Während der FC Bayern derzeit von Sieg zu Sieg eilt, laufen im Hintergrund die Planungen für den Bayern-Kader der Zukunft. Kaum beachtet wurde dabei im Winter die Vertragsverlängerung eines grossen Nachwuchstalents, das die Münchner aktuell an den Hamburger SV in die zweite Liga ausgeliehen haben: Adrian Fein.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der Vertrag des 20-Jährigen Adrian Fein wurde kurz vor Jahreswechsel bis ins Jahr 2023 verlängert. Dass dieser Move mehr ist als eine Absicherung für einen möglichen Verkauf des Top-Talents, hatte Sportchef Hasan Salihamidzic schon im vergangenen Herbst deutlich gemacht.

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"Wir sehen hier die Chance, dass eines unserer Talente nach überzeugenden Lehrjahren im Profifussball zum FC Bayern zurückkehrt und Mitglied unserer Mannschaft wird. Wir stehen in regelmässigem Austausch mit dem Jungen, er hat die Qualität, das zu schaffen", sagte "Brazzo" damals der "Sport-Bild".

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Der FC Bayern meint es ernst mit der Entwicklung seiner Talente. Der 19-Jährige Alphonso Davies glänzte gerade erst beim 3:0-Erfolg gegen den FC Chelsea in der Champions League. Der 18-jährige Joshua Zirkzee ist ebenfalls Stammgast im Bayern-Kader und machte kurz vor Weihnachten mit zwei entscheidenden Treffern gegen Freiburg und Wolfsburg auf sich aufmerksam. Gut möglich, dass er in den kommenden Wochen als Ersatz für den verletzten Robert Lewandowski weitere Spielzeit bekommt.

Adrian Fein: Ein Stratege wie Schweinsteiger?

Anders als Davies und Zirkzee, die mit 17 beziehungsweise 18 Jahren nach München wechselten, ist Adrian Fein ein echtes Münchner Kindl. In München geboren, das Stadtwappen als Tattoo auf dem Arm und seit seinem achten Lebensjahr beim FC Bayern.

Es ist sicher auch dieser Background, der die Münchner Verantwortlichen von ihm begeistert. Zumal gerade Oliver Kahn intern immer wieder auf die Bedeutung der "Bayern-Mentalität" im Kader hinweist.

Doch Fein punktet zuerst mit seinen Leistungen auf dem Feld. Schon im Vorjahr spielte er eine ordentliche Saison als Leihspieler bei Achim Beierlorzers Jahn Regensburg. Seit dieser Saison läuft er unter Dieter Hecking für den HSV auf und wurde an der Elbe zum Schlüsselspieler.

Fein ist ein klassischer Stratege im Mittelfeldzentrum. Er fordert viele Bälle, verlagert gern mit weiten Flugbällen das Spielgeschehen und drückt so vielen HSV-Spielen sein Tempo und seinen Rhythmus auf. Nur Verteidiger Rick van Drongelen spielt beim Aufstiegsaspiranten mehr Pässe als Fein.

Kein zentraler Mittelfeldspieler in der gesamten zweiten Liga spielt pro Spiel so viele Pässe (59) wie der U21-Nationalspieler. Der immer mal wieder geäusserte Vergleich mit Bastian Schweinsteiger kommt natürlich viel zu früh, ist aber mit Blick auf Feins Stärkenprofil durchaus passend. Seine Beidfüssigkeit ist zudem enorm auffällig. Zwei so gut ausgebildete Füsse sieht man heutzutage selten.

In Hamburg sehnen sie Feins Rückkehr herbei

Trotz seiner meist tiefen Positionierung als Sechser bereitet er pro Spiel mindestens einen Torschuss vor. Zudem hat er ein gutes Auge für Balleroberungen. Fein wirkt mit 1,86 Metern fast ungewöhnlich gross für einen zentralen Mittelfeldspieler. Vor allem wenn man an Bayerns aktuelles Duo Thiago (1,74 Meter) und Joshua Kimmich (1,76 Meter) in der Zentrale denkt.

Fein spielte vor allem im starken Hamburger Herbst 2019 überragend. An der darauf folgenden Formkrise der Hanseaten war auch Fein beteiligt. Defizite sind bei ihm vor allem im Bereich der Geschwindigkeit festzustellen. Das betrifft Ballverarbeitungen unter hohem Druck, aber auch defensive Laufduelle, die nicht zu seinen grössten Stärken zählen. Das ändert jedoch nichts am Stellenwert des 20-Jährigen.

Vor zwei Wochen brach sich Fein das Jochbein. Seitdem hat der HSV kein Spiel gewonnen und das Stadtderby gegen den FC St. Pauli klar mit 0:2 verloren. Auch deshalb sehnen viele in Hamburg seine Rückkehr am Wochenende gegen Aue herbei.

Auch wenn der Sprung aus der zweiten Liga zum FC Bayern gewaltig sein dürfte, hat Fein durchaus schon ab Sommer eine Chance auf Spielzeit in München. Auf der Sechser-Position gibt es derzeit Bedarf.

Schon im vergangenen Sommer beschäftigte sich der FC Bayern mit hochkarätigen Kandidaten wie dem heutigen ManCity-Spieler Rodrigo oder Espanyols Marc Roca. Am Ende konnte man sich nicht zu einem Transfer durchringen.

Weitere Leihe oder Angriff in München?

Kimmich ist langfristig gesetzt. Auch Thiago dürfte nach seinen herausragenden Auftritten in den vergangenen Spielen eine Vertragsverlängerung erhalten.

Dahinter wird es dünn. Leon Goretzka fühlt sich etwas weiter vorne wohler. Corentin Tolisso überzeigt zu selten und ist ein Wechselkandidat. Die Chance für Fein ist also da.

Doch auch wenn es zuletzt Signale gab, dass die Münchner Fein schon im Sommer nach München zurückholen wollen, sollten Salihamidzic und die restlichen Verantwortlichen sich genau überlegen, ob eine weitere Leihe nicht mehr Sinn ergeben könnte.

Klar ist: Eine Leihe ist kein Selbstläufer. Glänzenden Beispielen wie Philipp Lahm (Stuttgart), David Alaba (Hoffenheim) oder seinerzeit Markus Babbel (HSV) stehen gerade in der jüngsten Zeit eine Reihe von negativen Beispielen gegenüber. Renato Sanches entwickelte sich in Swansea nicht weiter. Pierre-Emile Hojbjerg ist zwar heute eine gestandene Grösse in der Premier League, schaffte nach seiner Leihe zum FC Schalke allerdings nicht mehr den Schritt zurück nach München.

Es wird also für die Münchner darauf ankommen, sehr genau zu analysieren, was für Feins Entwicklung der beste Schritt ist. Die Entschlossenheit, mit der die Bayern das Nachwuchstalent schon jetzt langfristig gebunden haben, spricht jedenfalls dafür, wie sehr sie in München von Feins Potenzial überzeugt sind.

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