Der Verkauf von Jonatan Soriano bedeutet für die Salzburger eine Zäsur. Die Ausrichtung wird in Zukunft eine andere sein als in den letzten Jahren. Und bald könnte noch ein Kind zur Red-Bull-Familie stossen.
Wie das so ist, wenn man plötzlich Disziplin halten muss mit seinem Etat, lernen sie in diesen Wochen in Salzburg. Seit der Umwandlung des Sponsorings von Red Bull, weg von unter anderem dem Bestellungsrecht für den Vorstand und hin zu einem handelsüblichen Hauptsponsorenvertrag, hat sich einiges geändert beim Serienmeister.
Red Bull Salzburg ist auf sich alleine gestellt, sie müssen akkurat wirtschaften und ihre Bilanzen selbst ausgleichen. Bis vor einem Jahr hatte das der Mutterkonzern übernommen und jedes Jahr für eine Million Euro Überschuss gesorgt - völlig egal, ob de facto ein Minus erwirtschaftet wurde oder nicht.
Diese neue Selbstständigkeit birgt einige Risiken, wie nicht nur der Verkauf von Jonatan Soriano dieser Tage noch einmal verdeutlicht. Salzburg ist, was das Gebaren auf dem Transfermarkt anbelangt, nun ein Klub wieder jeder andere, der die Bilanzen ausgeglichen halten muss. Und zur Not, wie in Sorianos Fall, einen begehrten Spieler auch ziehen lassen muss.
Nun war der Abgang des Spaniers keine grosse Überraschung. Der Torjäger wird in diesem Jahr 32 Jahre alt, er hat fünf Jahre für Red Bull gespielt, ist der beste ausländische Torjäger aller Zeiten in Österreich und wollte nun eben im Herbst seiner Karriere die letzte Gelegenheit nutzen, um noch einmal richtig zu kassieren: Rund acht Millionen Euro pro Jahr soll Soriano bei Beijng Guoan verdienen.
100-Millionen-Marke geknackt
Damit verlässt nun auch der Letzte der glorreichen Vier den Brauseklub. Zuvor waren schon Sadio Mane, Kevin Kampl und Alan abgewandert, das Quartett stand für Fussball der Spitzenklasse und haufenweise Tore. Nimmt man die Ablösen für Naby Keita und Dayot Upamecano noch dazu, hat Salzburg nun die 100-Million-Euro-Marke an Transfererlösen geknackt. "Darauf kann man extrem stolz sein", sagt Sportchef
Soriano darf als Rollenmodell für die Zukunft gelten: Der Spanier spült Red Bull zehn Millionen Euro Ablöse in die Kassen. Als Salzburg ihn 2012 vom FC Barcelona nach Österreich lockte, kostete Soriano nur 500.000 Euro. Die Wertsteigerung an sich ist schon enorm, dazu hat der Spieler in fünf Jahren aber auch noch sagenhafte 172 Pflichtspieltore erzielt. Mehr geht nicht. Was unweigerlich zu der Frage führt: Wie geht es weiter ohne die Gallionsfigur?
"Wir sehen seinen Abgang als Chance, dass wir uns weiterentwickeln", sagt Freund. Einen Spieler dieser Art, der aus dem Mittelfeld heraus spielen und als Knipser vor dem Tor fungieren kann, gibt es nur sehr selten. Und vielleicht werden die Salzburger deshalb ihren Spielstil auch umstellen müssen. "Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass wir sehr, sehr gut aufgestellt sind und die Mannschaft das auf Dauer kompensieren wird", meinte Freund. Das könnte allerdings ein wenig dauern.
Fokus auf den Nachwuchs
Die grundlegende Strategie der Salzburger hat sich bereits mit dem teilweisen Rückzug von Red Bull verändert. Seitdem legt der Klub noch mehr Augenmerk auf die Ausbildung seiner Jugendspieler. Was offenbar auch ganz gut funktioniert: In der Youth League, der kleinen Variante der Champions League für die U-19-Mannschaften der Top-Klubs Europas, haben die Salzburger zunächst Manchester City in den Playoffs und dann Paris St.-Germain im Achtelfinale ausgeschaltet, die Franzosen sogar mit einem unglaublichen 5:0-Sieg.
Salzburg wolle in Zukunft noch weniger externe Spieler zukaufen und stattdessen "vielleicht 70 oder 80 Prozent" des Kaders mit Spielern aus der eigenen Jugend abdecken. "Wir werden nur noch sehr situativ Spieler dazu holen", kündigte Freund an. Über das Farmteam FC Liefering soll die Zufuhr an Talenten stets gewährleistet bleiben, um dann in Salzburg auf hohem nationalen Niveau die nächsten Kampls, Keitas und Sorianos auszubilden.
"Dieser Status als Sprungbrett ist ganz etwas Wertvolles, dass man junge Spieler dazu bringt, dass sie überhaupt in Österreich spielen", so Freund.
Die ganz grossen Ziele, so scheint es, stehen in Salzburg nicht mehr ganz oben auf der Agenda. Die Teilnahme an der Champions League ist eine vage Aufgabe. Aber noch ist ja gar nicht geklärt, ob Red Bull Salzburg und RB Leipzig gemeinsam an einem Wettbewerb teilnehmen dürften.
Interesse an Udinese Calcio?
Und auch Meldungen aus Italien liessen zuletzt wieder aufhorchen. Bereits im letzten Jahr gab es immer wieder Gerüchte um einen Einstieg Red Bulls bei Udinese Calcio. Nur rund 250 Kilometer liegen zwischen dem Grossraum Salzburg und Udine in Norditalien, der Klub hat gerade sein Stadion modernisiert und ist auf diesem Sektor fast allen anderen Klubs der Serie A damit einen grossen Schritt voraus.
Investitionen in die Infrastruktur könnte Red Bull sich also sparen. Dafür würde man sich auch eine exzellent funktionierende Scoutingabteilung einverleiben und, nicht zuletzt, einen Fuss in der Tür des italienischen Fussballs haben.
Bis 2020 läuft Udines Vertrag mit Hauptsponsor "Dacia", eine Übernahme in den Jahren davor scheint demnach ausgeschlossen. Aber ein "softer Einstieg" über einen Sponsoringvertrag oder als Investor wäre möglich.
Vor zehn Jahren war Salzburg noch das einzige Baby der Red-Bull-Fussballfamilie. Längst sind andere dazu gekommen und vielleicht ja in Italien demnächst das nächste. Und wie das unter Kindern so ist: Es muss geteilt werden und nicht jeder kann immer gleich viel Aufmerksamkeit bekommen. Und vielleicht erkaltet die Liebe von Dietrich Mateschitz für seine Bullen aus Salzburg noch etws mehr …
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