Das Topspiel zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig wurde von widerwärtigen Aktionen vor und während des Spiels überschattet. Es war eine Eskalation mit Ansage, an der auch BVB-Boss Hans-Joachim Watzke eine Mitschuld trägt.

Ein Kommentar

Frauen und Kinder werden mit Steinen beworfen. RB-Sportdirektor Ralf Rangnick, ein ehemaliger Burnout-Patient, wird zum Selbstmord aufgerufen. Was sich am Samstag vor und während der Partie zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig (1:0) abspielte, war schlicht widerwärtig. Und es war eine Ekel-Eskalation mit Ansage.

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Spätestens seit dem Aufstieg der lange Zeit mit den Millionen von Dietmar Hopp gesponserten TSG Hoffenheim im Jahr 2008 sehen sich die BVB-Bosse als Hüter traditioneller Fussballwerte. Hier das Gute, dort das Böse. Hier die "echte Liebe", dort der fussballzerstörende Kommerz. So lautet die simple Formel, die auch Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in die Welt posaunt und mit der er sein Volk um sich schart. Und somit trägt auch Watzke eine Mitschuld an den Auswüchsen der Gewalt am Wochenende.

Watzke liebt die Aufmerksamkeit; einzig Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge dürfte in den vergangenen Jahren häufiger in den Medien zitiert worden sein als der 57-Jährige. Markige Sprüche gegen die Erzrivalen aus München und Gelsenkirchen lassen sich vielleicht noch als Sticheleien abtun, die zum Fussballgeschäft dazugehören. Doch was der BVB-Boss seit Monaten oder gar Jahren gegen "Plastik-Klubs" wie RB Leipzig und die TSG Hoffenheim propagiert, ist des Schlechten zu viel.

Ein Fan darf diese Ansichten teilen, ja vielleicht muss er das in diesen Zeiten sogar. Wenn ein Aufsteiger wie Leipzig im Sommer das grösste Transferminus aller Bundesligisten aufweist, läuft in Deutschlands Profi-Fussball etwas falsch.

Watzke wird Vorbildfunktion nicht gerecht

Das Konstrukt RB Leipzig, das vom milliardenschweren Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz vorangetrieben wird, zu kritisieren, ist nicht nur richtig, es ist sogar wichtig. Doch alles hat seine Grenzen.

Und diese Grenzen sind nicht dieselben für Jedermann. Mag der Fan eines Traditionsvereins beim Stammtisch nach drei Bier poltern und pöbeln wie er mag, darf dies ein Klub-Boss in der Öffentlichkeit noch lange nicht.

Eine Person mit dem Amt, wie Watzke es beim BVB bekleidetet, hat eine Vorbildfunktion, der er gerecht zu werden hat. Doch diese Vorbildfunktion ist Watzke zu häufig egal, stattdessen bedient er sich einer simplen, gar schon populistischen Sprache.

Er schürt damit nicht nur Hass gegen Vereine, sondern auch gegen Menschen, die bei diesen Vereinen verantwortlich sind.

Im Jahr 2008 zeigte ein BVB-Fan bei einem Spiel gegen Hoffenheim Hopps Konterfei mit der Aufschrift "Im Fadenkreuz. Hasta la vista, Hopp." Weiterer Hass entlud sich in Schmähgesängen. Jetzt gab es die geschmacklosen Banner gegen Leipzig, deren Gipfel der Widerwärtigkeit ein Aufruf an Ralf Rangnick war, sich umzubringen.

Dahinter, da brauchen wir nicht lange diskutieren, stecken unterbelichtete, charakterlose Menschen, die einen Klub als Vorwand nutzen, um ihrem Hass eine Projektionsfläche zu geben. Möglicherweise sind sie noch nicht mal Fan des Fussballvereins Borussia Dortmund, sondern Menschen, die in ihrem biederen Leben nach Aufmerksamkeit lechzen.

Nicht noch mehr Nahrung zur Hetze geben

Dass der BVB ein Problem mit gewaltbereiten "Fans" hat, ist nicht neu. Die rechte Szene hat auf der Südtribüne längst Einzug gehalten - zum Glück ist sie weiterhin nur ein geringer Bestandteil der "Gelben Wand".

Einer Einzelperson wird es niemals gelingen, diese Schwachköpfe in den Griff zu bekommen - auch Hans-Joachim Watzke nicht. Vielmehr ist es in seiner Position seine Aufgabe, den restlichen Zehn- oder gar Hundertausenden Fans nicht noch mehr Nahrung für ihre Hetze zu geben.

Dabei hilft es nicht, sich im Nachhinein von etwaigen Fehlverhalten zu distanzieren. Die Fehler, die am Samstag in diesen abartigen Aktionen mündeten, wurden bereits im Vorfeld begangen.

Sachliche Kritik anzubringen, sofern diese angebracht ist, bleibt richtig. Dennoch ist es längst an der Zeit, sich vom dumpfen Hass gegen Leipzig zu verabschieden - das sollte auch der BVB langsam verstehen.

Tradition und Fan-Liebe sind hohe Güter in einer zunehmend kommerzialisierten Fussball-Welt - doch eines dürfen sie niemals sein: eine Legitimation für Gewalt.

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