War da was mit Mini-Krise? Der FC Bayern deklassiert Borussia Dortmund und rückt die Machtverhältnisse einmal mehr zurecht. Der BVB erweist sich im Spiel gegen den Rivalen erneut als nicht konkurrenzfähig.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Als sich Thomas Tuchel eine kurze Verschnaufpause seiner kleinen Tirade gegen den Experten-Tisch von "Sky" nahm und auch ein paar Sätze über das Spiel seiner Mannschaft bei Borussia Dortmund los werden durfte, stellte er recht schnell die Gretchenfrage: Waren die Bayern nun so viel besser - oder der BVB einfach nur furchtbar schlecht in diesem doch etwas künstlich zum "Klassiker" stilisierten Vergleich?

Es lassen sich wohl gute Argumente für beide Sichtweisen finden, in einem aber dürften sich alle Beobachter einig sein: Diese Partie im Signal Iduna Park hat die Machtverhältnisse zwischen den Bayern und Borussia Dortmund einmal mehr klar manifestiert.

Die Eindrücke der letzten Wochen mit einigen wackeligen Spielen der Bayern und natürlich dem Pokal-Aus in Saarbrücken, dazu die latente Unruhe im und um den Verein um einzelne aktuelle Spieler oder solche, die nie zum FC Bayern gewechselt sind und die anhaltenden Personalprobleme wegen diverser Ausfälle wichtiger Akteure liessen den Rekordmeister verwundbar erscheinen.

Im Gegenzug raffte sich der BVB zuletzt auf, liess einen holprigen Start in die Saison hinter sich und zeigte in eigentlich allen Spielphasen markante Fortschritte. Weil dazu auch fast immer die Ergebnisse passten und die Mannschaft eine gewisse defensive Stabilität zeigte und auch das nötige Glück auf ihrer Seite hatte, war im Vorfeld der Partie oft genug zu lesen oder hören: Jetzt oder nie.

Der Versuch im Hier und Jetzt ist aber gründlich nach hinten los gegangen.

Dortmund heillos überfordert

Eine ähnlich frappierende Überlegenheit im Dortmunder Stadion hatten die Bayern zuletzt vor 14 Jahren gezeigt. Damals hiess der Trainer noch Louis van Gaal, das Spiel endete mit 5:1 aus Münchener Sicht. Am Samstagabend wären nun wie zuletzt gegen Darmstadt auch wieder acht Tore möglich gewesen. Allein Dortmunds Keeper Gregor Kobel verhinderte in einigen Eins-gegen-Eins-Situationen den totalen Untergang seiner Mannschaft.

Einer Mannschaft, die in den 28 Pflichtspielen zuvor im heimischen Stadion ungeschlagen war und in diesem Kalenderjahr in der Bundesliga genau ein Spiel verloren hatte: Auch gegen die Bayern. Und auch beim 2:4 im April, Tuchels erstem Spiel als Bayern-Trainer, wurde der BVB vom Gegner förmlich überrollt.

Nach nicht einmal neun Minuten war schon wieder alles wie eigentlich immer. Dortmunds Trainer Edin Terzic hatte vor dem Spiel eine gewisse Effizienz seiner Mannschaft gefordert und dass die Bayern anders als zuletzt bitteschön nicht gleich mit dem ersten Torschuss in Führung gehen sollten. Der erste Versuch von Dayot Upamecano nach einer Ecke sass. Der dritte nach einem perfekt vorgetragenen Konter von Harry Kane dann ebenfalls.

"All das, was man sich vorgenommen hat für das Spiel, hat vor allem in der Startphase nicht stattgefunden - und dann liegt man nach acht Minuten 0:2 hinten", haderte Terzic auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Wir haben viel zu lange gebraucht, um in dieses Spiel reinzukommen. Wir haben dann versucht, Einfluss auf das Spiel zu nehmen, konnten aber weder mit dem Tempo noch mit der Ballsicherheit des Gegners umgehen."

