"Ich probier' jetzt einfach was" - das, was Ansgar Knauff nach dem Sieg der Borussia gegen den VfB Stuttgart ziemlich nüchtern beschrieb, hat bei den BVB-Fans am vergangenen Wochenende grosse Euphorie ausgelöst.

Christopher Giogios
Eine Kolumne
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Was war passiert? Nachdem Knauff in der 67. Minute für Kapitän Marco Reus eingewechselt worden war und der BVB sich zehn Minuten später das 2:2 fing, schoss er quasi bei der nächsten Gelegenheit mit einer sehenswerten Einzelaktion den für die Dortmunder so wichtigen 3:2-Siegtreffer. Nach Erling Haaland (20), Giovanni Reyna (18), Jude Bellingham (17), Youssoufa Moukoko (16) und Reinier (19) scheint bei Borussia Dortmund also ein weiterer Youngster seine Breakout-Saison zu feiern.

Erste Gehversuche auf der ganz grossen Profi-Bühne

Kurioserweise hat der erst im Januar 19 Jahre gewordene Knauff sowohl sein Profi- als auch Startelfdebüt in der Champions League absolviert. Gab es in der Hinrunde unter Ex-Coach Lucien Favre nur einen Kurzauftritt im letzten Gruppenspiel gegen Zenit St. Petersburg, liess ihn Edin Terzic im Viertelfinal-Hinspiel der Königsklasse gegen das grosse Manchester City gleich von Beginn an ran. Enttäuscht hat er das Vertrauen seines Trainers aber sicher nicht.

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Mit seinen ersten Auftritten in der Bundesliga konnte er sich zudem auch gleich auf dem Spielberichtsbogen verewigen: Gegen den 1. FC Köln legte er nach seiner Einwechslung direkt den 2:2-Ausgleichstreffer von Erling Haaland auf, nun folgte gegen Stuttgart das späte Siegtor. Eine turbulente Woche, die sich laut Knauff anfühlt "wie im Traum". Aber diese Entwicklung kommt natürlich nicht von ungefähr, wie auch Terzic und Sportdirektor Michael Zorc bestätigten: Knauff sei schon längst nicht mehr bloss ein Gast aus der U23, sondern fester Bestandteil des Profikaders.

Knauffs grosse Stärke ist die Geschwindigkeit

Was macht den 19-Jährigen so besonders? Wenn man ihn selbst oder seine aktuellen und bisherigen Trainer nach seinen Stärken fragt, bekommt man vor allem Eines zu hören: Knauff ist irrsinnig schnell. Wer sich davon persönlich überzeugen möchte, dem sei seine Vorlage zum 2:2 gegen Köln empfohlen. Knauff legt sich auf dem Flügel den Ball weit vor, schaltet den Turbo ein, überläuft Linksverteidiger Noah Katterbach und lässt das Ganze ziemlich nach Jugendfussball aussehen. Das ist natürlich keine allzu fernliegende Beschreibung, schliesslich hat der gebürtige Göttinger bis letztes Jahr noch in der U19 von Borussia Dortmund gespielt (zwischenzeitlich auch mit Reyna und Moukoko, nun bei den Profis vereint).

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Abgesehen von einem kurzen Auftritt in der Jugend von Hannover 96 hat Knauff damit nahezu alle Jugendmannschaften der Schwarzgelben durchlaufen. Eine interessante Anekdote: bereits im Alter von zwölf Jahren stand ein Wechsel zur Borussia im Raum, nachdem Knauff auf einem Jugendturnier auf sich aufmerksam gemacht hatte. Auch unter den Anwesenden: Jürgen Klopp, damaliger BVB-Coach, der sich mit dem Knirps ablichten liess. Zwar blieb Knauff erst einmal in der Nähe seiner Heimatstadt und wechselte zu 96, aber letztlich sollte es ihn ja doch noch nach Dortmund verschlagen.

Seine Schnelligkeit ist sicher auch ein Grund, weshalb Terzic in beiden Spielen gegen Manchester City auf ihn gesetzt hat. In Erwartung eines balldominanten Gegners sollte Knauff im Umschaltspiel für die nötige Geschwindigkeit sorgen.

Hier zeigte sich aber vor allem im Rückspiel trotz einer sehr engagierten Leistung auch sein derzeitiges Leistungsniveau: gegen eine Verteidigung von Weltformat ist es mit blosser Geschwindigkeit natürlich nicht getan. Vor allem gegen robuste Gegenspieler wird es in den Zweikämpfen mit seinem eher leichten Körperbau zudem nicht einfacher – aber das sollte perspektivisch das geringste Problem sein. Was er technisch zu leisten imstande ist, konnte man bei seinem Treffer gegen Stuttgart sehen.

Das bekannte Credo beim BVB: behutsame Weiterentwicklung

Ein grosser Gewinn könnte mittelfristig vor allem die Vielseitigkeit von Knauff sein. Zwar wurde er bislang nur auf dem offensiven Flügel als Ersatz von Jadon Sancho eingesetzt, allerdings betonen seine Trainer auch seine defensiven Qualitäten.

Denkbar wäre es, dass der BVB mit seinen chronischen Problemen auf den Aussenverteidigerpositionen eine Umschulung vornimmt und Knauff in eine Viererkette stellt. Mit schnellen, offensiv geprägten Rechtsverteidigern hat man ja ganz gute Erfahrungen - Stichwort Achraf Hakimi, bis heute bei den Dortmundern schmerzlich vermisst.

Bei aller berechtigter Euphorie um den neuesten BVB-Teenager: Wie bei Borussia Dortmund üblich, wird man auch die Entwicklung von Ansgar Knauff vorsichtig und mit Verstand angehen. Damit ist die sportliche Leitung der Dortmunder bisher sehr gut gefahren.

Beispiele dafür, dass man bei solch jungen Spielern auch schlechtere Phasen einplanen muss, gibt es genug. Stichwort Jadon Sancho, aber auch Gio Reyna. Der BVB-Trainerstab um Terzic, Sebastian Geppert und Otto Addo hat Knauff aber bereits seine volle Unterstützung zugesichert, wenn es mal nicht laufen sollte. Was er Knauff aber auch explizit mitgegeben hat: Jetzt ist die Zeit, um auch mal den Moment zu geniessen.

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