin Alexia Puttellas fehlt dem FC Barcelona bereits seit dem Sommer ebenfalls wegen eines Kreuzbandrisses.
Doch nicht nur der FC Bayern und Barcelona sind betroffen. Im Jahr der Europameisterschaft häufen sich die schweren Knieverletzungen bei Fussballerinnen auf dem höchsten Level. Bei der EM im Sommer erwischte es die Französin Marie-Antoinette Katoto, ebenso Nordirlands Simone Magill. Bereits im April riss Deutschlands Spielmacherin Dzenifer Marozsán im WM-Qualifikationsspiel gegen Serbien das Kreuzband. Die Liste könnte problemlos noch um weitere Namen verlängert werden.
In der Champions League der Frauen wurde eine Gruppenphase eingeführt
Angesichts dieser Häufung von schweren Knieverletzungen stellt sich die Frage, ob die Belastung durch die vielen Spiele zu hoch ist. In der vergangenen Saison wurde eine Gruppenphase in der Champions League der Frauen eingeführt, was zu mehr Partien und damit verbundenen mehr Reiseaufwand führt.
Die Situation ist in gewisser Weise paradox. Einerseits soll die steigende Popularität des Frauenfussballs mit mehr Spielen bedient werden, andererseits könnte dies zulasten der Gesundheit der Spielerinnen gehen.
Nationalspielerinnen haben bis 2026 keine Sommerpause mehr
"Um das klarzustellen: Wir wollen das so, wir wollen viele spannende und interessante Spiele spielen. Aber an erster Stelle müssen die Menschen stehen", sagte Bayern-Trainer Alexander Straus kürzlich: "Einige der besten Spielerinnen der aktuellen Generation sind derzeit verletzt. In den besten Jahren ihrer Karriere. Das ist fürchterlich für sie."
Der Norweger zählte das Programm für die Nationalspielerinnen in den kommenden Jahren auf. Nach der Europameisterschaft in England in diesem Jahr, die wegen der Corona-Pandemie von 2021 ins Jahr 2022 verschoben wurde, steht im nächsten Sommer die Weltmeisterschaft in Australien und England an. Im Sommer 2024 wird das Fussballturnier bei den Olympischen Spielen in Paris gespielt, bevor dann 2025 schon wieder EM ist. Was bedeutet, dass die besten Fussballerinnen Europas ihre nächste echte Sommerpause erst 2026 haben werden.
Die Anforderungen an die Spielerinnen sind hoch, Druck und Reisestress sorgen für Müdigkeit, was wiederum zu Verletzungen führen kann. "Wir müssen einen gesamtheitlichen Blick darauf haben", forderte Straus und nahm die Verbände und Ligen in die Pflicht: "Wir müssen es schaffen, dass die besten Spielerinnen einer Generation in ihren besten Jahren auf dem Platz stehen können."
Nationalspielerinnen sprechen von sehr hoher Belastung
Ob die aktuelle Serie von Verletzungen mit der Belastung durch die Europameisterschaft zusammenhängt, findet Nationalspielerin Linda Dallmann schwer zu beurteilen. "Aber es ist schon auffällig, dass es auch in den anderen Nationen wie England oder Frankreich sehr viele schwere Verletzungen gibt. In einer Statistik war kürzlich von 30 Kreuzbandrissen in den Top-5-Ligen die Rede, Frauen sind dafür genetisch anfälliger. Das zeigt, dass die Belastung enorm ist und es wird in den nächsten Jahren nicht besser", erklärte die Offensivspielerin des FC Bayern.
"Es ist aber auch die Verantwortung der Spielerinnen, ehrlich zu kommunizieren, wenn etwas sein sollte, um die Belastung in Zusammenarbeit mit dem Verein bestmöglich zu steuern", erklärte Dallmann weiter.
Ähnlich sieht es Dallmanns Vereins- und Nationalmannschaftskollegin
Fussballerinnen haben ein erhöhtes Risiko für Kreuzbandrisse
Generell sind bei Frauen wie bei Männern Müdigkeit und kurze Regenerationszeiten - beispielsweise nach mehreren englischen Wochen hintereinander - Risikofaktoren für schwere Knieverletzungen. Zusätzlich haben aber Fussballerinnen ein deutlich höheres Risiko als ihre männlichen Kollegen, sich ohne Kontakt mit einer Gegenspielerin eine Kreuzbandverletzung zuzuziehen. Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) beziffert das Risiko auf etwa zwei- bis achtmal so hoch.
Die genauen Gründe dafür werden derzeit noch erforscht, die unterschiedliche Anatomie spielt aber sicher eine Rolle. Während Männer eher zu O-Beinen neigen, haben Frauen eher X-Beine, die anfälliger für Kreuzbandverletzungen sind. Auch die im Verhältnis geringere Muskelmasse der Frauen trägt zu dem Risiko bei.
Dass die aktuelle Häufung von schweren Knieverletzungen im Frauenfussball in ein Jahr fällt, in dem die besten Spielerinnen so viele Spiele wie wohl noch nie zuvor zu absolvieren haben, ist also vermutlich kein Zufall. Die nächsten Jahre, in denen die Belastung nicht geringer wird, werden zeigen, ob sich dieser ungute Trend bestätigt.
Verwendete Quellen:
- Zitate aus eigenen Interviews mit Linda Dallmann und Klara Bühl und einem Pressegespräch mit Alexander Straus
- ntv.de: Warum Frauen viel häufiger einen Kreuzbandriss erleiden
- bvou.net: Bundesverband für Orthopädie und Unfallchirurgie: Schwachstelle Knie: Übungen senken Verletzungsrisiko
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