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Harry Kane macht (auch) den Unterschied

Der BVB ging den Gästen auch taktisch auf den Leim, liess sich immer wieder vom tiefen Aufbau der Münchener ins hohe Pressing locken, um dann über die flinken Aussenverteidiger oder kurz kommende Angreifer in den Halbräumen ausgespielt zu werden. Schon zur Pause hätten die Bayern drei oder vier Treffer erzielen können, der BVB hatte seine erste und einzige Chance in der Nachspielzeit.

"Ich musste lange warten, bis mal ein Ball aufs Tor kommt", wunderte sich sogar Bayern-Keeper Manuel Neuer über die Dortmunder Harmlosigkeit vor dem Tor. Erst nach über einer Stunde musste Neuer eingreifen, mit der Rettungstat gegen Marco Reus endete dann auch das zaghafte Aufbäumen der Schwarz-Gelben schon wieder und die Bayern spielten die Partie problemlos zu Ende.

Zu gross war die Diskrepanz beider Mannschaften, die die Bayern auf allen Positionen haushoch überlegen sah. Wie zum Beweis erzielte Harry Kane im zehnten Ligaspiel seinen dritten Dreierpack, ganz so, als wäre das gegen Dortmund die leichteste Übung der Welt. Im Vergleich zwischen Kane und dem überforderten Niclas Füllkrug auf der anderen Seite konnte man wohl am besten die Unterschiede beider Teams erkennen.

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Terzic: "Das war sehr enttäuschend"

Die Borussia hat sich im direkten Vergleich mit den Bayern mal wieder als nicht konkurrenzfähig erwiesen und eine grosse Chance vertan, "den nächsten Schritt zu gehen", wie Terzic ernüchtert feststellen musste. Das erste Aufeinandertreffen gegen einen der Top-5-Klubs der Tabelle geriet zum veritablen Debakel.

Und die Aufgabe, mit einem Sieg über die Bayern drei Punkte einzufahren, ein Ausrufezeichen zu setzen, die Unruhe beim Gegner weiter zu schüren, an den Bayern vorbeizuziehen, an Bayer Leverkusen dran zu bleiben und irgendwie auch die bösen Geister des letzten Sommers zu vertreiben, war schlicht zwei Nummern zu gross.

"Wir waren heute in allen Belangen die schlechtere Mannschaft. Wie die Bayern in allen Bereichen überlegen waren: Das war sehr enttäuschend für uns!", so Terzic. "Für die Bayern war es ein Spiel, das für sie viel mehr war als nur drei Punkte. Und das haben sie heute wieder bewiesen..."

Überragende Bayern-Reaktion

Tatsächlich haben die Münchener mit dem Sieg und der Art und Weise ihrem Ruf wieder einmal alle Ehre gemacht: Fühlen sich die Bayern in die Ecke gedrängt und unter Druck, sind sie zu aussergewöhnlichen Leistungen fähig. "Diese Reaktion war sehr wichtig. Das wollten wir uns und unseren Fans auch zeigen", sagte Neuer.

"Unser Spiel war sehr klar und voller Selbstvertrauen. Es gab keinen Grund, alles in Frage zu stellen und die Nerven zu verlieren", spielte Tuchel auf die turbulenten Stunden vor dem Spiel an und wohl auch ein wenig auf die einprasselnde Kritik nach der Pokal-Niederlage in Saarbrücken.

Die Bayern bleiben die Meister grosser Spiele und mit dem besten Saisonstart seit acht Jahren und dem phänomenalen Torverhältnis von 38:7 auf den Überfliegern aus Leverkusen auf den Fersen. Den BVB haben die Bayern selbst in Schach gehalten, der andere Verfolger RB Leipzig stolperte beim Schlusslicht in Mainz.

"Wir waren wie ein taumelnder Boxer. Aber man weiss ja auch, dass das sehr gefährlich sein kann", sagte Leon Goretzka. Eine Ansage, die auch den Rest der Liga aufhorchen lassen sollte.

Verwendete Quellen:

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