Eigentlich könnte beim FC Bayern München nach dem überragenden 5:0 gegen Borussia Dortmund wieder Ruhe einkehren. Den Ligakonkurrenten klar besiegt, die Tabellenführung im Rücken und immer noch eine gute Chance eine schwierige Saison mit dem Double zu beenden. Eigentlich ...

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der FC Bayern wäre nicht der FC Bayern, wenn nach einem Sieg wie dem gegen den BVB Ruhe einkehren würde. Und dafür braucht es nicht mal Schlagzeilen wie die am Donnerstag, als von einer Schlägerei im Bayern-Training die Rede war.

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Schon in den Tagen zuvor war einmal mehr Bayern-Coach Niko Kovac ins Zentrum der Debatte gerückt. Ausgelöst auch durch weit interpretierbare Aussagen von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der auch nach dem 5:0 gegen den BVB keine Jobgarantie für Kovac aussprechen wollte. Ein merkwürdiges Timing für eine solche Diskussion, die erneut für Unruhe sorgt.

Niko Kovac gilt als Hoeness-Mann

Es ist nicht das erste Mal, dass Bayerns Bosse die Debatte um den Bayern-Coach eher anheizen als beruhigen. Auffällig ist auch, dass Uli Hoeness und Rummenigge sich in dieser Frage alles andere als einmütig äussern. Auch wenn Entscheidungen in der Führung natürlich gemeinschaftlich getragen werden, ist es kein Geheimnis, dass Kovac eher als Hoeness-Mann gilt.

Der Bayern-Präsident, der dieses Jahr am deutlichsten als Umbruchsjahr deklarierte, setzt bewusst auf einen jungen Trainer mit Stallgeruch, der die Chance haben soll, etwas aufzubauen und zu wachsen.

Gleichwohl wird auch Hoeness, der sein Ohr gern eng an der Mannschaft hat, nicht entgangen sein, dass es im Kader immer wieder rumort. Zuletzt zitierte der Sportjournalist Raphael Honigstein einen nicht näher genannten Führungsspieler der Bayern mit dem Hinweis, die Spielvorbereitung unter Kovac laufe "wie bei Ancelotti" - was alles andere als ein Kompliment ist.

Das lasche Training und die wenig detaillierten taktischen Vorgaben des Italieners wurden nach seinem Abgang in München harsch kritisiert. Es wird deutlich, dass es Trainer, die einem Taktikgenie wie Pep Guardiola oder einer Führungsperson wie Jupp Heynckes nachfolgen, in München schwer haben.

Das gilt umso mehr für Niko Kovac, der ausser einem Pokalsieg mit Eintracht Frankfurt bisher keine Erfolge vorweisen kann und sich in einem Kader voller Weltmeister und Champions-League-Sieger beweisen muss. Zuletzt tat sich Kovac auch mit der einen oder anderen unglücklichen Pressekonferenz keinen Gefallen.

Sportliche Bilanz mit Licht und Schatten

Auch sportlich ist die Bilanz von Kovac alles andere als eindeutig. Das 5:0 gegen Dortmund, bei dem die Bayern ihre vielleicht beste Saisonleistung zeigten, steht auf der Habenseite. Ebenso die im Spätherbst gestartete Siegesserie und ein über weite Strecken ordentliches Hinspiel gegen Liverpool.

Dem gegenüber steht vor allem das Rückspiel gegen Jürgen Klopps "Reds", die Kovac und den Bayern deutlich sichtbar die Grenzen aufzeigten. Auch die deutliche Niederlage in Leverkusen im Februar und die klare Unterlegenheit gegen Ajax Amsterdam in der Champions-League-Vorrunde liessen die Zweifel wachsen.

Bis heute ist nicht ganz klar, welchen Fussball Kovac in München eigentlich spielen lassen möchte. Der gegen Dortmund überragende Mats Hummels sendete nach der Partie eine deutliche Botschaft: "Wir sind am besten, wenn wir aktiv mit und gegen den Ball sind, das haben wir heute gezeigt. Das passive Verteidigen liegt uns nicht, wenn wir aktiv sind, ist das eine ganz andere Klasse."

Nach der Niederlage gegen Liverpool hatten mehrere Spieler eine zu passive Spielweise kritisiert.

Kovac hat seinen Stil noch nicht gefunden

Für sein präferiertes schnelles und vertikales Spiel, gepaart mit hoher Aggressivität und Laufbereitschaft im Gegenpressing, fehlen Kovac bisher die Spielertypen. Setzte er auf diese Ausrichtung, wurde es schnell zu wild, weil die Abstände und damit die Balance im Spiel abhanden kamen.

Für dominantes Ballbesitzspiel liess die Mannschaft dagegen zumindest auf allerhöchstem Niveau den klaren Plan vermissen, den Gegner aus langen Ballbesitzphasen heraus auszuhebeln. Auch gegen Dortmund halfen am vergangenen Wochenende nur Standardsituationen und eklatante Böcke der Dortmunder Hintermannschaft.

Im Rückspiel gegen Liverpool, das bislang als prägendes Spiel der Kovac-Ära herhalten muss, konnten die Bayern keinen der beiden Stile durchziehen. Klopp legte einmal mehr die Schwächen der Bayern offen und zwang sie damit förmlich zu der von Hummels kritisierten passiven Spielweise.

Es lohnt sich also für Bayerns Bosse, nach der Saison genauer hinzuschauen, ob Kovac der Richtige ist, einen dann erneuerten Kader zu führen und weiterzuentwickeln.

Bis dahin aber sollten sie Kovac und am Ende auch ihrem Verein den Gefallen tun, die öffentliche Debatte um den Trainer zu beenden. Denn die hilft zum jetzigen Zeitpunkt niemandem.

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