Der Fussballclub YB verzückt in diesen Wochen die Schweizer Hauptstadt. Die Euphorie nach dem Meistertitel der Young Boys ist schier grenzenlos. Und am Sonntag sollen die Fussballgötter in Bern nach dem Cupfinal zwischen YB und Aussenseiter FC Zürich erneut gefeiert werden.

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Die Durststrecke war lange, der Niederlagen waren viele. Doch dieser Tage versinkt Bern in einem gelb-schwarzen Freudentaumel. Es gibt gerade sehr viel zu feiern, die Young Boys machen endlich wieder glücklich, die erste Meisterschaft des Fussballclubs seit 1986 hat in der Stadt eine grenzenlose Euphorie ausgelöst.

Mal wird leidenschaftlich gejubelt, wie nach dem längst legendären 2:1-Sieg gegen Luzern Ende April, mit dem YB den Titel sicherstellte. Mal feierlich, wie bei der Pokalübergabe ein paar Tage später im erneut ausverkauften Stade de Suisse.

Und mal enthusiastisch, wie am Pfingstsonntag beim triumphalen Umzug vom Bundesplatz durch die Gassen der Hauptstadt bis zum Stadion raus. Zehntausende feierten die Meisterhelden bei der Präsentation vor dem Bundeshaus und auf dem Weg an ihre Arbeitsstätte wie Götter, die sie im Grunde genommen ja auch sind.

Flankengötter wie Kevin Mbabu, Sturmgötter wie Guillaume Hoarau, Goaliegötter wie Marco Wölfli, den Routinier, der nach fast 20 Jahren bei YB endlich mit einem Titel für seine Treue belohnt wird.

Und natürlich Trainergötter wie Adi Hütter, den Österreicher, der seit September 2015 die zuweilen träge Wohlfühlmentalität aus Verein und Team vertrieb. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt Hütter nach den vielen meisterlichen Partys. "Daran werde ich mich ein Leben lang erinnern."

Der 48-Jährige gewann in seiner Heimat mit Red Bull Salzburg Meisterschaft und Pokal, er zieht im Sommer weiter nach Deutschland – zu Eintracht Frankfurt in die Bundesliga. Vorher will er seine Arbeit in Bern aber mit dem Cupsieg krönen am Sonntag im Final gegen Zürich. "Ich bin sicher, dass wir wieder genügend Spannung aufbauen können", sagt Hütter. "Diese Mannschaft ist in dieser Saison gewachsen und zusammengerückt."

Spychers starke Arbeit

Die Sache mit den Göttern ist selbstredend sinnbildlich gemeint. Und sie passt schon alleine deswegen, weil man den eigentlich heiligen Pfingstsonntag, an dem in Bern keine Veranstaltungen erlaubt sind, mit einer kleinen Schlaumeierei öffnete für den Meisterumzug. Ein "traditionsreicher Anlass" sei das grosse Fest, welches in Wahrheit noch gar nie in diesem Rahmen durchgeführt worden war.

YB darf und kann fast alles derzeit, so ist das in Bern, und der grösste Baumeister des Aufstiegs der Young Boys ist Sportchefgott Christoph Spycher. Der Berner ist bodenständig und fleissig, ein kompetenter Teamplayer, der als Identifikationsfigur und Sympathieträger in Bern vermutlich mit Bestergebnis in den Ständerat gewählt werden würde. Egal für welche Partei.

Der frühere Nationalspieler und einstige YB-Captain hat sein Amt im Herbst 2016 übernommen, als die Young Boys nach turbulenten Ereignissen mal wieder am Boden lagen und ihrem Ruf als BSC Hollywood gerecht wurden. Und Spycher schaffte nach vielen Jahren der hohen Millionenverluste des Clubs die Quadratur des Kreises: besser werden – und günstiger.

Mit smarten Transfers verstärkten der Sportchef und seine Crew das Team trotz gewichtigen Abgängen, und weil der Gigant und Serienmeister FC Basel in dieser Saison schwächelte, dominierte YB fast nach Belieben. Nach der Winterpause waren die spielstarken, talentierten Young Boys nicht mehr zu bremsen. "Es bedeutet mir sehr viel, diesen Titel mit YB gewonnen zu haben", sagt Spycher. "Denn als Bub war ich ein Fan des Clubs, später als Spieler gelang es mir leider nie, einen Pokal zu holen."

