Christian Streichs letztes Heimspiel als Freiburg-Trainer wird zu einer überdimensionalen Huldigung, selbst Gegner Heidenheim stimmt in die Elogen mit ein. Mit Streich geht bald nicht nur ein Stück Freiburg, sondern auch eine Institution der Bundesliga. Schon vor dem Anpfiff fliessen Tränen.
Christian Streich musste sich ein paar Minuten Zeit nehmen nach seinem letzten Heimspiel als Trainer des SC Freiburg und vor der letzten grossen, besonders emotionalen Huldigung der Fans im Europapark-Stadion. Seine Mannschaft hatte gerade nur 1:1 gespielt gegen den renitenten Aufsteiger aus Heidenheim, es war ein herber Rückschlag für die Europapokalambitionen des Klubs.
Wie schon vor dem Spiel musste
Nach zwölfeinhalb Jahren und 487 Spielen als Cheftrainer der Lizenzspielermannschaft war die Partie gegen Heidenheim Streichs letzte vor heimischem Publikum. Und noch einmal eine besonders emotionale. Viele alte Weggefährten waren seinetwegen gekommen, ehemalige Spieler wie Nils Petersen, Ex-Bundestrainer und Streich-Freund
Ein typischer Christian Streich zum Abschluss
Schon vor dem Spiel lag eine flirrende Stimmung über dem Stadion, die praktischerweise von den Spielplanern der DFL unfreiwillig noch unterstützt wurde. Mit Heidenheim war zufällig ein Klub zu Gast, der dem SC Freiburg in einigen Kernpunkten sehr ähnelt, der Kontinuität, Seriosität und Zusammenhalt nicht nur als leere Worthülsen vor sich herträgt, sondern diese Attribute auch lebt.
Und mit
Also wurde das Rahmenprogramm vor und nach dem Spiel zu einer grossen Partie mit viel Herzschmerz und Erinnerungen und natürlich auch der einen oder anderen Träne. Inklusive gegenseitiger Huldigungen: Zunächst liess es sich Streich in seiner fast schon typischen Art nicht nehmen, den Heidenheimern nach dem Spiel zum glücklichen Punktgewinn zu gratulieren. „Glückwunsch an Heidenheim! Wenn wir ein Heimspiel schon wieder nicht gewinnen können, dann am liebsten gegen Heidenheim“, eröffnete Streich seine Rede an die Fans. Und auch den Heidenheimer Ultras war Streichs Einzigartigkeit ein grosses, goutierendes Banner wert.
Mit Streich und dessen Co-Trainer Patrick Baier verlassen nicht nur zwei Übungsleiter einen Klub. Mit den beiden gehen zwei Freiburger Institutionen. Baier war über 30 Jahre im Klub, Streich dient dem SC Freiburg seit 29 Jahren, zunächst als Jugendtrainer und seit dem 29. Dezember 2011 als Cheftrainer der Profis. Davor war er bereits ein paar Jahre Spieler beim SCF.
"29 Jahre Trainer, zwölfeinhalb Jahre Cheftrainer, man muss einfach sagen, du hast eine Ära geprägt, wie nur ganz wenige vor dir. Mir bleibt nur, mich zu verneigen. Dir von ganzem Herzen Danke zu sagen. Du kamst als Kollege und gehst als Freund, wir werden dich nie vergessen", setzte Freiburgs Sportvorstand Jochen Saier zu einer Laudatio an, begleitet von einer kurzen Reise durch die Streich-Jahre beim SCF.
"Ich möchte mich herzlich bedanken - für alles. Danke an euch für alles, für eure Liebe und Nähe zum Verein, alles Gute", war Streichs knapper Kommentar, ehe er sich zusammen mit Baier auf die Ehrenrunde machte. Und dort einen Flitzer vom Sicherheitsteam loseiste. Der Mann war auf dem Weg zu Streich unsanft zu Boden gebracht worden, auf Streichs Intervention hin durfte der Fan dem scheidenden Trainer dann doch noch in die Arme fallen und hemmungslos losheulen.
Authentisch unverstellt liess dann auch Streich nach den paar Minuten Bedenkzeit und dem Ärger über zwei verschenkte Punkte seinen Lauf, überwältigt von den Reaktionen der Fans und seinen Gefühlen. Um dann auf der Pressekonferenz doch wieder den Streich zu geben, der gelassen und vergleichsweise nüchtern der Erlebte zusammenfasste.
"Die Leute haben mir freundlicherweise applaudiert. Also habe ich ihnen applaudiert. Weil das eine gute Verbindung war über so viele Jahre. Weil‘s toll war und weil sie Dinge honorieren, über die man sehr dankbar ist. Aber sonst ist mir nichts durch den Kopf gegangen."
Anders als dem einen oder anderen Spieler. Mehrere Dutzend hat Streich in Freiburg gross gemacht, aus der Akademie an die Bundesliga herangeführt und sogar zu Nationalspielern gemacht. Christian Günter ist so einer, wie Streich seit Jahrzehnten im Klub. Oder Vincenzo Grifo, der – natürlich – nur lobende Worte für seinen Noch-Chef fand.
„Er ist ein Stück weit aussergewöhnlich, er hat eine andere Art. Er ist nicht nur Trainer, er interessiert sich auch für den Menschen. Fussball ist ja manchmal ein sehr hartes Geschäft, aber er ist ja einer, der jeden Spieler auch privat kennt. Man hat viele tolle Gespräche mit ihm und das gibt dir dann das Gefühl, dass du ein besonderes Vertrauen zu ihm hast.“
Christian Streichs letzte Mission
Ein letztes Mal werden Christian Streich und Patrick Baier nun am kommenden Wochenende eine Freiburger Mannschaft in der Bundesliga anleiten. Beim Auswärtsspiel an der Alten Försterei in Berlin endet dann endgültig eine Ära. Nicht nur im Breisgau, sondern in der gesamten Bundesliga.
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Christian Streich ist mit seinem SCF dann auf einer letzten Mission, gegen die vom Abstieg bedrohten Unioner steht für beide Klubs ein echtes Endspiel im Kampf um die jeweiligen Saisonziele an. Für Freiburg geht es um den Einzug in einen europäischen Wettbewerb und allein diese Konstellation ist an sich schon sensationell genug.
Mit dem Abstiegskampf haben die Freiburger nun schon ein paar Jahre kaum noch etwas zu tun. Das ist das eigentliche Vermächtnis von Christian Streich und das gilt es aus Freiburger Sicht mit der nötigen Klarheit und Demut auch zu wahren. Sorgen muss man sich um die Breisgauer dabei wohl eher nicht machen. Auch ohne Christian Streich.
Verwendete Quellen
- scfreiburg.com: Danke, Christian Streich
- t-online.de: Selbst bei einem Flitzer zeigt er seinen Charakter
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