Arjen Robben hat den FC Bayern und die Bundesliga ein Jahrzehnt lang geprägt und dabei gezeigt, dass auch in den Stunden der grossen Niederlagen immer eine Chance liegen kann.

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In der langen Geschichte des Fussballs gibt es nur ein paar ausgewählte Spieler, die einen Trick, eine bestimmte Bewegung, eine Parade oder einen Torschuss so stilisierten, dass dieser für alle Ewigkeiten im Einklang mit ihrem Namen genannt wird.

Der Matthews-Trick gehört dazu, der den Gegner aus dem Gleichgewicht bringt. Der Cruyff-Turn, bei dem der Ball hinter dem Standbein entgegen der Spielrichtung gezogen wird. Die Zidane-Bewegung, die gleich zwei Gegenspieler ins Leere laufen lässt. Der freche Panenka-Lupfer beim Elfmeter. Wer es etwas ausgefallener und weniger zielgerichtet mag, der kann sich für den Okocha-Trick erwärmen. Oder für die Gaukler unter uns: die Hand Gottes.

Arjen Robben: Stilmerkmal "Le Robben"

Arjen Robben hatte eine eher rechtschaffene Idee, oder besser: Der Niederländer hat aus einer uralten Kombination aus Sprit, Finte und Torabschluss ein Markenzeichen geschaffen. "Le Robben" nennen die Franzosen diese Volte, die so einfach und vorhersehbar ist - und doch so unmöglich zu verteidigen.

Rechts die Linie entlang, abkippen, nach innen ziehen, mit schnellen Trippelschritten auf eine kleine Lücke spähen und dann mit links abdrücken, in der Regel mit Effet auf dem etwas längeren Weg ins linke Eck. Das ist die Robben-Bewegung.

Findige Marketingstrategen würden heute von einem sogenannten Signature Move sprechen und sich Robbens Bewegung sofort patentieren lassen. Doch der Niederländer hat sich gar nichts patentieren lassen. Er hat seinen Trick einfach nur jedes Wochenende aufgeführt. Immer und immer wieder.

Die Linie entlang, abkippen, nach innen ziehen, die Lücke sehen, schiessen - Tor

Für die Verteidiger war das der reinste Horror: Jeder wusste, was gleich passieren wird, wie dieser Spielzug endet. Sogar die Entfernung zum Tor war fast immer dieselbe: Robben bog spätestens kurz vor der Strafraumkante links ab und blieb dann auch in dieser Spur. Seinen rechten Fuss nutzte er zum Torabschluss nur in den ganz misslichen Lagen.

Robbens Geheimnis war ganz viel Technik und noch mehr Geschwindigkeit. Und irgendwann kam auch die Furcht der Gegenspieler dazu, die sie automatisch einen halben Meter zurückweichen liess. Weil er ja auch so furchtbar flink im Kopf und in den Beinen war. Zu schnell für die Verteidiger in Deutschland und auch für die meisten in England, Spanien, Italien oder Frankreich.

Robben, der nun sein Karriere-Ende verkündet hat, war eine Naturgewalt. Gut, einige Male auch zu theatralisch, die Erdanziehungskraft war eben nicht sein Freund. In den sozialen Medien wurde er deshalb auch immer wieder hart attackiert, manches Mal zurecht wegen seiner Schwalben.

Robben war bereits Unterschiedspieler, als es den Begriff noch gar nicht gab

Aber das waren Marginalien im Vergleich zu dem, was dieser Spieler der Bundesliga geben konnte. Im vergangenen Jahrzehnt gab es keinen anderen Spieler, der so viele Partien für seinen Klub gewonnen hat wie Robben. Keinen, der so hart getrieben war von Erfolgshunger und Ehrgeiz, dass es nicht selten schon fast krankhaft wirkte.

Aber nur mit einem Charakter wie diesem lässt sich maximaler Erfolg erzielen. Robben war schon ein Unterschiedspieler für die Bayern, als dieses Begriff noch gar nicht erfunden war.

Fast im Alleingang schoss er die Bayern 2010 ins Finale der Champions League, mit klassischen Robben-Toren gegen Florenz und Manchester United: Von der Strafraumkante in die linke Ecke. Aber schon bei diesen Highlights schwang beim einen oder anderen Fan und Experten eine Spur Skepsis mit.

