Der Wechsel von Bastian Schweinsteiger zu Manchester United reisst beim FC Bayern eine enorm grosse Lücke. Die Fans sind sauer und enttäuscht, trotz aller Beteuerungen wird der Abgang des Fussballgotts immer auch an Trainer Pep Guardiola festgemacht werden. Dabei habe der damit überhaupt nichts zu tun.

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Grosse Entscheidungen verlangen grosse Erklärungen. Also betrat Karl-Heinz Rummenigge am Samstagnachmittag ausserplanmässig noch das Podium, nachdem die beiden Zugänge Douglas Costa uns Joshua Kimmich vorgestellt wurden. Rummenigge hatte einen Beschluss zu moderieren, der für das Binnenverhältnis des FC Bayern München den grösstmöglichen Einfluss haben könnte. Der Wechsel von Bastian Schweinsteiger zu Manchester United ist mehr als der Transfer eines Spielers von einem Klub zu einem anderen. Für die Bayern, diese grosse Familie, die das "Mia san mia" bis ins letzte Detail leben und atmen will, ist es eine einschneidende Erfahrung.

Die Gallionsfigur geht

Der FC Bayern München ohne Bastian Schweinsteiger - ein fast undenkbares Szenario. 17 Jahre, 527 Spiele, acht deutsche Meistertitel, sieben Pokalsiege, Champions-League-Sieger, Supercup-Sieger, Klub-Weltmeister, der Fussballgott. Jetzt ist er weg. Und nicht wenige stellen sich die Frage, ob das noch so in Ordnung ist, wie die Bayern derzeit agieren.

Für das heimelige Gefühl dieses gefühlsbetonten Klubs war Schweinsteiger die Gallionsfigur. Er verkörpert wie kein anderer die Symbiose aus bayerischer Basis und weltmännischer Strahlkraft. Neben Philipp Lahm und Thomas Müller stand Schweinsteiger für das "Mia san mia". Jetzt bleiben noch Lahm, bald 32 Jahre alt und Müller, der zuletzt einige kleine Reibungspunkte mit Pep Guardiola hatte.

Guardiola in der Kritik

Der Trainer rückt durch den Abschied Schweinsteigers einmal mehr in den Fokus. Guardiolas Kritiker halten dem Spanier schon länger einen gewissen Starrsinn vor und dass er den Klub nach seinem Gusto lenken würde. Und in der Tat tut der FC Bayern sehr viel, um den Wünschen und Vorstellungen Guardiolas gerecht zu werden.

Die Enttäuschung und Wut einiger Teile der Fans macht sich schon seit Tagen in den Foren breit, also nutzte Rummenigge die Chance, die Dinge aus seiner Sicht klarzustellen und den Trainer aus der Schusslinie zu nehmen.

"Dass Bastian wegen des Trainers gegangen wäre, muss ich ins Reich der Fabel verweisen! Die beiden haben überhaupt keine Probleme miteinander gehabt und völlig intaktes Verhältnis. In der ganzen Geschichte hat Pep überhaupt keine Rolle gespielt. Die Behauptung, dass er jetzt gar geflüchtet ist, kann man total vergessen!"

Gespräche verliefen seriös

Seriös und ehrlich seien die Gespräche abgelaufen, Rummenigge stellt dem Spieler ein Abschiedsspiel und eine zweite Zukunft beim FC Bayern nach dessen Karriereende in Aussicht und ein Abendessen, "wie sich das gehört, stilistisch und vom Niveau her für solch verdienten Spieler." Rummenigges Vortrag war aber trotz der salbungsvollen Worte erstaunlich kühl und nüchtern.

In der Sache haben die Bayern, hat Rummenigge, den Ball relativ schnell und offen dem Spieler zugespielt und Schweinsteiger quasi freie Hand in seiner Entscheidungsfindung gelassen. Das hat den Druck vom Klub genommen. Es hat aber auch gezeigt, dass die Bayern nicht (mehr) bis aufs Letzte darauf aus waren, ihren Anführer zu halten.

Aus sportlicher Sicht ist das nachvollziehbar. Schweinsteiger war in den letzten Jahren immer mal wieder auch länger verletzt, fehlte in wichtigen Spielen, sein Vertrag wäre in einem Jahr ausgelaufen. Da nimmt man die üppige Ablösesumme noch mit und spart sich ein stattliches Jahresgehalt von rund zehn Millionen Euro.

Die Seele des Klubs

Andererseits geht die Seele der Mannschaft und vielleicht auch des Klubs damit verloren. Uli Hoeness' Abwesenheit, der Abgang von Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, jetzt der Schweinsteiger-Transfer: Das reisst Wunden und ist aus emotionaler Sicht weit mehr als nur der Verlust eines verdienstvollen Spielers. Es geht ein Stück Klub-DNA.

Der Spieler Douglas Costa kann nichts dafür, und trotzdem wird der Transfer des Brasilianers aus der ukrainischen Liga für rund 30 Millionen Euro jetzt immer auch mit dem von Schweinsteiger verrechnet. Das ist faktisch Nonsens, es fasst die Gemengelage im Lager der enttäuschten Fans aber ganz gut zusammen.

"Bastian ist eine Identifikationsfigur gewesen. Aber auch für Identifikationsfiguren hat jede Zeit auch ein Ende. Es ist nun einmal so, dass sich dann die Wege trennen", sagte Rummenigge dann noch. Zu der Zeit harrten bereits mehrere zehntausend Fans draussen in der Allianz Arena. Die stimmungsvolle Saisoneröffnung hatte einen deftigen Dämpfer erhalten.

Pfiffe gegen den Klub

Als der Wechsel Schweinsteigers dann auch über das Stadionmikro verkündet wurde, gab es Pfiffe von den Rängen. Die waren nicht gegen den Spieler gerichtet, sondern vielmehr gegen den Klub - der es zugelassen hat, dass einer wie "ihr Basti" nun gehen darf. Rummenigges Verkaufsstrategie, dass die Bayern aus Dankbarkeit dem Spieler keine Steine in den Weg legen wollten, kam beim Volk nicht besonders überzeugend an.

So verkam die Saisoneröffnung auch zu einer Trauerveranstaltung. Als die Fans vor ein paar Wochen zuletzt in die Arena gepilgert waren, wurde noch ausgelassen die Meisterschaft gefeiert. Das letzte Tor der Saison, beim Sieg gegen Mainz 05, feierten die Fans besonders frenetisch. Erzielt hat es die Nummer 31. Bastian Schweinsteiger, Fussballgott.

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