"Veryoungboysen" ist nicht mehr

Hütter und Spycher sind die Baumeister des Erfolgs bei YB. Der eine geht, der andere bleibt, und weil der eine geht, hat der andere ein Problem. Es wird nicht einfach werden, Adi Hütter zu ersetzen, das weiss Spycher genau. Der 40-Jährige steht vor seiner wichtigsten Personalentscheidung.

Parallel dazu muss das Kader neu komponiert werden, mehrere Stammkräfte werden den Verein wie Hütter in eine grosse Liga verlassen. Fussballgott zu sein in Bern ist zwar schön und recht, anderswo aber sind Niveau, Bedeutung und Lohn noch höher. "Die Kunst ist es, Umbrüche in einem Team erfolgreich zu gestalten", sagt Spycher. "Die Zeit steht nicht still, nun werden wir die Gejagten sein."

Noch aber denkt in Bern kaum einer an die nächste Saison. Nach dem Cupfinal gegen Zürich soll die dritte Freinacht in kurzer Zeit steigen, der Hunger ist trotz Meistertitel nicht gestillt. Der Höhenflug der lokalen Fussballer hat die allgemeinen Selbstzweifel in Bern zumindest temporär vertrieben, die Wahrnehmung hat sich verändert.

Das Jammern und Hadern gehörte rund um YB dazu, die ewigen Niederlagen in grossen Partien wurden teilweise auch zelebriert, nun ist der Begriff "veryoungboysen" gelöscht. Daran muss man sich zuerst einmal gewöhnen. Im Gegensatz zum Eishockeyriesen SCB galten die Young Boys jahrzehntelang als Verliererclub. Dieses Image wurde beinahe schon sorgsam gepflegt. Mit Skandalen und Rückschlägen und Misswirtschaft. Nun steht das Wort "geyoungboyst" für das neue YB.

Zwei Todesfälle in den Feierwochen

Und auch wenn sich derzeit schier jeder Intellektuelle und Schriftsteller und Politiker in Bern zu den Young Boys bekennt, so waren und sind es Zürcher Milliardäre, die in einer Art Finanzausgleich den Berner Aushänge-Fussballverein zuletzt unterstützten. Andy und Hansueli Rihs übernahmen Club und Stadion vor über einem Jahrzehnt, sie änderten die Strategie oft, mal investieren sie, mal sparten sie, dann riefen sie zum Angriff auf Basel auf, um sich kurze Zeit später wieder demütig zu geben.

Die hohen Verluste bezahlten sie zwischen 2010 und 2016 immer, vor zwei Jahren verlangten sie aber stabileres wirtschaftliches Schaffen. Ohne die Brüder Rihs würde es 2018 keinen Schweizer Meister geben. Umso tragischer ist es, verstarb Andy Rihs Mitte April nach einer Krebserkrankung. "Er ging im Wissen, dass YB Meister wird", sagt sein Bruder Hansueli. "Auch für ihn ist das eine gewaltige Freude."

Ein anderer riesengrosser, bekannter YB-Fan starb wenige Tage nach Realisierung des Titelgewinns. Alexander Tschäppät, lange Zeit Berns Stadtpräsident, hätte die Young Boys sehr gern während seiner Amtszeit als Meister gewürdigt. Auch für ihn wurde in den Partien des Jubelns eine Schweigeminute im Stade de Suisse abgehalten.

Musik und Sport

Freude und Trauer liegen im Leben oft nahe beieinander. Wer weiss das besser als Kuno Lauener, Kultsänger der Berner Mundartband Züri West. Er ist einer von zahlreichen Berner Musikern mit einem ausgeprägten Herz für die Young Boys. Selbstverständlich traten auch Züri West an der Meisterparty im Stadion vor rund 40'000 Partygästen auf, ihre Hymne "Irgendeinisch fingt ds Glück eim" (irgendwann findet einen das Glück) ist inoffizieller Clubsong geworden.

Der Pfingstsonntag geriet ohnehin zur bemerkenswerten Symbiose zwischen Musik und Fussball. Bern ist eine tolle Musikstadt. Und Bern ist eine erfolgreiche Sportstadt.

Seit 2018 auch wieder wegen den Young Boys.


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