Meisterschaft? Kein Thema. Bayern-Jäger? Mitnichten. Bei Borussia Dortmund sind die Verantwortlichen nach dem holprigen Bundesliga-Start bemüht, die Ansprüche so gering wie möglich zu halten - und das zu Recht.

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14 Punkte aus acht Spielen, dazu die vergangenen drei Bundesliga-Spiele nicht gewonnen. Der Motor von Borussia Dortmund läuft noch nicht rund. Ein Umstand, der ob des Abgangs der drei Schlüsselspieler Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrich Mchitarjan vor der Saison von vielen erwartet wurde.

Dennoch wäre es zu einfach, die aktuelle Misere lediglich an diesen drei Personalien festzumachen. Das 3:3 in Ingolstadt vom vergangenen Wochenende steht symptomatisch für den bisherigen Saisonverlauf.

Fünf Gründe, wieso der BVB kein Bayern-Jäger ist.

1. Verletzungssorgen

Die Borussia und ihre Verletzten: Eine Situation wie derzeit habe Trainer Thomas Tuchel, so sagt er selbst, in seiner Karriere noch nicht erlebt. Teilweise mussten die Dortmunder auf elf Spieler verzichten, darunter etliche Leistungsträger wie Marco Reus, Sokratis oder Gonzalo Castro.

Diese Misere hat zwei Auswirkungen: Sie verhindert zum einen, dass sich die neu zusammengewürfelte Mannschaft einspielen kann, da Tuchel immer wieder Veränderungen vornehmen muss. Zum anderen kann es sich der BVB-Trainer im Gegenzug kaum leisten, Spieler zu schonen, da er keinen adäquaten Ersatz zur Verfügung hat.

2. Schwachstelle Abwehr

Der Abgang von Innenverteidiger Hummels zum FC Bayern riss eine Riesenlücke in die BVB-Abwehr. Der Nationalspieler war nicht nur für die defensive Stabilität mitverantwortlich, seine vertikale Spieleröffnung war ein wichtiger Baustein des Dortmunder Aufbauspiels.

Für diese Lücke wurde Marc Bartra vom FC Barcelona verpflichtet. Bisher vermag der Spanier, auch verletzungsbedingt, diese Lücke noch nicht zu füllen. Zehn Gegentore in acht Bundesliga-Spielen ist nicht der Anspruch einer Spitzenmannschaft. In Ingolstadt fing sich die Borussia zudem zwei identische Gegentore nach einer Standardsituation. Zuordnung? Fehlanzeige.

Das Hauptproblem dabei ist, dass Tuchel die Viererkette aufgrund der Verletzungen nahezu jedes Spiel verändern muss. Das 2:2 gegen Real Madrid in der Champions League Ende September war das letzte Spiel, in dem der BVB mit der identischen Abwehrreihe zum Spiel davor antrat.

3. Formkrisen

Wenn die einen verletzt sind, haben die anderen die Chance, sich in den Vordergrund zu spielen. Jungstars wie Christian Pulisic (erzielte in Ingolstadt den Last-Minute-Ausgleich), Felix Passlack und Ousmane Dembélé nutzen diese Chance aktuell, lenken durch ihre guten Leistungen zumindest teilweise von der Formschwäche etablierter Spieler wie z.B. Shinji Kagawa ab.

Der Japaner hätte der Nutzniesser der Verletzen-Situation bei der Borussia sein können, läuft aber seiner Form aus den Meistersaisons 2010/2011 und 2011/2012 weit hinterher. Die Leichtigkeit ist Kagawa abhanden gekommen, lediglich 238 Bundesliga-Minuten stehen bei ihm zu Buche (kein Scorerpunkt).

Auch ein Sebastian Rode hat sich bisher nicht als die erhoffte Verstärkung entpuppt. Der Mittelfeldspieler, aus München gekommen, stand nach guter Vorbereitung zu Saisonbeginn in der Startelf, in Ingolstadt sass er die kompletten 90 Minuten auf der Bank. Zudem ist er laut "kicker" mit einem Notenschnitt von 4,5 der am schlechtesten bewertete Spieler der Dortmunder in der Bundesliga (sieben Einsätze).

4. Abhängigkeit von Aubameyang

Pierre-Emerick Aubameyang ist die Lebensversicherung des BVB. Das ist zwar keine völlig neue Erkenntnis, in der aktuellen Saison aber offensichtlicher denn je.

Der Gabuner hat nach einer schwächeren Rückrunde in der vergangenen Saison seine Top-Form wiedergefunden und ist mit sieben Saisontoren erster Verfolger von Kölns Anthony Modeste (acht Tore) im Kampf um die Torjäger-Kanone.

Die Dortmunder sind froh über die Form ihres Top-Stürmers, denn andernfalls hätten sie ein echtes Problem. Bleibt Aubameyang wie beim 0:2 in Leverkusen Anfang Oktober torlos, vermag kaum ein anderer in die Bresche zu springen.

Zehn Pflichtspieltore hat Dortmunds Nummer 17 in zwölf Pflichtspielen erzielt, dahinter kommen mit grossem Abstand Neuzugang Raphael Gueirrero (verletzt) und Gonzalo Castro mit jeweils drei Toren. Man kann aus Borussen-Sicht nur hoffen, dass Aubameyang nicht von der Verletzten-Misere eingeholt wird.

5. Einstellung

Das Spiel in Ingolstadt war ein guter Beleg dafür, dass die Einstellung mancher BVB-Profis zu wünschen übrig lässt. "Wir waren nicht bissig genug", befand beispielsweise Julian Weigl nach dem Spiel.

Als Beleg für die fehlende Konzentration gilt neben den Standard-Gegentoren auch die 60. Minute, als die Borussen den Anschlusstreffer zum 1:2 erzielen, jedoch im direkten Gegenzug das 1:3 kassieren.

So fand auch Tuchel nach dem Spiel deutliche Worte: "Wir waren in der ersten Halbzeit in keinem Bereich des Spiels bereit, Bundesliga zu spielen", sagte der BVB-Trainer bei Sky und kritisierte vor allem die Körperspannung seiner Akteure.

Revierderby vor der Tür

Mannschaften wie Köln, Hertha und Leipzig zeigen dem BVB momentan, was mit der richtigen Einstellung zu erreichen ist. Die Personalsituation dürfte sich in nächster Zeit wieder entspannen, jedoch tut die Borussia gut daran, nicht in die Zukunft zu schauen, sondern sich aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren.

Denn nach dem Pokal-Spiel gegen Union Berlin am Mittwoch (20:45 Uhr bei Sky und bei uns im Ticker) folgt am Samstag mit dem Revierderby der nächste Kracher und das für viele Fans wichtigste Spiel der Saison: Die Dortmunder empfangen Schalke 04, das sich nach der Krise zu Saisonbeginn wiedererstarkt zeigt. An der Einstellung sollte es dann nicht mangeln.

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