Franz Beckenbauer macht sich Sorgen um den Hamburger SV, Hannover 96 macht's brutal, Schiedsrichter Michael Weiner macht trotz bester Intentionen alles falsch und der FC Augsburg macht uns glücklich. In unserer Serie ziehen wir die etwas anderen Lehren aus dem jeweiligen Spieltag der Bundesliga.
1. Erkenntnis: Thiago stellt Rekorde auf, die wir überhaupt noch nicht kannten
Eigentlich würden wir gerne gähnen und sagen "Ach Gott, was ist die Bundesliga langweilig geworden". Und dann noch ein bisschen auf die Dominanz des FC Bayern München schimpfen. Aber ehrlich gesagt, eigentlich fanden wir das Spiel gegen Eintracht Frankfurt gut. Schöner Fussball und so. Ausserdem schafft es der FCB respektive seine Spieler doch immer wieder uns zu überraschen. Indem sie nämlich Rekorde aufstellen, über die wir im Leben noch nicht nachgedacht haben. Und wir haben schon ziemlich viel nachgedacht.
Dieses Mal überraschte uns Thiago - unser neuer Lieblingsspieler des FC Bayern - mit Bundesliga rekordtauglichen 185 Ballkontakten in einem Spiel. Und ja, das zählt tatsächlich ein Mensch mit. Und jetzt für alle Statistikfüchse: Vorheriger Rekordhalter war
2. Erkenntnis: Sogar Beckenbauer macht sich schon Sorgen um den HSV
Platz 17! Das ist ein Abstiegsplatz, lieber Hamburger SV! Nur falls es noch niemandem aufgefallen ist. Waren nicht eigentlich die internationalen Plätze das Saisonziel? Viel weiter kann man davon ja wohl kaum entfernt sein. Und viel schlechter als gegen die TSG 1899 Hoffenheim kann man auch nicht spielen. Im Namen aller HSV-Fans hoffen wir, dass mit dieser ideen- und blutleeren Vorstellung endlich der Tiefpunkt erreicht ist und es ab sofort nur noch bergauf gehen kann. Das kann sich ja keiner mehr anschauen. Inzwischen macht sich sogar der "Kaiser" Franz Beckenbauer Sorgen um den HSV - der ja immerhin seit Anbeginn der Zeit in der Bundesliga spielt. "Im Kopf müssen sie frei werden, Fussball spielen können sie. Vielleicht kapieren sie es jetzt. Ich kann mir den HSV nicht in der 2. Liga vorstellen. Deswegen muss alles getan werden. Das darf nicht passieren, dass sie in die 2. Liga absteigen", platzte es aus Beckenbauer bei "Sky" heraus. Und er hat ja so recht. Alles muss getan werden! Alles!
Jetzt müssten wir oder wahlweise auch Trainer Bert van Marwijk nur noch herausfinden, was dieses "alles" ist. Und dann wäre der HSV ganz schnell vor dem Abstieg bewahrt.
3. Erkenntnis: Wie man's macht, macht man's falsch
Schiedsrichter Michael Weiner wollte wohl einmal Applaus bekommen. Und im Normalfall bekommt man den immer, wenn man als Referee einen Fehler eingesteht und eine Entscheidung zurücknimmt. Und deshalb nahm Weiner beim Spiel von Hertha BSC gegen den 1. FC Nürnberg die Rote Karte gegen Nürnbergs Ondrej Petrak wegen Handspiels auf der Torlinie zurück. Und auch Elfmeter gab es auf einmal keinen mehr. Weil abseits anscheinend. War es aber nicht. Und Weiner bekommt wieder keinen Applaus. Höchstens von Seiten der siegreichen Nürnberger. Aber auch nur ganz leise.
Weiner jedenfalls wird sich überlegen, ob er je wieder eine Entscheidung zurücknimmt. Und Assistent Norbert Grudzinski, der das vermeintliche Abseits gesehen hatte, sollte seinem Chef doch mindestens ein Bier ausgeben, finden wir. Und dann vielleicht ein bisschen applaudieren.
4. Erkenntnis: Hannover macht's jetzt brutal
Tayfun Korkut, der neue Trainer von Hannover 96, stellt uns gehörig auf die Probe. Wir kämpfen ständig damit, nicht jeden Absatz mit "Ein Tayfun ist über Hannover hereingebrochen" anzufangen. Das ist harte Arbeit. Harte Arbeit ist es seit Korkuts Amtsantritt übrigens auch, gegen Hannover zu spielen. Das bekam am Wochenende Borussia Mönchengladbach zu spüren, die sich mit 1:3 vom Platz pusten liessen. (Ok, wir lassen die Wind-Witze ab sofort. Versprochen.)
Das Erfolgsrezept: Hannover hat eine neue Brutalität entdeckt. Und die kommt sogar ohne Rote Karten aus. Sie baut darauf auf, brutal wenig Ballbesitz zu haben (35 Prozent gegen Gladbach) und dann "brutale Konter" (Gladbachs Verteidiger Tony Jantschke) im Tor unterzubringen. Klappt brutal gut bisher.
5. Erkenntnis: FC Augsburg - in der Ruhe liegt die Kraft
Psssst! Hören Sie das? Wir haben mal alle Streits, Aufregerthemen und Trainer-in-Frage-Stellungen, die es beim FC Augsburg in den vergangenen Monaten gegeben hat, übereinandergelegt und herausgekommen ist: Nichts! Die Augsburger sind die Meister der Ruhe, die Hüter der Stille, die Dompteure der Unaufgeregtheit. Und deshalb gönnen wir ihnen jeden Sieg, jeden hart erarbeiteten Punkt. Und wenn der FCA dann auch noch Tore schiesst, wie diese Direktabnahme von Halil Altintop beim 3:1-Sieg gegen Bremen, um so besser. Dann können wir nämlich unsere Sympathie für die Schwaben auch fussballerisch begründen und das ist nie schlecht.
Im Zirkus der Bundesliga zwischen "hochsterilisierten"(frei nach Bruno Labbadia) Bankdrückanimositäten und "Die Bayern wollen uns zerstören"-Diskussionen gibt uns der FC Augsburg jedenfalls das Gefühl zurück, dass es im Fussball auch nur um Fussball gehen kann. Und das ist schön.
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