Lena Oberdorf wechselt vom VfL Wolfsburg zum FC Bayern München. Für die Bundesliga ist es der teuerste Transfer der Geschichte – und einer der beeindruckendsten. Doch warum eigentlich?
Der FC Bayern München verpflichtet Lena Oberdorf von Ligakonkurrent VfL Wolfsburg. Für eine medial spekulierte Ablösesumme von 200.000 bis 250.000 Euro wechselt die Mittelfeldspielerin zum FCB und wird damit zum teuersten Transfer der Bundesliga-Geschichte.
Allein das ist Grund genug, von einem der spektakulärsten Wechsel der Historie zu sprechen. Doch was steckt noch dahinter? Und warum lässt sich die Bedeutung des Transfers gar nicht überschätzen?
Lena Oberdorf: Die beste Fussballerin Deutschlands?
In der jüngeren Vergangenheit gab es sowohl im Fussball der Männer als auch in jenem der Frauen kaum vergleichbare Transfers – rein sportlich betrachtet. Vielleicht
Sie ist wahrscheinlich aktuell die beste deutsche Fussballerin. Denn in den vergangenen Jahren hat sie sich sowohl beim VfL Wolfsburg als auch bei der Nationalelf als absolute Schlüsselspielerin festgespielt.
Diese Mischung macht den Transfer nochmal spektakulärer. Dass Spieler oder Spielerinnen bereits bei einem Topklub spielen und dann nochmal einen Schritt zu einem anderen Verein gehen, kommt selten vor. Noch seltener ist es, dass man zum direkten Konkurrenten wechselt.
VfL Wolfsburg: Auf dem absteigenden Ast?
Gedanken machen muss sich darüber vor allem der VfL Wolfsburg, der ganz offensichtlich nicht in der Lage war, seine wichtigste Spielerin zu halten. Eine Situation, die man bei den Wölfinnen sonst nur andersherum kennt. Jahrelang hat man selbst Topspielerinnen von der Konkurrenz verpflichtet. Gingen Spielerinnen vom VfL weg, dann tendenziell eher ins Ausland.
In Wolfsburg liegt derzeit einiges im Argen und dass Oberdorf sich für München entscheidet, ist ein weiteres Indiz dafür. Pressemitteilungen zu solchen Transfers haben oft einen sehr formellen Charakter. Bloss niemandem auf den Schlips treten. Doch zwischen den Zeilen bieten sie oftmals Interpretationsspielraum.
"Ich habe gute Gespräche mit Cheftrainer Alexander Straus und Abteilungsleiterin Bianca Rech geführt und die Vision des Vereins, was man in den nächsten Jahren erreichen möchte, hat mir sehr gut gefallen", wird Oberdorf vom FC Bayern zitiert: "Man hat mir auch gezeigt, wo meine Potenziale liegen und was man noch aus mir rausholen kann."
Die offensichtliche Frage, die sich daraus ergibt: Ist dem VfL Wolfsburg das nicht gelungen? Eine Vision ist aktuell nicht zu erkennen. Sportlich stagniert man auf einem Level, das den eigenen Ansprüchen nicht genügt, und wird mit dem Abgang von Oberdorf weiteres Niveau verlieren. Mit dem Wachstum der Konkurrenz schmilzt der Vorsprung von Jahr zu Jahr spürbar, die Dominanz der vergangenen Dekade scheint sich dem Ende zu neigen.
FC Bayern München: Das nächste grosse Statement
Auch für den FC Bayern hat der Oberdorf-Transfer eine Statement-Wirkung. Erstmals gelingt es den Münchnerinnen, eine absolute Topspielerin, die ihren Zenit voraussichtlich noch längst nicht erreicht hat, von einem direkten Konkurrenten zu verpflichten.
Es ist bemerkenswert, wie sich der Klub in den letzten Jahren strategisch entwickelt hat. Als Bianca Rech 2019 als Sportdirektorin übernahm, verfolgte sie eine klare Vision, entwickelte einen Vierjahresplan, der für jede neue Saison einen weiteren Schritt in Richtung Ligaspitze vorsah. Wie so oft sind solche Prozesse nicht linear. Beide Meistertitel – 2021 und 2023 – kamen womöglich sogar etwas zu früh. Anschliessend gab es jeweils spürbare Rückschritte - auch mit der steigenden Erwartungshaltung.
Spätestens aber mit der Verpflichtung von Alexander Straus als Trainer und der Installation des technischen Leiters Francisco De Sá Fardilha hat man bei den Bayern eine Entwicklung angestossen, die auch bei den Topspielerinnen nicht unbemerkt bleibt. Hin zu einer klaren Spielidentität mit vielversprechenden Talenten und gestandenen Weltklassespielerinnen. Weg von jährlichen Umbrüchen, weil die besten Spielerinnen nach Wolfsburg oder ins Ausland wechselten.
Bayern hat nicht nur Geld in die Hand genommen, sondern ist auch strukturell und visionär vorgegangen. Man verfolgt einen klaren Plan. Nur deshalb ist ein Transfer wie jener von Oberdorf auch möglich.
Lena Oberdorf: Bayern sticht internationale Konkurrenz aus
Zumal sich die Noch-Wolfsburgerin auch für das Ausland hätte entscheiden können. In England gab es nach Informationen der Redaktion mehrere Klubs, die Oberdorf im kommenden Sommer gern unter Vertrag genommen hätten – und auch nochmal mehr Gehalt geboten hätten. Bei den Bayern soll die Nationalspielerin laut der "Bild" rund 20.000 Euro im Monat verdienen.
Insofern wäre es falsch, den Transfer nur auf die finanziellen Aspekte zu reduzieren. Oberdorf hat sich für eine Perspektive entschieden – und womöglich für den insgesamt mittlerweile attraktivsten Standort im Fussball der Frauen.
Klar ist damit auch, dass die Ansprüche für den FC Bayern München schlagartig andere sind. Auch zuvor hat man mit Georgia Stanway, Pernille Harder oder Magdalena Eriksson Top-Spielerinnen geholt, um sich gegen namhafte Konkurrenz durchzuseten. Doch mit diesem Transfer geht man nochmal einen Schritt weiter und sendet nicht nur ein klares Signal an den VfL Wolfsburg, sondern auch an sich selbst.
Hat man in den vergangenen Jahren noch eher vorsichtig darauf reagiert, wenn man nach der Wachablösung im deutschen Fussball gefragt wurde, dürfte jetzt allen klar sein, auf welchem Weg sich die Bayern befinden. Der Oberdorf-Transfer ist insofern nicht nur für sich betrachtet eine grosse Sache. Er stellt womögliche eine Zäsur dar.
Der Wechsel von Oberdorf zum FC Bayern ist deshalb einer der eindrucksvollsten Transfers der deutschen Fussballgeschichte. Einer der wenigen, die den Titel "Blockbuster-Transfer" tatsächlich verdienen.
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