Die gute Nachricht vorneweg: Mit der Leihe des spanischen Rechtsverteidigers Álvaro Odriozola (24) hat der FC Bayern München eine Problemposition solide besetzt und kann nun etwas gelassener auf die weitere Rückrunde blicken.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Odriozola, der bei Real Madrid in eineinhalb Saisons nicht über die Rolle als Ersatzmann hinaus kam, wird vor allem für seine offensiven Fähigkeiten geschätzt. Gutes Dribbling, solides Passspiel, angemessen schnell - damit kann der FC Bayern arbeiten. Durch die Leihe ist die Verpflichtung des Nationalspielers ohne jedes Risiko und bringt dem Rekordmeister vor allem Zeit, um nach langfristigen Lösungen zu suchen. Soweit so gut.

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Alvaro Odriozola bei Real Madrid nur dritte Wahl

Doch bei näherer Betrachtung zeigt der Transfer wieder einmal, wie schwer es gerade für den FC Bayern ist, eine Mannschaft im Winter zu verstärken.

Der Engpass in der Defensive ist sicher zum Teil durch die schwere Verletzung von Niklas Süle begründet. Doch viele Probleme sind auch hausgemacht. Weil im Sommer kein spielstarker Top-Mann für die Mittelfeldzentrale kam, setzt Coach Hans-Dieter Flick dort inzwischen fest auf Joshua Kimmich. Erst dadurch wurde die Not rechts hinten so gross.

Im Abwehrzentrum muss währenddessen seit Wochen David Alaba aushelfen. Dass nun zumindest medial über eine Rückholaktion von Douglas Costa spekuliert wird, liegt wiederum daran, dass im Sommer trotz vieler Kandidaten kein dribbelstarker Flügelstürmer kam.

FC Bayern muss improvisieren

Der FC Bayern muss improvisieren und sich damit begnügen, dass in der derzeitigen Marktlage nicht viel mehr drin ist, als in der zweiten oder dritten Kader-Reihe von Real Madrid nach kurzfristiger Unterstützung zu suchen. Die Ansprüche der Münchner sind eigentlich andere.

Der Wintermarkt ist gerade im Top-Segment wahnsinnig dünn. Kaum ein Top-Spieler plant ernsthaft im Winter einen Karrieresprung. So bleiben die Unzufriedenen der Top-Klubs übrig - oder reine Perspektivspieler wie der 20-jährige Nicolas Kühn, der von Ajax Amsterdam nach München wechselt und zunächst bei den Amateuren Spielpraxis sammeln soll.

Nur Legende Lizarazu blieb langfristig in Erinnerung

Der FC Bayern stand in den vergangenen 15 Jahren im Winter selten unter Zugzwang. Meist waren Verletzungssorgen oder eine schwache Hinrunde der Grund für Not-Transfers. In dieser Saison kam beides zusammen.

Im Winter 2005 kehrte Vereinslegende Bixente Lizarazu nach nur einem halben Jahr in Marseille zurück an die Säbener Strasse. Damals überzeugte Linksverteidiger Tobias Rau nicht. Und der damals an den VfB Stuttgart verliehene, aber für die Zukunft fest eingeplante Philipp Lahm hatte sich schwer verletzt. Lizarazu war damals die perfekte Aushilfe und beendete 2006 endgültig seine Karriere in München.

Tasci und Dos Santos längst vergessen

Wenige Jahre später kam der Mann, der bis heute bei vielen Bayern-Fans als der ultimative Winter-Flop gilt: Trainer Jürgen Klinsmann lockte im Winter der Saison 2008/09 den US-Amerikaner Landon Donovan nach München.

Manche Beobachter sahen in diesem Transfer den Anfang vom Ende der Ära Klinsmann in München. Donovan, der in den USA ein Superstar war, hatte schon nicht die Klasse gehabt, um sich in Leverkusen durchzusetzen. Das gelang ihm in München erst recht nicht. Bereits nach wenigen Monaten ging der 133-malige US-Nationalspieler zurück über den grossen Teich.

Alphonso Davies setzt sich gerade durch

Ein glücklicheres Händchen mit Spielern aus der Major League Soccer (MLS) bewies der FC Bayern im Winter 2018/19 mit dem Transfer des kanadischen Talents Alphonso Davies.

Der inzwischen 19-Jährige profitierte von der jüngsten Verletzungsmisere des Rekordmeisters und spielte sich auf der Position des linken Verteidigers fest. Eigentlich als vielversprechendes Talent für die Zukunft gekommen, mausert sich Davies bereits in der laufenden Saison zur gesetzten Stammkraft.

Ein weiteres Beispiel für gelungene Wintertransfers ist Luiz Gustavo. Mit dem Brasilianer holte der FC Bayern im Januar 2011 für 17 Millionen Euro einen jungen Mittelfeldspieler von der TSG aus Hoffenheim. Gustavo blieb zweieinhalb Jahre und spielte mit den Münchnern in zwei Champions-League-Finals.

Sandro Wagner spielte nur unter Heynckes

Ebenfalls aus Hoffenheim kam im Januar 2018 der gebürtige Münchner Sandro Wagner - eigentlich eine gute Idee, da schon lange ein Backup für Robert Lewandowski gesucht wurde.

Doch Wagner - ursprünglich ein Eigengewächs der Bayern - durfte nur unter Jupp Heynckes regelmässig ran. Immerhin gelangen dem Hünen in 14 meist kurzen Einsätzen acht Tore.

Unter Heynckes' Nachfolger Niko Kovac aber spielte Wagner praktisch keine Rolle mehr und nahm nur ein Jahr nach seiner Rückkehr an die Isar ein Millionen-Angebot aus China an.

Andere Winter-Transfers wie Julio dos Santos oder Serdar Tasci haben selbst die meisten Münchner Fans längst vergessen.

Der Rückblick zeigt: Im Winter echte Verstärkungen zu finden, ist wahnsinnig schwer. Im Winter geht es meist nur um Schadensbegrenzung oder das Stopfen von echten Lücken im Kader. So wie jetzt bei Odriozola.

Transfersommer 2020 muss sitzen

Bis zum 31. Januar 2020 ist das Transferfenster noch geöffnet. Dass beim FC Bayern noch etwas passiert, ist nicht ausgeschlossen.

Doch spätestens ab dem 1. Februar muss die volle Aufmerksamkeit von Bayern-Sportchef Hassan Salihamidzic auf den Sommer 2020 gerichtet sein. Eine weitere Saison mit zu dünnem Kader sollten sich die Bayern nicht erlauben. Denn Champions werden im Sommer geformt. Und nicht durch hektische Betriebsamkeit im Winter.

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