Robben war ein Einzelkünstler, der es bisweilen mit seinem Eigensinn auch übertrieb. Und der - auch deshalb - einige wirklich schwere Momente zu überstehen hatte. In München gab es immer wieder Auseinandersetzungen mit Mitspielern. Thomas Müller ging er mal an die Gurgel, mit Franck Ribery gab es handfeste Auseinandersetzungen.

"Alleinikov" beim FC Bayern vor dem Aus

In der Mannschaft war der Spitzname "Alleinikov" nach der ernüchternden Saison 2011/12 zementiert. Robben trug dabei eine gewaltige Rolle. Im Liga-Spiel in Dortmund, der entscheidenden Partie in der Vorentscheidung um die Meisterschaft, mussten die Bayern gewinnen. Robben hatte die Chance dazu, seinen Verein zum Sieg zu schiessen, doch vergab einen Foulelfmeter - nachdem er selbst gegen BVB-Torwart Roman Weidenfeller zu Boden gesunken war. Die Bayern verloren mit 0:1.

Im Champions-League-Finale 2012 "dahoam" gegen den FC Chelsea die gleiche Nummer: Robben konnte seine Mannschaft aus elf Metern zum Sieger machen - doch vergab. Schon zwei Jahre zuvor im WM-Finale gegen Spanien hatte er den Sieg auf dem Fuss, scheiterte aber spät in der Partie völlig frei an Torwart-Legende Iker Casillas. Spanien holte den Titel, die Niederlande war wieder einmal nur Zweiter.

Der Tiefschlag als Wendepunkt

Die Wochen in München nach dem verlorenen Champions-League-Finale waren für Robben die reinste Qual. Teile der eigenen Fans pfiffen ihn in einem Jux-Spiel gegen die Elftal gnadenlos aus. Es war sicherlich der Tiefpunkt in zehn Jahren in München - aber für einen Spieler seiner Prägung eben auch der Startpunkt der grossen Wiederauferstehung.

Ein Jahr später war Robben der Held von Wembley, sein Tor gegen Dortmund im Champions-League-Finale war wie eine Erlösung für ihn und den gesamten Klub und nicht wenige behaupten, auch für die deutsche Nationalmannschaft. Ohne die Gewissheit, auch ganz grosse Titel gewinnen zu können, wären Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Thomas Müller, Jerome Boateng oder Manuel Neuer ein Jahr später in Rio nicht Weltmeister geworden. So lautet jedenfalls die These.

Einzelkönner à la Robben: Werden nicht genau diese Spieler gesucht?

Aus "dem Mann aus Glas", der in London und Madrid noch dauernd verletzt war und von den meisten Experten längst abgeschrieben wurde, ist in München ein Weltstar geworden. Trainer Louis van Gaal hatte ihn zu seiner Zeit entgegen der einhelligen Meinung zu den Bayern geholt. Ausgerechnet van Gaal, der kollektivsüchtige General des niederländischen Fussballs, der Passspiel und Taktik über alles stellt.

Robben hat in München wie zu Hause in den Niederlanden bis zum Schluss polarisiert mit seiner Art und wie er Fussball zu spielen pflegte. Der Vorwurf des übergrossen Eigensinns begleitete ihn bis zu seinem letzten Spiel.

Aber ist es nicht das, was derzeit im Weltfussball, und ganz speziell in Deutschland, auch händeringend gesucht wird? Die Einzelkönner, die Dribbler, die ein von Athletik und Taktik geprägtes Kräftemessen ganz alleine aufbrechen und entscheiden können? Die aus dem Rahmen fallen und kreativer sein können als die Kollegen?

Arjen Robben war so ein Spieler. Wenn er auf dem Platz stand, dann wussten alle: Die Bayern können dieses Spiel gewinnen - egal gegen welchen Gegner.

Nach 20 Jahren auf Wanderschaft zieht es Robben wieder nach Hause

Seine letzte Aufgabe hat Robben mit Bravour bestanden. Wie viele Spieler gab es schon, die den richtigen Zeitpunkt für das Ende ihrer Karriere verpasst und damit ihren guten Ruf ruiniert haben? Die in irgendeiner belanglosen Liga zwar noch einmal ein Heidengeld, aber keinerlei Reputation verdient hatten.

Robben war auch in diesem Fall hart zu sich selbst und unprätentiös. Er freue sich jetzt auf das nächste Kapitel: die gemeinsame Zeit mit seiner Familie. Erst noch ein Jahr in München, dann zu Hause: In der Nähe von Groningen lässt der dreifache Vater ein Haus bauen. Nach 20 Jahren auf Wanderschaft geht Arjen Robben wieder nach Hause.

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